Bei Anruf Mord

Die Durchführung und Planung des perfekten Verbrechens zählen zu den Lieblingsthemen von Alfred Hitchcock und resultierten in Filmen, die definitiv zu den seinen besten Werken gehören. Auch wenn er selbst nicht von seiner Adaption des bekannten Broadway-Stücks von Frederick Knott überzeugt war, präsentierte der Master of Suspense mit „Bei Anruf Mord“ (1954) einen packend inszenierten Thriller, der mit geschliffenen Dialogen und wundervoll agierenden Schauspielern fast vergessen macht, dass er fast ausschließlich in einem Apartment spielt.
Um sich weiterhin seinen ausschweifenden Lebensstil leisten zu können, beschließt der ehemalige Tennisprofi und Playboy Tony Wendice (Ray Milland), seine wohlhabende Frau Margot (Grace Kelly) umzubringen, als er einen Liebesbrief des Krimi-Autors Mark Halliday (Robert Cummings) in der Handtasche seiner Frau findet. Um das perfekte Verbrechen zu begehen, erpresst er einen ehemaligen Studienkollegen, den Hochstapler und Ganoven Charles Swann (Anthony Dawson), und instruiert ihn genauestens, wie dieser seine Frau umbringt, während er sich selbst ein Alibi außer Haus verschafft. Dazu versteckt Tony den Wohnungsschlüssel seiner Frau im Treppenhaus, womit Swann unbemerkt in die Wohnung gelangen soll, in der Margot üblicherweise ein Sinfoniekonzert im Radio verfolgt.
Nachdem sich Swann hinter dem Vorhang am Schreibtisch versteckt hat, ruft Tony seine Frau vom Club aus zuhause an und kann so miterleben, wie Swann Margot von hinten mit einem Schal erwürgt. Beim Verlassen soll Swann den Schlüssel wieder an der vereinbarten Stelle im Treppenhaus hinterlegen. Doch der Plan geht schief. Als Tony zuhause anruft, bekommt er mit, wie sich seine Frau aus der Umklammerung ihres vermeintlichen Mörders befreien kann und ihn tötet. Er versucht, Margot zu beruhigen und sie nichts unternehmen zu lassen, bis er zuhause ist und sich der Angelegenheit annehmen kann. Fieberhaft beseitigt Tony verräterische Spuren und legt neue, die schließlich dazu führen, dass Margot angeklagt wird, Swann ermordet zu haben.
Tonys Plan scheint also doch noch aufzugehen – doch dann stößt Chief Inspector Hubbard (John Williams) auf einige Ungereimtheiten und rollt zusammen mit Mark Halliday den Tathergang noch einmal auf …
Um die Wirkung des erfolgreichen Bühnenstücks zu bewahren, hat sich Hitchcock ganz bewusst dazu entschieden, „Bei Anruf Mord“ überwiegend in nur einem Raum spielen zu lassen. Das erlaubte ihm nicht nur, den Film in gerade mal 36 Tagen abzudrehen, sondern auch die volle Kontrolle über die Lichtverhältnisse. Nach „Der Fremde im Zug“ (1951) und „Ich beichte“ (1953) war es die dritte Zusammenarbeit zwischen Hitchcock und Kameramann Robert Burks und die erste mit Schauspielerin Grace Kelly, mit der Hitchcock auch „Das Fenster zum Hof“ (1954) und „Über den Dächern von Nizza“ (1955) realisierte.
Interessanterweise weist „Bei Anruf Mord“ viele Parallelen zu „Der Fremde im Zug“ auf. Hier wie dort ist ein Tennisprofi in die Ereignisse involviert, zunächst jedoch als unschuldig Verfolgter, hier als mörderischer Strippenzieher. Aber in beiden Filmen geht es um das perfekte Verbrechen, das von jemanden ausgeführt werden soll, der mit dem Opfer in keiner Verbindung steht und von dem Begünstigten des Mordes erpresst wird. Doch im Gegensatz zu „Der Fremde im Zug“ spielt sich das Geschehen bei „Bei Anruf Mord“ an nahezu einem Ort ab, ist in Farbe gedreht und spielt ganz bewusst mit den symbolischen Bedeutungen einzelner Farben, vor allem bei Margots Garderobe. Auf das weiße Kleid beim morgendlichen Frühstück mit ihrem Mann folgt das aufreizend rote zur Verabredung mit ihrem Geliebten und schließlich das reuevolle graue nach dem Mord.
„Bei Anruf Mord“ ist nicht nur deshalb ein so gelungener Film, weil er die so Spannung geschickt steigert, bis entschieden wird, ob Margot für den Mord an Swann zum Tode verurteilt oder Tony doch noch rechtzeitig überführt werden kann, sondern auch wegen der interessanten Figurenkonstellation. Denn im Gegensatz zum weltgewandten, charmanten Tony Wendice wirkt Margots Geliebter absolut konturenlos und langweilig, so dass man daraus folgern mag, dass Margot den oberflächlichen Glanz einer vermeintlich interessanten Verbindung satt hat und sich stattdessen nach einer ernsthaften, soliden Beziehung sehnt. Interessant ist außerdem, dass Hitchcock, der sonst in seinen Filmen keinen Hehl daraus macht, dass er von der Polizei nichts hält, mit Chief Inspector Hubbard einen ungewöhnlich klugen wie mitfühlenden Ermittler portraitiert. John Willams („Zeugin der Anklage“, „Über den Dächern von Nizza“) hat diese Rolle übrigens schon in der Bühnenversion verkörpert. Einen besseren Abschluss seines Vertrages mit Warner Bros. hätte sich Hitchcock nicht wünschen können. Danach begann seine äußerst lukrative Zeit mit Paramount und Universal.
"Bei Anruf Mord" in der IMDb

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