Sabotage

Nach den beiden Spionage-Filmen „Die 39 Stufen“ (1935) und „Geheimagent“ (1936) verfilmte Alfred Hitchcock anschließend Joseph Conrads „The Secret Agent“, musste den Film aber wegen der Namensgleichheit mit seinem vorangegangenen Film in „Sabotage“ umbenennen. Während Hitchcock zuvor in „Mord – Sir John greift ein!“ das Wechselspiel von Realität und Täuschung durch die Theaterbühne thematisierte, dient ihm in „Sabotage“ ein kleines Kino für ein paar interessante Einfälle, die allerdings noch nicht so originell ausfallen wie in späteren Werken.
Sylvia (Sylvia Sidney) betreibt mit ihrem mit ihrem wesentlich älteren Mann Carl Verloc (Oscar Homolka) ein kleines Kino in London. Den gütigen Mann hat Sylvia weniger aus Liebe geheiratet, sondern um für ihren zehnjährigen Bruder Stevie (Desmond Tester) und sich selbst ein bürgerliches Zuhause zu finden. Allerdings gehen die Geschäfte nicht besonders gut. Um sich etwas hinzuzuverdienen, lässt er sich von einer terroristischen Organisation dazu anstiften, verschiedene Sabotageaktionen durchzuführen. So ist er auch für den Stromausfall verantwortlich, der die nächste Filmvorstellung in seinem Kino platzen und die Kunden aufgebracht ihr Geld zurückverlangen lässt, doch Ted Spencer (John Loder), der seit ein paar Tagen im Gemüseladen gegenüber arbeitet, versucht den Leuten klarzumachen, dass ihnen bei höherer Gewalt keine Rückzahlung ihrer Eintrittskarten zustehe.
Über die junge Kinobetreiberin versucht der verdeckte Scotland-Yard-Ermittler Spencer allerdings vor allem an Verloc und seine Hintermänner heranzukommen. Durch sein ungeschicktes Vorgehen werden Verloc und seine Gesellen allerdings gewarnt. Da der Stromausfall nicht den erhofften Schrecken, sondern nur Gelächter verursacht hat, wird Verloc nun damit beauftragt, eine Bombe während der Lord Mayor’s Show am Piccadilly Circus zu legen. Trotz der Skrupel, Menschenleben zu gefährden, übernimmt Verloc den Auftrag und trifft sich mit einem Bombenbauer, der zur Tarnung eine Vogelhandlung unterhält.
Doch statt die Bombe selbst zum Zielort zu bringen, schickt er den unbedarften Stevie mit der in Filmrollen versteckten Bombe los, allerdings lässt sich der Junge unterwegs aufhalten und muss schließlich den Bus nehmen, was wegen des entzündlichen Materials der Filmrollen eigentlich verboten ist. Doch die Verspätung holt er so nicht auf, was zu einer Katastrophe führt, die auch das Leben von Verloc und Sylvia nachhaltig verändern wird …
Seit seinem ersten Tonfilm „Erpressung“arbeitete Hitchcock mit Drehbuchautor Charles Bennett an „Der Mann, der zuviel wusste“, „Die 39 Stufen“, „Geheimagent“, „Jung und unschuldig“, „Der Auslandskorrespondent“ und auch an „Sabotage“. Die Joseph-Conrad-Adaption weist schon recht viele Elemente auf, die für Hitchcock-Filme typisch sind, so die Stummfilm-artige Einführung mit dem einprägsamen Bild der Glühlampe, deren Erlöschen den Stromausfall in London symbolisiert, und der Vorstellung von Carl Verloc als Täter, der seine vom Sand beschmutzten Hände zuhause im Badezimmer reinigt, nachdem im Elektrizitätswerk der verräterische Sand als Ursache der Sabotage ausgemacht worden war.
Die Szene, in der der Sand im Waschbecken zurückbleibt, weist bereits auf die berühmte Duschszene in „Psycho“ (1960) hin. Besonders deutlich wird auch – wie später in seinem Meisterwerk „Die Vögel“ (1963) – der Zusammenhang zwischen Vögeln und drohendem Unheil – hier in der Figur des Vogelhändlers, der im Geheimen Bomben baut. Und auch der Spannungsaufbau in der Sequenz, als der ahnungslose Junge mit der Bombe in den Filmrollen durch die Stadt läuft, bis sie um 1.45 Uhr wie geplant explodiert, trägt ganz die Handschrift des Master of Suspense. Dass der Junge tatsächlich stirbt, zählt wahrscheinlich zu den größten Fehlern des Films, bildet aber die Voraussetzung für den zweiten Mord, der die Geschichte schließlich zuspitzt.
Dazu wird in der Art und Weise, wie Kino und die Handlung der Geschichte vor allem auf der Geräuschebene ineinandergreifen, angedeutet, wie bewusst Hitchcock sich filmischer Mittel bedient, um die gewünschten Effekte beim Publikum zu erzielen. Am Ende des sehr ökonomisch inszenierten Thriller-Dramas finden wieder zwei Menschen zueinander, deren Vergangenheit eine schwere Bürde für die zukünftige Beziehung bildet.
"Sabotage" in der IMDb

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