Stockholm Requiem

Seit dem Erfolg von skandinavischen Krimi-Autoren wie Henning Mankell, Jo Nesbø, Ake Edwardson, Hakan Nesser, Jussi Adler-Olson und Stieg Larsson wird auch die Kino-, vor allem aber die Fernsehlandschaft mit unzähligen Filmen und Serien überschüttet, die auch auf Romanen von hierzulande weniger bekannten Autoren basieren. Die im April und Anfang Mai auf ZDF ausgestrahlte Serie „Stockholm Requiem“ basiert auf den Romanen von Kristina Ohlsson und verleiht dem Genre des Nordic Noir mit seiner tiefdunklen Atmosphäre eine ganz neue Bedeutung.
Nach einem tragischen Autounfall musste Fredrika Bergman (Liv Mjönes) ihre Karriere als professionelle Musikerin an den Nagel hängen und kommt nun als zivile Ermittlerin zur Stockholmer Polizei, wo sie die Abteilung für Gewaltverbrechen unterstützen soll. Zwar lernt sie ein modernes Arbeitsumfeld mit offenen Räumen kennen, doch der Empfang durch ihre Kollegen Alex (Jonas Karlsson) und Peder (Alexej Manvelov) hätte herzlicher ausfallen können. Bevor die drei miteinander warmwerden können, werden sie in der Auftaktfolge „Aschenputtels Geheimnis“ auch schon zum Hauptbahnhof gerufen, wo ein fünfjähriges Mädchen verschwunden ist, nachdem seine Mutter am Bahnsteig mit einer anderen Frau zusammengestoßen und damit beschäftigt war, die aus dem Koffer herausgefallenen Sachen wieder zusammenzusuchen. Unter Verdacht fällt zunächst der von der Familie getrennt lebende Vater, zumal auf seinem Laptop Kinderpornographie gefunden wird. Doch als ein weiteres Kind verschwindet, kann er ein Alibi vorweisen, so dass die Ermittler ihre Fühler woanders ausstrecken müssen …
In „Blutspur“ wird ein älteres Pastorenehepaar erschossen in seinem Sommerhaus aufgefunden. Auch die beiden Töchter, Johanna und Karolina, können sich nicht vorstellen, wer für diese grausame Tat verantwortlich gewesen sein könnte, denn wie die Obduktion ergibt, handelt es sich nicht, wie zunächst angenommen, um Selbstmord. Da die Ermordeten mit ihrer Organisation „Aktion Freundschaft“ in der Flüchtlingshilfe tätig gewesen sind, vermuten Fredrika und ihre beiden männlichen Kollegen rechtsradikale Hintergründe.
In dem israelischen Märchen „Paper Boy“ geht nachts ein Monster um und tötet unschuldige Kinder, was einen erschreckend aktuellen Bezug bekommt, als zwei jüdische Jungen auf dem Weg zum Tennis-Training entführt und wenig später mit Papiertüten auf dem Kopf an abgelegener Stelle tot aufgefunden werden. Der Vorfall bringt Fredrika mit ihrem früheren Lover Efraim Kiel (Thomas Levin) zusammen, einem ehemaligen jüdischen Elitesoldaten, der nun als Sicherheitschef an einer jüdischen Schule arbeitet, wo auch noch eine Lehrerin auf dem Schulhof erschossen wird. Während Fredrika schwanger wird und nicht sagen kann, ob ihr Lebensgefährte Spencer (Mikael Birkkjær) oder Efraim der Vater ist, verschwindet auch noch die Schwester eines der toten Jungen …
In „Sterntaler“ wird die Leiche der seit drei Jahren vermissten Rebecca Trolle gefunden. Wie Fredrika und ihre Kollegen herausfinden, hat die Studentin in ihrer Examensarbeit die heikle These vertreten, dass die für den Mord an ihrem Mann Niels verurteilte bekannte Komponistin Thea Aldrin unschuldig gewesen sein soll. Es taucht Videomaterial eines Filmclubs auf, zu dem auch Fredrikas Lebensgefährte Spencer gehörte, auf dem der Mord an einer jungen Frau zu sehen ist. Dass Spencer von der Polizei gesucht wird, bringt Fredrika in eine verzwickte Lage …
Nach dem Prinzip „Auge um Auge“ nimmt ein unbekannter Täter mit offensichtlichem Insiderwissen die Gerechtigkeit in die eigene Hand. Zunächst wird ein Mann ermordet aufgefunden, der vor einem halben Jahr wegen Mordes an seiner Frau verdächtigt, aber wieder freigelassen wurde, dann müssen auch Efraim Kiel und eine Diplomatin dran glauben. Alex und Fredrika verdächtigen ihren Kollegen Torbjörn (Magnus Roosmann), doch wird dieser selbst in der Tiefgarage des Polizeipräsidiums schwer verletzt …
In den fünf spielfilmlangen Folgen der ersten Staffel stehen die Frauen im Mittelpunkt des Geschehens. Nicht nur, dass die Romanvorlagen von einer Frau stammen, auch die Regie haben mit Karin Fahlén („Stockholm Stories“) und Lisa Ohlin („Simon“) zwei Frauen übernommen, während die Hauptfigur ganz realistisch eine zurückhaltende, aber überaus kompetente Ermittlerin sich in der von Männern dominierten Polizeiarbeit durchzusetzen versucht.
Die einzelnen Folgen bieten zwar in sich abgeschlossene Folgen, aber abgesehen von den Ermittlern tauchen andere Figuren in späteren Folgen wieder auf, werden die persönlichen Entwicklungen der Protagonisten fortgeführt. Doch gelingt es den Serienmachern nicht überzeugend, die Ermittlungsarbeit und die persönlichen Belange des Ermittlertrios stimmig zusammenzubringen. Auf der einen Seite werden die einzelnen Schritte bei der Arbeit der Polizei nicht immer nachvollziehbar präsentiert, neue Spuren ergeben sich oft genug quasi aus dem Nichts. Die Dramaturgie fällt dadurch recht holprig aus. Auf der anderen Seite werden die Exkurse ins Privatleben von Fredrika, Alex und Peder immer nur kurz angerissen.
So erfährt der Zuschauer über die fünf Spielfilm-Folgen wenig mehr, als dass Alex von seiner Frau betrogen und geschieden wird, dass Peder sich mit einer Kollegin einlässt und dafür nicht nur von seiner Vorgesetzten gerügt, sondern auch von seiner Frau vor die Tür gesetzt wird. Und Fredrika weiß nicht so recht, wie sie ihren Wunsch nach einer Schwangerschaft verwirklichen will, nachdem festgestellt worden ist, dass Spencers Spermien nicht besonders rege aktiv sind. Neben diesen inhaltlichen und dramaturgischen Schwächen stößt auch der übertrieben triste Look sauer auf.
Mit ihrem wortwörtlichen Verständnis für das „Nordic Noir“-Genre haben die noch nicht allzu erfahrenen Regisseurinnen nicht dazu beitragen können, ihr Publikum für die an sich durchaus interessanten Figuren dauerhaft zu begeistern.
"Stockholm Requiem" in der IMDb

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