Der Auslandskorrespondent

Hitchcock hatte in Hollywood mit „Rebecca“ (1940) gerade seinen ersten Film für David O. Selznick abgedreht, da wurde er auch schon an den unabhängigen Produzenten Walter Wanger ausgeliehen, um für ihn mit „Der Auslandskorrespondent“ einen Propagandafilm nach dem autobiografischen Roman „Personal History“ von Vincent Sheean zu realisieren. Allerdings hat Hitchcock trotz der sichtbar patriotischen Züge letztlich einen ansehnlichen Spionage-Thriller geschaffen, der den Weg zu seinen nachfolgenden Meisterwerken weist.
Weil Mister Powers (Harry Davenport) als Herausgeber des New York Globe von den uninteressanten Berichterstattungen seiner Auslandskorrespondenten gelangweilt ist, schickt er den ebenso impulsiven wie unbedarften Reporter John Jones (Joel McCrae) nach Europa, wo er unter dem Decknamen Huntley Haverstock im Jahr 1939 echte Neuigkeiten über die Kriegsgefahr in Europa in Erfahrung bringen soll. Als er in London ankommt, nimmt ihn Stephen Fisher (Herbert Marshall), der Vorsitzende der Universal Peace Party, unter seine Fittiche und macht ihn mit dem holländischen Diplomaten Van Meer (Albert Bassermann) bekannt. Dieser ist Mitverfasser einer „Geheimklausel“, die im Falle eines Kriegsausbruchs entscheidende Vorteile für eine der nicht näher benannten Kriegsparteien mit sich bringen würde. Bei einer Veranstaltung von Fishers kleinen Friedensbewegung sollte eigentlich Van Meer als Hauptredner auftreten, doch da er verhindert ist, übernimmt Fishers aufgeweckte und hübsche Tochter Carol (Laraine Day) dessen Part.
In Amsterdam trifft der Reporter Van Meer wieder, doch bevor er mit ihm reden kann, wird Van Meer vor seinen Augen von einem Attentäter erschossen. Zusammen mit seinem Kollegen Scott Ffolliott (George Sanders) und Carol nimmt Haverstock die Verfolgung auf, doch in der Nähe der Küste verschwindet der Fluchtwagen bei den Windmühlen plötzlich spurlos. Doch Havenport gelingt es, die Attentäter in einer der Windmühlen ausfindig zu machen. Offenbar wurde das Attentat an Van Meer nur vorgetäuscht, der echte Van Meer soll seinen Entführern den Inhalt der Geheimklausel verraten …
Obwohl der Film als Propagandafilm in Auftrag gegeben wurde und möglichst nah die aktuellen Ereignisse in Europa bis zum Kriegseintritt Englands abbilden sollte, verhoben sich die verschiedenen Drehbuchautoren so lange am Stoff, bis Hitchcock selbst mit seinem alten britischen Mitstreiter Charles Bennett („Der Mann, der zuviel wusste“, „Die 39 Stufen“) und Joan Harrison („Rebecca“, „Verdacht“) ein neues Skript zu entwickeln, das von der Buchvorlage nur noch die Ereignisse in Holland beibehielt. Das ermöglichte Hitchcock, viele seiner bekannten Sujets zu verarbeiten, vor allem das vertraute Spiel mit falschen Identitäten, das hier von Beginn mit der bewussten Namensänderung des aufgeweckten Amateurs John Jones zu Huntley Haverstock eingeführt wird, der sich schließlich zu einem echten Profi entwickeln wird.
Vor dem Hintergrund der realen politischen Krise, die Europa bevorstand, ist dem unpolitischen Alfred Hitchcock ein bemerkenswert humorvoller Film gelungen, bei dem – auch hier finden wir ein bekanntes Thema anderer Hitchcock-Werke - Carol und John am Ende nach Überwindung etlicher Turbulenzen zueinanderfinden. Bis dahin agiert wie später auch Roger Thornhill in „Der unsichtbare Dritte“ (1958) der Journalist als Agent wider Willen, der wie Thornhill an einem öffentlichen Ort getötet werden soll. Besonders spektakulär ist das Finale von „Der Auslandskorrespondent“ gelungen, wenn das Flugzeug, in dem sich Fisher, Carol und Haverstock befinden, von einem Nazi-Kreuzer abgeschossen wird und sich die überlebenden Passagiere nach dem Aufprall auf dem Wasser zu retten versuchen.
Die Geheimklausel fungiert übrigens als typischer MacGuffin, der die Handlung zwar vorantreibt, aber letztlich ohne Bedeutung bleibt. In der finalen Radioansprache, die Haverstock im Bombenhagel von London aus an seine amerikanischen Mitbürger richtet, kommt dann doch noch kurz die politische Botschaft durch, die Freiheit mit Waffen verteidigen zu müssen, und der Amateur ist endgültig zum Profi geworden.
"Der Auslandskorrespondent" in der IMDb

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