Der unsichtbare Dritte

Je erfolgreicher Alfred Hitchcock mit seinen in den USA produzierten Filmen wurde und je mehr Kontrolle er bei seinen Filmen ausüben konnte, umso besser schienen sie zu werden. Als besonders herausragendes Beispiel muss der 1959 – vor „Psycho“, „Marnie“ und „Die Vögel“ – entstandene Thriller „Der unsichtbare Dritte“ gelten, in dem der Master of Suspense gleich mehrere seiner Lieblingsthemen zur Perfektion vereinte.
Der vielbeschäftigte und erfolgreiche Werbefachmann Roger Thornhill (Cary Grant) wird bei einem Arbeitstreffen in einem Club mit vorgehaltener Waffe von zwei Männern entführt und zu dem herrschaftlichen Townsend-Anwesen chauffiert, wo ihm Phillip Vandamm (James Mason) und sein Helfershelfer Leonard (Martin Landau) Informationen entlocken wollen. Allerdings halten sie Roger für einen Spion namens George Kaplan. Als ihr Entführungsopfer natürlich nicht mit den erhofften Informationen aufwarten kann, flößen sie ihm eine Flasche Bourbon ein und setzen ihn hinter das Steuer eines Cabrios, mit dem der unnütze Mann über die Klippe stürzen soll. Doch Roger gelingt es trotz seines betrunkenen Zustands, halbwegs die Kontrolle über den Wagen zu wahren, wird aber von einer Polizeistreife angehalten und aufs Polizeirevier gebracht. Bei der richterlichen Anhörung bekommen Roger und sein Anwalt noch einen Tag Aufschub, um die abenteuerliche Geschichte, die Roger zu seiner Verteidigung vorgebracht hat, zu beweisen, doch selbst Rogers Mutter (Jessie Royce Landis) rollt bei Rogers Version der Geschichte die Augen. Als der nochmalige Besuch des Townsend-Anwesens in Begleitung der Polizei nicht die erhoffte Bestätigung bringt, sieht sich Roger gezwungen, auf eigene Faust aus dem Schlamassel herauszukommen. Doch als er den Diplomaten Lester Townsend (Philip Ober) im UN-Gebäude zur Rede stellen will, muss er nicht nur feststellen, dass er ganz anders aussieht als der Mann, der ihn gefangen nehmen und auf das Anwesen der Diplomaten bringen ließ, sondern er wird auch des Mordes verdächtigt, als Townsend mit einem Messer im Rücken in seinen Armen stirbt. Roger kann mit Mühe aus dem Gebäude fliehen und sich in einen Zug retten, wo er auf die ebenso schöne wie hilfsbereite Eve Kendall (Eva Marie Saint) trifft, ohne zu ahnen, dass sie ebenfalls in den Diensten von Vandamm steht …
Ähnlich wie die berühmte Duschszene in „Psycho“ hat sich auch Roger Thornhills Flucht in der Wüste vor dem herannahenden Flugzeug in „Der unsichtbare Dritte“ unauslöschlich in das Gedächtnis aller Filmliebhaber gebrannt. Die Szene dokumentiert auf unnachahmlich packende Weise, wie sich der gänzlich unbescholtene Werbefachmann in seinem schicken Anzug in einer für ihn unvorstellbaren Situation wiederfindet, in der er nicht auf den belebten Straßen der Großstadt und in schicken Büros seinen Lebensunterhalt verdient, sondern in der freien Natur um sein Leben rennen muss. Es ist ein Paradebeispiel für Hitchcocks beliebtes Thema des unschuldig Verfolgten. Besonders erfrischend ist in diesem Zusammenhang auch noch Rogers beruflich geprägten Verständnis von Wahrheit und Täuschung und seinem eigenen Schicksal, das ihn zwingt, die Wahrheit hinter all den Täuschungsmanövern herauszufinden, was aber dadurch erschwert wird, dass der George Kaplan, für den er fälschlicherweise gehalten wird, gar nicht existiert, sondern seinerseits ein Konstrukt des Geheimdienstes darstellt, um von seinem echten Agenten abzulenken.
Cary Grant verkörpert diesen charmanten, humorvollen und attraktiven Macher in jeder Szene überzeugend und dient als perfekte und sympathische Identifikationsfigur für das Publikum, das deshalb besonders bei der Szene auf dem Maisfeld in der Wüste mitfiebert. Dazu bietet Hitchcock auch noch eine erotisch aufgeladene Love-Story zwischen Roger und der geheimnisvollen Schönen, und wie in so vielen seiner Filme lässt der Meister-Regisseur auch in „Der unsichtbare Dritte“ das Paar erst nach Bestehen turbulenter Entwicklungen und Herausforderungen zueinanderfinden. Besonders eindrucksvoll ist das actionreiche Finale vor den Kulissen von Mount Rushmore gelungen. Selten hat Hitchcock all sein Können so effizient und spannungsreich in Szene gesetzt wie in „Der unsichtbare Dritte“, in der das rasante Tempo auch wunderbar durch Bernard Herrmanns rhythmisch treibenden Score verstärkt wird.
"Der unsichtbare Dritte" in der IMDb

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