Mord - Sir John greift ein!

Mit seinem dritten Tonfilm „Mord – Sir John greift ein!“ (1930) erzählte Alfred Hitchcock zwar eine recht simple Geschichte nach dem Roman „Enter Sir John“ von Clemence Dane und Helen Simpson, präsentierte aber einen der wenigen Whodunits in seiner Filmografie, verband vertraute Elemente und ungewöhnliche Experimente, die später von Regisseuren wie David Lynch und Martin Scorsese übernommen wurden.
Nachts um halb zwei wird die Nachbarschaft in einer Londoner Straße durch einen lauten Schrei aufgeschreckt. Die junge Schauspielerin Edna Bruce wird in einer Pension ermordet aufgefunden, neben ihr sitzt ihre Kollegin Diana Baring (Norah Baring) mit der offensichtlichen Tatwaffe, einem Schürhaken, doch vermag die apathisch wirkende Frau sich an nichts zu erinnern. Bei der folgenden Gerichtsverhandlung sollen die Geschworenen das Urteil fällen. Die wenigen Zweifler an der Schuld der Angeklagten werden schnell auf den Mehrheitskurs gebracht. Obwohl der Theaterproduzent, -Autor und -Schauspieler Sir John Menier (Herbert Marshall) bis zuletzt Zweifel an der Entscheidung hat, stimmt er doch für schuldig, stellt wegen seines schlechten Gewissens aber eigene Nachforschungen an. Während er sich in Diana verliebt, engagiert er den Bühnenmanager Ted Markham (Edward Chapman) und seine Frau Doucie (Phyllis Konstam) aus Dianas Schauspieltruppe zur Unterstützung und stößt auf den Akrobaten Handel Fane (Esme Percy), der mit Diana verlobt war und transvestitische Neigungen besitzt, die eine gemeinsame Freundin zu verraten drohte. Da Sir John keine Beweise gegen Fane hat, lässt er ihn in einem vermeintlichen neuen Theaterstück vorsprechen, um ihn zu überführen …
Obwohl Alfred Hitchcock sich wenig begeistert zeigte, diesen Whodunit-Krimi zu inszenieren, nutzte er den Film für einige sehenswerte Experimente und Elemente, die er vor allem dem deutschen Expressionismus entnommen hat, wofür die markanten Schatten und die Enge der Räume stehen. Am interessantesten präsentiert sich bei der Suche nach dem wahren Täter die Vermischung zwischen Theater und Realität, am deutlichsten zu sehen bei der polizeilichen Befragung von Schauspielern, die während des Gesprächs auf die Bühne zu ihrem Einsatz eilen. Die Frage, was gespielt und real ist, durchzieht schließlich auch die Suche nach dem Täter. Die unausgesprochene Homosexualität, die hier zum Motiv wird, zählt zu den wesentlichen Neuerungen im Film, ebenso die langen Kameraeinstellungen, die später von anderen berühmten Filmemachern übernommen wurden.
Wie in einigen späteren Werken geht es in „Mord – Sir John greift ein!“ um einen unschuldig Verfolgten und um das Spiel mit Identitäten. So stellt dann auch die schillernde Figur des Trapezkünstlers den Mittelpunkt des Films dar, den Hitchcock kurz danach auch mit deutschen Schauspielern als „Mary“ nachdrehte. Allerdings hat der Filmemacher, wie er im Gespräch mit Truffaut einräumt, die Eigenheiten der deutschen Sprache unterschätzt. „Mary“ ist ebenso wie der gut viertelstündige Ausschnitt des Interviews, das François Truffaut mit Hitchcock geführt hat, als Bonus der DVD von Arthaus enthalten.
"Mord - Sir John greift ein!" in der IMDb

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