Geheimagent

Die Filme, die Alfred Hitchcock in seiner britischen Phase ab Mitte der 1930er Jahre inszeniert hat – „Der Mann, der zuviel wusste“ (1934), „Die 39 Stufen“ (1935), „Geheimagent“ (1935), „Sabotage“ (1936) und „Die Dame verschwindet“ (1937) – sind allesamt von den Folgen des Ersten Weltkriegs und der Angst vor dem drohenden Zweiten Weltkrieg gezeichnet. Nachdem in „Die 39 Stufen“ noch ein Amateur unversehens in ein Spionage-Drama hineingezogen wurde, präsentiert Hitchcock in „Geheimagent“ die andere Seite und mit seinem Protagonisten gleich einen Vorläufer von Ian Flemings ikonischer Figur James Bond.
Im Mai 1916 wird der britische Spion Edgar Brodie (John Gielgud) für tot erklärt und offiziell beerdigt. Tatsächlich soll er unter der neuen Identität als Richard Ashenden in die Schweiz reisen und dort einen deutschen Agenten aufspüren und ausschalten, wofür ihm zwei Assistenten zur Seite gestellt werden, ein skurriler mexikanischer General (Peter Lorre) und eine Frau namens Elsa (Madeleine Carroll), die als Ashendens Ehefrau auftreten soll. Als sich Ashenden und Elsa zum ersten Mal in dem Schweizer Hotel begegnen, beginnt es schon zu knistern, doch auch der Amerikaner Marvin (Robert Young) bekundet offen sein Interesse an der attraktiven Agentin. Als die Agenten einen ihrer Informanten ermordet in einer Kirche auffinden, führt sie ein Mantelknopf in der Hand des Toten zu dem vermeintlichen britischen Touristen Caypor (Percy Marmont) und seiner depressiven deutschen Frau (Florence Kahn). Um ihren Auftrag zu erledigen, wollen Brodie und der General eine Bergtour mit Caypor unternehmen …
„Geheimagent“ ist nach zwei Erzählungen von William Somerset Maugham entstanden, der selbst als Geheimdienstmitarbeiter während des Ersten Weltkriegs tätig gewesen ist, und wurde von Hitchcocks Haupt-Drehbuchautor Charles Bennett („Die 39 Stufen“, „Erpressung“) zu einer Geschichte zusammengeführt, die sicherlich ihre Fehler und Schwächen besitzt, aber auch einige ganz starke Motive aufweist, die später auch in „Der Auslandskorrespondent“ (1940), „Saboteure“ (1942) und „Berüchtigt“ (1946) Verwendung finden sollten. Mit Madeleine Carroll („Die 39 Stufen“) präsentierte Hitchcock seine erste von vielen Blondinen (Kim Novak, Tippi Hedren, Vera Miles, Ingrid Bergman), denen er während der Dreharbeiten besondere Aufmerksamkeit schenkte. Zwar nimmt man ihr die Agentin, die den Auftrag vor allem als „Abenteuer“ betrachtet, nicht wirklich ab, dafür bringt sie das Gefühlsleben von Brodie/Ashenden und Marvin ordentlich durcheinander, ohne dass das Pflichtgefühl ihrem Auftrag gegenüber einen glücklichen Ausgang erlauben würde.
Dafür begegnen wir wieder einigen Szenen und Elementen, die in späteren Hitchcock-Filmen wieder auftauchen, so die groteske Beerdigungsszene, die in „Immer Ärger mit Harry“ (1954) einen ganzen Film über ausgespielt werden sollte. Aber auch der finale Todessturz vor eindrucksvoll exotischer Kulisse findet sich in vielen anderen von Hitchcocks Werken wieder. Die Show gehört aber vor allem Peter Lorre, der hier als kindsköpfiger Schlächter mit Dauerwelle auftritt und mit seinen Temperamentsausbrüchen als Gegenpol zum Gentleman-Agenten Ashenden agiert, der auf einmal Skrupel wegen des Auftrags bekommt.
Sehr viel Sorgfalt verwendete Hitchcock auch auf die landestypischen Elemente, die Alpen, die Milchschokolade und sogar die Volkstänze.
„Geheimagent“ dreht sich um die für Hitchcock oft zentralen Themen von Schuld und Unschuld, fällt nach der Ermordung des mutmaßlichen Spions aber etwas in der Spannung ab.
"Geheimagent" in der IMDb

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