Mit aller Macht
Bereits mit seinen ersten Filmen – „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (1966), „Die Reifeprüfung“ (1967) und „Catch-22“ (1970) hat sich der in Berlin geborene US-amerikanische Filmemacher Mike Nichols (1931-2014) als Regisseur mit feinem Gespür für unbequeme Stoffe erwiesen. Das bestätigte sich in seiner 1998 produzierten Verfilmung des Romans „Primary Colors: A Novel of Politics“ des ehemaligen Newsweek-Journalisten Joe Klein. Die Polit-Satire entlarvt auf unterhaltsame Weise die oft schmutzigen Strategien hinter den Kulissen des politischen Wahlkampfs.
Der ehrgeizige Gouverneur Jack Stanton (John Travolta) strebt mit seiner Frau Susan (Emma Thompson) an der Seite die Rolle des Präsidentschaftskandidaten der Demokraten an und reist quer durch die Staaten auf Stimmenfang. Henry Burton (Adrian Lester), Enkel eines berühmten schwarzen Bürgerrechtlers, ist noch uneins mit sich selbst, ob er zum Wahlkampfteam des Gouverneurs stoßen soll, und will sich vor Ort ein Bild von ihm machen. Als Stanton eine Schule besucht, in der erwachsene Analphabeten Lesen und Schreiben lernen, hört er sich aufmerksam die Schicksale der Menschen an und kommentiert sie mit einer eigenen Geschichte darüber, wie sein als Kriegsheld ausgezeichneter Onkel Charlie (J. C. Quinn) nach dem Krieg jeden anspruchsvollen Job ablehnte, weil er nicht schreiben und lesen konnte, weshalb Stanton den Mut der hier versammelten Schüler sehr bewundere. Nachdem Stanton auch noch ein paar Tränen der Rührung vergossen hat, glaubt Burton, in Stanton den geeigneten Kandidaten für die Nominierung der Demokraten zur Präsidentschaftswahl gefunden zu haben.
Doch dann wird Burton mit einigen Ereignissen und Personen konfrontiert, die Zweifel an seiner Bewunderung für Stanton aufkommen lassen, der geschickt Lügen und Erfindungen einsetzt, um sich bei seinen potenziellen Wählern in ein günstiges Licht zu rücken. Als dann eine Frau aus Stantons Heimat behauptet, eine Affäre mit ihm gehabt zu haben und dies mit einer Telefonaufnahme beweisen zu können, ist das Wahlkampfteam um den zynischen Pragmatiker Richard Jemmons (Billy Bob Thornton) und die junge Daisy Green (Maura Tierney) gefordert. Doch es ist schließlich Burton, der sich erinnert, dass die im Fernsehen präsentierte Tonbandaufnahme aus einem Telefonat zwischen ihm selbst und Stanton zusammengeschnitten worden ist. Stanton engagiert mit Libby Holden (Kathy Bates) eine alte Freundin der Familie. Die erfahrene Bekämpferin von Schmutzkampagnen hat die letzten Jahre allerdings in psychiatrischen Kliniken verbracht und sieht sich bald einer weiteren Herausforderung gegenüber, als eine minderjährige junge Schwarze behauptet, von Stanton geschwängert worden zu sein. Erst als Stantons einziger Gegenkandidat eine Herzattacke erleidet, scheint der Weg für Stanton als Kandidat für die Demokraten frei zu sein. Bis sich der Ex-Gouverneur von Florida, Fred Picker (Larry Hagman), zurückmeldet, nachdem er sich vor 20 Jahren aus – angeblich - privaten Gründen aus der Politik zurückgezogen hatte…
Kritik:
Mike Nichols („Wolf – Das Tier im Manne“, „Der Krieg des Charlie Wilson“) hat mit „Mit aller Macht“ ein detailverliebtes und glaubwürdiges Drama inszeniert, in dem sichtbar gemacht wird, wie hinter den Kulissen eines politischen Wahlkampfes schonungslos die Schwächen und Verfehlungen der politischen Gegner in die Öffentlichkeit gezerrt werden und auf der anderen Seite die eigene Persönlichkeit so präsentiert wird, dass sie in die Wunschvorstellungen der Wählerschaft passt.
Nichols und seine Drehbuchautorin Elaine May („Schmalspurganoven“, „Tootsie“, „Der Himmel soll warten“) werfen den Blick ebenso von innen wie von außen auf die Manöver, die das mit allen Wassern gewaschene Wahlkampfteam inszenieren muss, um ihren Kandidaten möglichst schadlos durch den Wahlkampf zu lotsen.
Aus der Perspektive des Publikums, vor dem Stanton auftritt, und aus den Diskussionen innerhalb des Wahlkampfteams wird deutlich, wie bewusst Stantons Außenwirkung gesteuert wird, doch wirkt Stanton nicht wie eine sich der Wählerschaft anbiedernde Marionette. John Travolta („Zivilprozess“, „Schnappt Shorty“) verkörpert Stanton mit charismatischer Ausstrahlung, ebenso wie Emma Thompson („Was vom Tage übrigblieb“, „Sinn und Sinnlichkeit“) als loyale Ehefrau, die sich der Affären ihres Mannes durchaus bewusst ist, sie aber so lange toleriert, bis sie an die Öffentlichkeit gezerrt werden.
Großartig ist auch Kathy Bates („Misery“, „Grüne Tomaten“) als überaus resolute Problemlöserin. Die großartigen Darsteller und die pointierten Dialoge machen „Mit aller Macht“ zu einem großartigen, den Politzirkus entlarvenden Drama, das die Beteiligten aber gut dastehen lässt und nicht daran interessiert ist, die Figuren und ihr Tun bloßzustellen.
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