Motherless Brooklyn

In den 1990er Jahren zählte Edward Norton mit bemerkenswerten Rollen in Filmen wie „Zwielicht“, „American History X“ und „Fight Club“ zu den vielversprechendsten Darstellern seiner Generation. Doch mittlerweile ist es um den dreifach Oscar-Nominierten recht ruhig geworden. Nach Nebenrollen in „Moonrise Kingdom“, „Grand Budapest Hotel“ und „Birdman“ legte Norton nach seinem Debüt mit „Glauben ist alles!“ (2000) im Jahr 2019 seine zweite Regiearbeit vor. „Motherless Brooklyn“ ist nach dem 1999 veröffentlichten, gleichnamigen Roman von Jonathan Lethem entstanden, dessen Handlung Norton als Drehbuchautor, Hauptdarsteller und Regisseur von den 1990ern in die 1950er Jahre verlegte und dabei auf ein imponierendes Ensemble zurückgreifen konnte. 

Inhalt: 

Als sein Chef und Mentor, der Privatermittler Frank Minna (Bruce Willis), vor seinen Augen erschossen wird und wenig später im Krankenhaus stirbt, bricht für den unter dem Tourette-Syndrom leidenden Lionel Essrog (Edward Norton) eine Welt zusammen. Franks Witwe Julia (Leslie Mann), die von dem Geschäft ihres Mannes keine Ahnung hat, lässt die Detektei L & L weiterlaufen und überträgt Lionels Kollegen Tony Vermonte (Bobby Cannavale) die Leitung. Lionel ist allerdings nicht an neuen Aufträgen interessiert und kümmert sich ausschließlich um die Aufklärung des Mordes an seinem Freund. Die letzten Worte, die der Sterbende in Lionels Ohr geflüstert hat, führen den Detektiv, der nie etwas vergisst, zunächst in die Jazz-Bar „Formosa“ und zu der geheimnisvollen Schwarzen Laura Rose (Gugu Mbatha-Raw), die Proteste gegen den Immobilienhai Moses Randolph (Alec Baldwin) anführt. Der mächtige Baulöwe lässt Stadtgebiete zu Slums erklären, damit er sie abreißen lassen und dort Schnellstraßen und Parks errichten kann. Gleichzeitig erniedrigt Randolph seinen Bruder Paul (Willem Dafoe), der Essrog mit weiteren Informationen dienen kann, die Licht in die Affäre bringen, die Frank zum Verhängnis wurden… 

Kritik: 

Fast zwanzig Jahre hat es bis zur Verfilmung des preisgekrönten Romans von Jonathan Lethem („Als sie über den Tisch kletterte“, „Die Festung der Einsamkeit“) gedauert. Edward Norton verlegte die Handlung nicht nur in die Hochzeit des Film noir, sondern gibt sich redlich Mühe, auch die Atmosphäre jener Zeit möglichst authentisch einzufangen. Das gelingt ihm vor allem zu Anfang sehr gut, als er die schleichende Bedrohung einfängt, die Frank Minna verkörpert, als er Lionel und Gilbert (Ethan Suplee) bittet, die verabredete Transaktion mit Franks Auftraggeber zu verfolgen und bei bestimmten Codeworten Maßnahmen zur gemeinsamen Flucht zu ergreifen. 
Mit der anschließenden Verfolgungsjagd und den tödlichen Schüssen auf Frank, der Lionel und seine Mitstreiter einst aus dem Waisenhaus rettete, in dem sie misshandelt wurden, weist „Motherless Brooklyn“ seinen ersten Höhepunkt auf und weist die Richtung auf die nachfolgende Handlung. Hier lässt sich Norton sehr viel Zeit, um die ambitionierten Pläne des skrupellosen Baulöwen Moses Randolph zu entlarven und seine kompromisslose Art und Weise, seine Kritiker zum Verstummen zu bringen, unter die Lupe zu nehmen. 
Der Film fährt dabei ein eindrucksvolles Ensemble auf, aus dem aber nicht mal namhafte Darsteller wie Willem Dafoe und Alec Baldwin herausragen können, weil ihnen das Drehbuch trotz der epischen Filmlänge von über 140 Minuten zu wenig Raum zur Entfaltung gibt. Auf der anderen Seite nimmt sich Norton viel Zeit, um seine eigene Figur mit ihren Tourette-Anfällen sowie Lionels zarte Beziehung zu Laura Rose, der furchtlosen Tochter eines Jazzclub-Besitzers, einfühlsam zu entwickeln. 
Nach furiosem Beginn verpufft der Esprit zwar weitgehend in einer schleppend vorangetriebenen, letztlich auch vorhersehbaren Handlung, doch schafft es Norton gerade in Szenen, die für die Story an sich wenig bedeutend sind, das Kolorit jener Zeit einzufangen, vor allem in den längeren Nachtclub-Szenen. Allerdings wird man das Gefühl nicht los, dass „Motherless Brooklyn“ mehr hätte sein und dass aus den Figuren und dem Plot mehr hätte herausgeholt werden können. Alec Baldwins Figur wirkt beispielsweise wie eine plumpe Karikatur von Immobilien-Moguls wie Donald Trump oder Robert Moses, der offensichtlich das Vorbild für Moses Randolph gewesen ist, während andere Figuren, die eingeführt worden sind, plötzlich nicht mehr auftauchen. 
Auch wenn „Motherless Brooklyn“ alles andere als rund geworden ist und dem offensichtlichen Vergleich mit Roman Polanskis Meisterwerk „Chinatown“ nicht standhält, überzeugen Dick Popes („The Illusionist“, „Vera Drake“) Kameraarbeit, Daniel Pembertons von Wynton Marsalis orchestrierter Score und die klassische Erzählstruktur. 

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