In der Stille der Nacht
Robert Benton gehört fraglos zu den profilierteren Filmemachern in Hollywood, wurde er doch für sein Drehbuch und die Regie von „Kramer gegen Kramer“ (1979) und für das Drehbuch zu „Ein Platz im Herzen“ mit je einem Oscar ausgezeichnet, dazu gesellen sich Nominierungen u.a. für die Drehbücher zu „Bonnie und Clyde“, „Late Show“ und „Nobody’s Fool“. Nach dem herausragenden Beziehungsdrama „Kramer gegen Kramer“ wandte sich Benton dem Thriller-Genre zu und lieferte mit dem hochkarätig besetzten „In der Stille der Nacht“ eine tiefe Verbeugung vor dem Film noir und Alfred Hitchcock ab.
Inhalt:
Als in New York die Leiche von George Bynum (Josef Sommer) von einem Autodieb entdeckt wird, dem der Mann mit durchgeschnittener Kehle beim Öffnen der Autotür entgegenfällt, bekommt sein Psychiater Dr. Sam Rice (Roy Scheider) umgehend Besuch von der attraktiven Brooke Reynolds (Meryl Streep), die Bynums Therapeuten bittet, die Uhr, die der Verstorbene bei ihr vergessen hat, seiner Frau zurückzugeben. Wie Rice, der selbst gerade eine Scheidung durchlebt, von der unsicher wirkenden Frau erfährt, arbeiteten Bynum und sie in einem Auktionshaus zusammen und hatten eine Affäre, von der Rice bitte der Polizei nichts erzählen möge. Noch während ihres Gesprächs steht auch schon Detective Vitucci (Joe Grifasi) vor der Tür. Nachdem Rice seine hübsche Besucherin durch eine Nebentür nach draußen entlässt, macht er den Detective auf die ärztliche Schweigepflicht aufmerksam, wird aber darauf aufmerksam gemacht, dass Bynum offenbar von einer Frau ermordet worden sei und dass weitere Bekannte in Bynums Bekanntenkreis gefährdet sein könnten. Rice holt sich Rat bei seiner ebenfalls als Psychiaterin tätigen Mutter (Jessica Tandy) und liest sich noch einmal die Gesprächsprotokolle seiner Sitzungen mit Bynum durch.
Dabei stößt er auf einen verstörenden Traum, in dem Bynum in einem verschlossenen Haus von einem jungen Mädchen verfolgt wird. Während Rice dem Detective gegenüber weiterhin wortkarg bleibt, sucht er die Nähe von Bynums attraktiver Assistentin, in die er sich zu verlieben scheint…
Kritik:
Robert Benton hat für den Großteil seiner Filme selbst das Drehbuch beigesteuert, so auch zu „In der Stille der Nacht“. Offensichtlich wollte er damit vor allem Alfred Hitchcock, dem Großmeister der Spannung, seinen Respekt zollen, der ja auch einige Klassiker inszeniert hat, die dem Film noir zuzurechnen sind (u.a. „Verdacht“, „Rebecca“, „Vertigo“, „Das Fenster zum Hof“). Doch Bentons Versuch, die Aufklärung eines Mordfalls mit der Liebesgeschichte zwischen einem in Scheidung lebenden Psychiaters und der Geliebten seines gerade ermordeten Patienten miteinander zu verbinden, funktioniert nicht recht.
Das liegt definitiv nicht an den hervorragenden Darstellern. Vor allem Bentons „Kramer gegen Kramer“-Star Meryl Streep macht als unsicher wirkende, doch subtil verführerische, hell blondierte Femme fatale eine tolle Figur, nur wird wenig plausibel, warum sie sich nahtlos von einer Affäre in die nächste stürzen sollte. Roy Scheider wiederum wirkt etwas unterfordert, wenn seine Figur versucht, in den Gesprächsprotokollen nach Hinweisen auf Bynums Mörder(in) zu finden, und hin- und hergerissen ist, ob er sich auf eine Affäre mit einer Frau einlassen soll, die vielleicht eine Mörderin ist.
Die Story konzentriert sich auch mehr auf die Beziehung zwischen Rice und der Verdächtigen als auf die Ermittlungen, die vor allem dann eine Rolle spielen, um Rice bewusst zu machen, in welche Gefahr er sich möglicherweise begibt. Ansonsten arbeiten Benton und sein Kameramann Néstor Almendros („Die letzte Metro“, „Pauline am Strand“, „Kramer gegen Kramer“) geschickt mit dem Spiel von Licht und Schatten und setzen auf einige Schockeffekte, die mittlerweile etwas altbacken wirken.
Die große Schwäche neben dem wenig überzeugenden Plot stellt vor allem das konstruierte Finale dar, mit dem die vorher aufgebaute Spannung zunichte gemacht wird. Die guten Darsteller und die überzeugende Atmosphäre machen „In der Stille der Nacht“ dennoch zu einem gerade noch sehenswerten Thriller.
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