Lebenszeichen
In seiner nunmehr 80(!)-jährigen Karriere als Filmemacher hat Werner Herzog mit Werken wie „Aguirre, der Zorn Gottes“ (1972), „Kaspar Hauser – Jeder für sich und Gott gegen alle“ (1974), „Stroszek“ (1977), „Fitzcarraldo“ (1982) und „Cobra Verde“ (1987) maßgeblich den deutschen Film geprägt. Was für ein einfühlsamer Autorenfilmer in Herzog steckt, machte schon sein Langfilmdebüt „Lebenszeichen“ (1968) deutlich, für das er als Produzent, Autor und Regisseur verantwortlich zeichnete und das 1968 beim Berliner Filmfestival mit dem Silbernen Bären für das beste Erstlingswerk prämiert wurde.
Inhalt:
Während des Zweiten Weltkriegs wird der deutsche Soldat Stroszek (Peter Brogle) bei einem Einsatz in Griechenland verletzt und nach seinem Aufenthalt im Lazarett auf die Insel Kos versetzt, wo er sich auskurieren soll. Mit seinen Kameraden Becker (Wolfgang von Ungern-Sternberg) und Meinhard (Wolfgang Reichmann) soll er über ein Hafenkastell wachen, in dem alte Munitionsbestände gelagert werden, doch haben sie dabei nicht viel zu tun. Stroszek darf nach Erteilung einer Sondergenehmigung die einheimische Nora (Athina Zacharopoulou) heiraten, mit der er ein von den Deutschen okkupiertes Haus bewohnen darf. Zwar vertreiben sich die Soldaten die Zeit mit der Renovierung des Hauses, doch verhindern diese Tätigkeiten nicht, dass alsbald von der Hitze befeuerte Langeweile und Missmut aufkommen.
Um der Tristesse zu entfliehen, meldet sich Stroszek zur Patrouille durch das angeblich von Partisanen unterwanderte Umland. Auf Feinde trifft er zwar nicht, als sich ihm aber von einer Hügelkuppe aus ein Panorama hypnotisch rotierender Windräder eröffnet, ist es um seine zuvor schon angegriffene geistige Gesundheit geschehen. Im Größenwahn besetzt er das Kastell, deklariert die harmlose Bevölkerung zur Feindmacht und droht an, das Örtchen in die Luft zu sprengen, dem Licht der Sonne mit Licht zu begegnen…
Kritik:
Werner Herzog hat schon in frühen Jahren viel von der Welt gesehen. Als er im Alter von fünfzehn Jahren durch Griechenland reiste, erblickte er das überwältigende Windrad-Panorama und schrieb um diesen Eindruck der „Landschaft in Ekstase“ schrieb er ein Drehbuch, das zunächst „Feuerzeichen“ betitelt war und außerdem von der romantischen Erzählung „Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau“ (1818) von Achim von Arnim inspiriert wurde.
Herzog erzählt mit „Lebenszeichen“ die Geschichte von Soldaten, die weit entfernt vom eigentlichen Kriegsgeschehen jeden Sinn in ihrem Tun und Dasein vermissen. Allein der Umstand, dass Stroszek sich seine Verletzung während einer Gefechtspause zugezogen hat, macht die Ironie der Situation deutlich, mit der nicht nur Stroszek zu kämpfen hat. Meinhard entwickelt im Angesicht gegnerischer Soldaten schon imaginäre Feindbilder, verteufelt Kakerlaken als absolut widerlich und konstruiert eine Kakerlakenfalle. Herzog macht in flirrenden Schwarzweißbildern die drückende Hitze, die zermürbende Langeweile und die kaum zu ertragende Isolation der Soldaten deutlich, die den Besuch eines umherziehenden portugiesischen Zigeuners nur kurz als Abwechslung vom trüben Alltag annehmen. Die gewünschte Übernachtung schlagen sie dem kultivierten Mann aus, lassen sich am Tor des Kastells nur einige Episoden aus dessen Leben erzählen.
Die Sinnlosigkeit ihrer Aufgabe wird durch den Umstand verstärkt, dass die Munition, die sie bewachen sollen, gar nicht für deutsche Waffen geeignet ist, und auch die Patrouille, auf die sich Stroszek zunächst so freut, erweist sich als fataler Rückschlag, die mit nur einem Blick den Ausbruch des Wahnsinns bewirkt. Was folgt, ist eine Chronik der Bemühungen des örtlichen Befehlshabers (Wolfgang Stumpf), die Bevölkerung des Ortes zu evakuieren und Stroszek zu überwältigen, der sich einen mythisch wirkenden Kampf mit der Sonne liefert.
Mit diesem funkensprühenden Finale zündet Herzog gleichsam ein Feuerwerk gegen die Trivialität des deutschen Nachkriegskinos und zeigt eindrucksvoll, wie selbstbewusst und selbstbestimmt er seine eigenen Kinoversionen zu verwirklichen versteht.
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