Stroszek

Dass Werner Herzog einen Großteil seines filmischen Schaffens mit Dokumentationen verbracht hat, lässt sich auch in vielen seiner Spielfilme nicht verleugnen. Ein besonders gelungenes Beispiel für die so bewirkte Authentizität der Darstellung stellt „Stroszek“ dar, wieder mit dem Berliner Amateur-Darsteller Bruno S. in der Hauptrolle, nachdem dieser bereits in Herzogs Drama „Kaspar Hauser - Jeder für sich und Gott gegen alle“ (1974) brilliert hatte. 

Inhalt: 

Immer wenn der Berliner Straßenmusiker Bruno Stroszek (Bruno S.) zu tief ins Glas schaut, macht er dumme Sachen und landet nach seinen Gewaltexzessen im Gefängnis. Als er gerade wieder entlassen wird, gibt er dem Gefängnisdirektor ein „ungarisches Versprechen“, künftig die Finger vom Alkohol zu lassen und sich eine etwas gepflegtere Erscheinung zuzulegen. Doch als er nach Hause zurückkehrt, wo ihm sein Nachbar Scheitz (Clemens Scheitz) freundlicherweise die Wohnung freigehalten hat, zieht es ihn gleich in die nächste Kneipe, wo er sich schon den nächsten Ärger einhandelt. Als die befreundete Prostituierte Eva (Eva Mattes) von ihren beiden Zuhältern (Wilhelm von Homburg, Burkhard Driest) verprügelt wird, bietet er ihr einen Platz zum Übernachten in seiner Wohnung an. 
Als ihr kauziger Nachbar von der Möglichkeit erzählt, in Amerika bei seinem Neffen ein neues Leben anzufangen, sind Bruno und Eva Feuer und Flamme. Das nötige Kleingeld für die Visa besorgt Eva, indem sie u.a. die türkischen Gastarbeiter in ihren Bauwagen beglückt. Als sie in Railroad Flats, einem kleinen Dorf in Wisconsin, ankommen, findet Eva wie geplant einen Job als Kellnerin, Bruno hilft als Automechaniker aus, während Scheitz seinen Forschungen zum tierischen Magnetismus nachgeht. 
Das Glück der drei Auswanderer scheint komplett, als sie sich ein komplett eingerichtetes Mobilheim zulegen, doch Eva strebt nach mehr Freiraum und brennt mit zwei Truckern durch. Als die Bank nach ausbleibenden Hypothekenzahlungen das Mobilheim pfänden lässt, planen die wohnungslosen und bankrotten Stroszek und Scheitz, die Band zu überfallen, die ihnen ihr Heim weggenommen hat, doch da diese geschlossen hat, müssen sie sich mit der mageren Beute begnügen, die sie im nächsten Friseursalon machen. Während Scheitz unmittelbar nach dem Überfall verhaftet wird, entwischt Stroszek nach Cherokee, dem Hauptort des Indianerreservats Qualla Boundary, in North Carolina… 

Kritik: 

Eigentlich wollte Werner Herzog seinen Laien-Darsteller Bruno S., der bereits als Kaspar Hauser eine überzeugende Figur abgegeben hat, auch die Hauptrolle in „Woyzeck“ spielen lassen, doch sah Herzog allein Klaus Kinski in der Rolle. Um seinem Versprechen Bruno gegenüber aber treu zu bleiben, schrieb Herzog innerhalb von fünf Tagen ein Drehbuch mit einer Rolle, die Bruno nicht nur auf den Leib geschrieben war, sondern tatsächlich auch die Stationen seines wirklichen Lebens abbildete, inklusive der im Film zu sehenden Wohnung in Kreuzberg. 
Dass „Stroszek“ so authentisch wirkt, ist neben den abgebildeten realen Lebensumständen aber vor allem Bruno S. selbst zu verdanken, dessen Lebensgeschichte mit Aufenthalten in Heimen und Nervenheilanstalten ebenso Teil der Filmgeschichte wird wie sein Leben als Hinterhofmusiker. So muss Bruno S. seine Rolle nicht spielen, sondern darf sich einfach so präsentieren, wie er ist. Einzig Eva Mattes darf von den drei Hauptdarstellern auf eine professionelle Karriere verweisen, doch fügt sie sich mit verhaltenen Gesten und akzentuierter Mimik wunderbar in das ungewöhnliche Ensemble ein. 
Der Traum von Freiheit, Reichtum und Selbstbestimmung wird im verheißungsvollen Amerika allerdings schnell verwirkt. Doch bei aller Trostlosigkeit und dem vorhersehbaren Scheitern von allgemeingültigen Träumen sorgt Herzog einfühlsam für viel Wärme und Humor in seinem Drama, das so kaum ein anderer Filmemacher auf die Leinwand gebannt hätte. 

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