Sitcom

Der äußerst produktive französische Filmemacher François Ozon hat in seiner langjährigen Karriere immer wieder gesellschaftssatirische Werke inszeniert, die mit Vorliebe die aufgesetzte Heuchelei bürgerlicher Spießigkeit zu entlarven versuchte und dabei besonders den Umgang mit der Sexualität in den Vordergrund rückte. Ein frühes, wenn auch noch nicht sehr überzeugendes Beispiel stellt Ozons Langfilmdebüt „Sitcom“ aus dem Jahr 1998 dar. 

Inhalt: 

In einer ländlichen Villa sind Elaine (Évelyne Dandry) und Jean (François Marthouret) mit ihren beiden volljährigen Kindern Sophie (Marina de Van) und Nicolas (Adrien de Van) gerade beim Essen, als mit Maria (Lucia Sanchez) die neue Haushälterin eintrifft. Als Jean eines Tages als Überraschung eine weiße Laborratte nach Hause bringt, sind alle entzückt – bis auf Elaine, die die Absage ihrer Freundin zum Abendessen dadurch kompensiert, dass sie kurzerhand Maria als Ersatz einlädt, die überraschenderweise mit ihrem aus Kamerun stammenden, als Lehrer arbeitenden Mann Abdu (Jules-Emmanuel Eyoum Deido) kommt. 
Die Ratte scheint eine Art magischen Zauber auf die Familie auszuüben. Zunächst offenbart Nicolas bei Tisch, dass er homosexuell sei, was niemanden zu schockieren scheint – außer Elaine, die sich vor allem sorgt, dass ihr Mann dann keine Enkel bekäme, offensichtlich ignorierend, dass Sophie mit ihrem ebenfalls anwesenden Freund David (Stéphane Rideau) auch noch Kinder bekommen könnte. 
Elaine bittet Abdu, mit Nicolas zu reden, doch kaum hat er Nicolas‘ Zimmer betreten, versucht er, ihn zu verführen. Sophie lässt sich von der namenlosen Ratte an sinnlichen Stellen berühren und springt wenig später aus dem Fenster im ersten Stock, worauf sie querschnittsgelähmt ist und ihren Freund mit sadomasochistischen Spielchen quält, während Maria unbemerkt die Herrschaft im Haus übernimmt. Als Nicolas auch noch beginnt, in seinem Zimmer offensichtlich zu Gruppensex-Treffen einzuladen, soll eine Familientherapie auf dem Land helfen, die familiäre Ordnung wieder herzustellen. Doch dieses Unterfangen endet in einer Katastrophe… 

Kritik: 

Ozon hat sich das Fernsehformat der Sitcom als Beispiel genommen, um die dramatisierten Probleme einer gutbürgerlichen Familie auf 80 Minuten Spielfilmlänge auszudehnen, wobei er sich fast ausschließlich auf die ländliche Villa beschränkt, in der der Patriarch sein ganzes Leben verbracht hat. Im Gegensatz zu einer klassischen Sitcom, in der alles möglichst auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert wird, um möglichst viele Zuschauer anzusprechen und zum Dabeibleiben zu bewegen, hat es Ozon vor allem gereizt, Tabus und Grenzen zu verletzen, um wie in einem Horrorfilm das Publikum auch bewusst zu schockieren. Munter wirft er dabei Homosexualität, Inzest, Sadomasochismus, Selbstmordpraktiken, Affären und sogar Mord in einen Topf, doch berührt diese aufgesetzt wirkenden Melange kaum, weil er sich dabei der biederen Sprache und Einfallslosigkeit bedient, die seine Figuren mit sich herumtragen. 
Die sexuellen Abnormitäten, die auch Ende der 1990er Jahre schon keine mehr gewesen sind, werden zudem so einfallslos in Szene gesetzt, dass sie nicht mal zur Aufregung, geschweige denn zum Schockieren taugen. Von der Meisterschaft des sichtlich zitierten Luis Buñuel, aber auch von den Gesellschaftssatiren eines Claude Chabrol oder Woody Allen ist Ozons Debüt noch weit entfernt.

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