Renn, wenn du kannst
Es gehört schon eine Portion Mut und ebenso viel Einfühlungsvermögen dazu, einen querschnittsgelähmten jungen Mann in das Zentrum einer ménage à trois im düsteren Duisburg zu rücken. Doch dieses Kunststück hat Dietrich Brüggemann mit viel lakonischem Humor mit seinem neuen Film „Renn, wenn du kannst“ überzeugend gemeistert.
Seit sieben Jahren sitzt der Student Ben (Robert Gwisdek) im Rollstuhl und erwartet nicht mehr viel vom Leben, weshalb er unbekümmert immer wieder die Abgabefrist für seine Magisterarbeit verstreichen lässt. Dafür hat er einen großen Verschleiß an Zivis, denen er mit seinen sarkastischen Sprüchen und rüdem Befehlston immer wieder vor den Kopf stößt. Sein einziges Vergnügen
scheint seit zwei Jahren darin zu bestehen, durch sein Fernrohr die Cellistin Annika (Anna Brüggemann) mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Musikschule zu beobachten. Eines Tages stößt sie dabei ausgerechnet mit Bens neuen Zivi Christian (Jacob Matschenz) zusammen, worauf sich die drei miteinander anfreunden. Doch als sich beide jungen Männer in Annika verlieben, weiß die begabte Musikstudentin nicht, für wen sie sich entscheiden soll.
Nachdem „Vincent will meer“ mit großem Erfolg im Kino bewiesen hat, dass man nicht nur Freundschaft, sondern auch Liebe zwischen Menschen mit Behinderungen – seien sie nun psychisch oder körperlich - ohne falsche Scham und Rührseligkeit sogar mit einer gesunden Portion Humor thematisieren kann, schlägt Dietrich Brüggemann („Katja kann fast alles“, „Neun Szenen“) mit „Renn, wenn du kannst“
eine ähnliche Richtung ein. Zusammen mit seiner Schwester, die das von zwei jungen Männern begehrte Mädchen spielt, hat er ein Drehbuch verfasst, das sich sensibel in das Gefühlsleben eines Querschnittsgelähmten hineinversetzt und dessen Sehnsucht nach Liebe ganz unprätentiös anpackt. Das wird besonders in der Szene deutlich, als Ben und Annika zum ersten Man intim werden, aber auch die starken Dialoge machen deutlich, dass sich die Brüggemanns intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben.
Die Inszenierung vor der tristen Betonwüstenkulisse Duisburgs wirkt ungemein erfrischend und abwechslungsreich, pendelt zwischen Drama, Road Movie und Komödie, wartet immer wieder mit außergewöhnlichen Einfällen auf und unterhält den Zuschauer bis zum Schluss mit feinsinnigem Humor und dramatischen Wendungen, was durch die musikalische
Untermalung mit fluffigem Electropop einerseits und Brahms zweiten Klavierkonzert andererseits untermauert wird.
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