Carlito's Way

Auch wenn Brian De Palma 1990 mit der ambitionierten Verfilmung von Tom Wolfes Gesellschaftssatire „Fegefeuer der Eitelkeiten“ Schiffbruch erlitten hatte, rappelte er sich doch schnell wieder auf und legte mit „Mein Bruder Kain“ mal wieder einen De-Palma-typischen Psychothriller mit Hitchcock’schen Elementen vor. Da er zuvor schon mit den Auftragsarbeiten „Scarface“, „The Untouchables“ und „Die Verdammten des Krieges“ großartige Filme abgeliefert hatte, kam es 1993 bei „Carlito’s Way“ nach dem schrill-bunten und brutalen Gangster-Epos „Scarface“ erneut zu einer Zusammenarbeit mit Al Pacino, der einen frisch aus dem Knast entlassenen Gangster spielt, der seine Vergangenheit einfach nicht hinter sich lassen kann. 

Inhalt: 

Dank seines gerissenen Anwalts David Kleinfeld (Sean Penn) wird der aus Puerto Rico stammende Drogendealer Carlito Brigante (Al Pacino) aufgrund von Verfahrensfehlern nach nur fünf von den ihm ursprünglich aufgedrückten dreißig Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Die Angst seiner ehemaligen Konkurrenten und Mitstreiter, dass er sie noch nachträglich verpfeifen oder erpressen könnte, erweist sich als unbegründet. Carlito will einfach aus dem Geschäft aussteigen und sich mit seiner alten Flamme Gail (Penelope Ann Miller) ein neues, bürgerliches Leben aufbauen. Er kauft sich in den Club des durch seine Spielsucht hochverschuldeten Saso (Jorge Porcel) ein, wo er allerdings immer wieder von alten Weggefährten wie dem mittlerweile an den Rollstuhl gefesselten Lalin (Viggo Mortensen) oder Nachwuchsgangstern wie Benny Blanco (John Leguizamo) belästigt wird. Carlito lässt Lalin, der als Spitzel geschickt worden ist, von Pachanga (Luis Guzmán) an die frische Luft setzen und zwingt Benny Blanco dazu, seine Rechnungen im Club ebenso zu bezahlen wie die anderen Gäste. In echte Schwierigkeiten gerät Carlito erst, als ihn Kleinfeld um einen Gefallen bittet. 
Der Anwalt soll den auf einem Gefängnisschiff einsitzenden Mafia-Gangster Tony Taglialucci (Frank Minucci) befreien, nachdem Kleinfeld seinem Mandanten offensichtlich eine Million Dollar unterschlagen hat. Zusammen mit Taglialuccis Sohn Frankie (Adrian Pasdar) sollen Carlito und Kleinfeld den Gangster an einer Boje unweit des Gefängnisschiffes auflesen, doch Kleinfeld tötet Vater und Sohn und zieht damit nicht nur die Aufmerksamkeit der Mafia, sondern auch von Bezirksstaatsanwalt Norwalk (James Rebhorn) auf sich. Die überhastete Flucht auf die Bahamas, wo Carlito sich eigentlich mit 75.000 in die Autovermietung eines Freundes einkaufen wollte, gestaltet sich für Carlito und Gail nun doch problematischer als erhofft… 

Kritik: 

Nach einer Bücherserie von Edwin Torres über das kriminelle Leben von Carlito Briga und dem Drehbuch von David Koepp („Spider-Man“, „Jurassic Park“) hat Brian De Palma ein packendes Gangster-Drama inszeniert, das vor allem von der Schauspielkunst Al Pacinos und Sean Penns einerseits, von De Palmas brillanter Inszenierung andererseits lebt. Eingebettet in die vermeintlich tödlichen Schüsse, die Carlito auf der Flucht Richtung Bahamas vor dem Besteigen des Zuges nach Miami abbekommt, erzählt De Palma nicht die klassische Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Gangsters, wie er es mit seinem Star Al Pacino zehn Jahre zuvor in „Scarface“ gemacht hat, sondern fokussiert sich ganz auf den neuen Lebensabschnitt des Gangsters, der nach seinem erheblich verkürzten Gefängnisaufenthalt ein ganz bürgerliches Leben führen will. Damit schlägt er genau den gegensätzlichen Weg seines Anwalts ein, der immer mehr zu dem Typen wird, den er sonst vor Gericht verteidigt. Von Geldgier, Drogensucht und Sex korrumpiert stürzt Kleinfeld ab und zieht Carlito mit sich. Al Pacino verkörpert seine Figur absolut authentisch in dem Bemühen, den alten Strukturen zu entkommen, doch da er sich immer noch in dem Milieu aufhält, kann er ihnen doch nicht entkommen. Das beginnt mit dem aus der Kontrolle geratenen Drogendeal, bei dem er nur seinen Neffen begleiten soll, und endet einmal mehr in einem großartigen Finale in der Central Station. 
Die Geschichte ist deshalb so tragisch, weil sich für Carlito immer wieder Möglichkeiten ergeben, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Er weiß, dass er niemandem vertrauen kann, entlarvt Lalin sofort als Spitzel, vertraut aber letztlich dem Falschen. Wer hätte auch gedacht, dass ein Anwalt so tief im kriminellen Morast versinken könnte? De Palma und sein langjähriger Kameramann Stephen H. Burum („Mission to Mars“, „The Untouchables“) inszenieren die fast schon romantische Sehnsucht der einst legendären Gangster-Figur als düsteres Drama, in dem jeder Hoffnungsschimmer im Keim erstickt wird, deshalb gibt es für Carlito am Ende auch keine Erlösung. Im Gegensatz zu den Filmen nach eigenen Drehbüchern sind die Charakterisierungen in „Carlito’s Way“ äußerst tiefgründig gelungen. Die Schauspieler danken es De Palma mit fesselnden Darstellungen, allen voran von Al Pacino als tragischer Titelfigur, aber auch Sean Penn (mit ungewöhnlichem Krauskopf) als gieriger Unterwelts-Anwalt und Penelope Ann Miller („Freshman“, „The Artist“) als Carlitos Geliebte, die ihren Traum als Balletttänzerin aufgegeben hat, um als Nackttänzerin ihr Geld zu verdienen, verleihen ihren Figuren ein starkes Profil. 
Zwar schuf De Palma anschließend mit „Mission: Impossible“ noch einmal einen richtig fetten Blockbuster, doch ein so packendes Drama wie „Carlito’s Way“ sollte ihm nicht mehr gelingen. 

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