Fegefeuer der Eitelkeiten
Die 1980er stellten eine wechselhafte Achterbahnfahrt für den versierten New-Hollywood-Veteran Brian De Palma dar. Neben den oft verkannten und reißerischen Thrillern mit Hitchcock-Touch („Dressed to Kill“, „Blow Out“, „Der Tod kommt zweimal“) standen auf der einen Seite die verunglückte, nahezu in Vergessenheit geratene Komödie „Zwei Superpflaumen in der Unterwelt“, auf der anderen die beiden Gangsterfilm-Meisterwerke „Scarface“ und „The Untouchables – Die Unbestechlichen“. Zuletzt schuf er mit „Die Verdammten des Krieges“ (1989) einen der besten Antikriegsfilme überhaupt. In den 1990er Jahren legte De Palma aber mit der Adaption von Tom Wolfes 800-seitigen Gesellschaftssatire „Fegefeuer der Eitelkeiten“ einen unglücklichen Start hin, worüber nicht mal der bis in die Nebenrollen erstklassige Cast hinwegtäuschen kann.
Inhalt:
Der erfolgreiche Börsenmakler Sherman McCoy (Tom Hanks) hält sich für einen der wenigen „Masters of the Universe“, zu den 200 bis 400 Menschen, die in Manhattan die Geschicke der Welt lenken. Er lebt mit seiner standesbewussten Frau Judy (Kim Cattrall) und der gemeinsamen Tochter Campbell (Kirsten Dunst) in einem schicken Apartment und hält sich eine vollbusige Geliebte Maria Ruskin (Melanie Griffith). Als er sie eines Abends vom Flughafen abholt, biegt er auf dem Weg zu ihrem gemieteten Apartment falsch ab und landet mit ihr in der Bronx, wo sie vor einer Ampel bald von Schwarzen belästigt werden. Ein Hinweisschild zu einer Alternativroute nach Manhattan lässt die Panik für einen Moment abflauen, doch Sherman muss erst einmal einen Autoreifen aus dem Weg räumen. Als sich ihm zwei Schwarze nähern, flüchtet er aus Angst vor einem Überfall schnell zurück zu seinem Mercedes, und als Maria beim Zurücksetzen des Wagens einen der Schwarzen – den 18-jährigen Henry Lamb – anfährt, überlassen sie ihn seinem Schicksal. Henry wird ins Krankenhaus eingeliefert und nach der Behandlung seines gebrochenen Handgelenks wieder entlassen, doch dann fällt der junge Mann ins Koma, da man offensichtlich eine Gehirnerschütterung übersehen hat.
Nun stürzen sich gleich mehrere Parteien auf den Fall. Nachdem Henrys Freund als Zeuge der Fahrerflucht zwei Buchstaben des Nummernschildes und den Fahrzeugtyp identifizieren konnte, sieht der jüdische Bezirksstaatsanwalt Abe Weiss (F. Murray Abraham) seine Chance, endlich einen Weißen verurteilen zu können, was ihm die wichtigen Stimmen der Schwarzen bei der bevorstehenden Wahl zum Bürgermeister bringen könnte. Auf der anderen Seite nutzt der machtgierige und publikumsgeile Reverend Bacon (John Hancock) den Fall, um ihn zu einem Politikum zu machen. Als die Polizei im Rahmen ihrer routinemäßigen Abfrage Sherman um die Besichtigung seines Wagens bittet, verlangt der stammelnde Börsenmakler gleich nach einem Anwalt und macht sich so zum Tatverdächtigen.
Es dauert nicht lange, bis die Nachricht zu den Medien durchsickert und Shermans Leben in einen Trümmerhaufen verwandelt.
Auf Reverend Bacons Initiative hin stürzt sich der alkoholsüchtiger und erfolgloser Reporterr Peter Fallow (Bruce Willis) auf die Story und bringt sie schlagzeilenträchtig in „The City Light“ unter. Sherman wird zum Auszug aus seinem noblen Apartment gezwungen, als es vor dem Haus zu lautstarken Demonstrationen kommt, seine Geliebte hat mit dem jungen Künstler Filippo Chirazzi das Land verlassen, ein 600 Millionen umfassendes Geschäft geht den Bach runter, und Judy sucht ebenfalls das Weite…
Kritik:
Brian De Palma und sein Drehbuchautor Michael Cristofer („Die Hexen von Eastwick“, „Original Sin“) machen sich zum Glück gar nicht erst die Mühe, Tom Wolfes 800-Seiten-Epos minutiös auf die Leinwand zu bringen. Stattdessen erzählen sie Shermans Absturz als Rückblende des einst gescheiterten Reporters Peter Fallow, der die Verleihung des Pulitzer-Preises zum Anlass nimmt, die Verknüpfung seiner eigenen Erfolgsgeschichte mit dem tragischen Schicksal des Börsenmaklers zu rekapitulieren. Dabei beweisen De Palma und Kameramann Vilmos Zsigmond („Unheimliche Begegnung der dritten Art“, „Black Dahlia“) gleich mit der sechsminütigen Plansequenz zu Anfang ihr filmisches Können. Hier begleitet eine aufgeregte PR-Frau (Tom Hanks Frau Rita Wilson) den Star-Autor von der Limousine in der Tiefgarage durch lange unterirdische Gänge und Fahrstühle zum Festsaal, wo der bereits stark angetrunkene Fallow mit stehenden Ovationen begrüßt wird.
Statt jedoch in der Rückblende vor allem Fallows Aufstieg zu thematisieren, fokussiert sich der Film lange Zeit auf Shermans Geschichte, bleibt dabei aber sehr oberflächlich und verhalten zynisch. Hier breiten Cristofer und De Palma genüsslich alle Klischees aus, die man gemeinhin mit den Reichen und Mächtigen assoziiert, samt der drallen Blondine als Geliebte.
Zwar dringt dabei der satirische Ton der Geschichte auf die verkommenden Moralvorstellungen der Reichen und Mächtigen deutlich hervor, erhält aber nicht den Biss, um aus „Fegefeuer der Eitelkeiten“ einen guten Film zu machen. Weder gewinnen die Figuren an Kontur, noch vermag die Geschichte vom Fall eines Börsenmaklers und dem damit verbundenen Aufstieg eines Reporters zu fesseln. Einzig die Mechanismen der Manipulation von Politik, Kirche und Medien werden temperamentvoll aufgezeigt und durchgespielt. Dass Morgan Freeman („Sieben“, „The Core“) am Ende als Richter, der über Shermans Schicksal zu entscheiden hat, ein flammendes Plädoyer für moralisch anständiges Verhalten hält, ist dann doch des Guten zu viel.
Die Filmemacher haben dem Publikum offensichtlich nicht zugetraut, seine eigenen Schlüsse aus der Geschichte zu ziehen, weshalb die Inszenierung auch so brav wirkt und die namhaften Darsteller kaum glänzen können.
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