Deine Zeit ist um
Der österreichische Regisseur Fred Zinnemann hat mit „Zwölf Uhr mittags“ (1952), „Verdammt in alle Ewigkeit“ (1953) und „Geschichte einer Nonne“ (1959) gleich mehrere Meisterwerke in Hollywood inszeniert, wurde mehrmals mit dem Oscar ausgezeichnet und ermöglichte späteren Stars wie Montgomery Clift, Marlon Brando, Grace Kelly, Rod Steiger, Meryl Streep ihre ersten Auftritte in seinen Filmen. In seinen späten Jahren inszenierte er mit „Deine Zeit ist um“ (1964) ein fast unbemerkt gebliebenes, sehr ruhig inszeniertes Drama, das allerdings mit Gregory Peck, Anthony Quinn und Omar Sharif prominent besetzt war.
Nach dem Ende des spanischen Bürgerkriegs hat sich der Guerillaführer Manuel Artiguez (Gregory Peck) in die französische Stadt Pau in der Region Nouvelle-Aquitaine zurückgezogen, wo er unbehelligt von der Vergangenheit sein ruhiges Leben verbringt. Doch zwanzig Jahre später erhält Artiguez unerwarteten Besuch von dem Jungen Paco Dages (Marietto) aus dem spanischen San Martin, der den ehemaligen Anarchisten bittet, nach San Martin zurückzukehren, um den Guardia-Civil-Capitan Viñolas (Anthony Quinn) zu töten, der für den Mord an Pacos Vater und Artiguez‘ früheren Kampfgenossen verantwortlich gewesen ist. Artiguez will davon aber nichts hören und schickt den Jungen zunächst fort.
Als er aber erfährt, dass seine Mutter Pilar (Mildred Dunnock) im dortigen Krankenhaus im Sterben liegt, ändert er seine Meinung und lässt sich von Paco über die örtlichen Gegebenheiten aufklären. Viñolas rechnet natürlich damit, dass Artiguez seine sterbende Mutter besuchen wird, und lässt das Krankenhaus weiträumig überwachen. Doch Pilar stirbt, bevor ihr Sohn sie besucht hat. Dem Priester Francisco (Omar Sharif) hat sie vor ihrem Tod noch eine Nachricht für ihren Sohn mitgegeben, um ihn davor zu warnen, in die von Viñolas gestellte Falle zu tappen.
Auf dem Weg nach Lourdes will der Priester die Nachricht schließlich selbst überbringen, trifft in Artiguez‘ Wohnung aber nur Paco an, der die Nachricht vernichtet. Schließlich will er nach wie vor, dass Artiguez den Tod seines Vaters rächt. Währenddessen hat Viñolas mit dem Jungen Carlos (Raymond Pellegrin) einen Informanten nach Pau geschickt, der Artiguez davon überzeugen soll, nach wie vor nach San Martin zu kommen. Pilars Tod halten Viñolas und Carlos nämlich geheim…
Kritik:
Fred Zinnemann hat mit „Deine Zeit ist um“ den 1961 veröffentlichten Roman „Komm nicht nach Pamplona“ von Emeric Pressburger verfilmt, der wiederum lose auf dem Leben des spanischen Anarchisten Francesc Sabaté Llopart basiert. In authentisch wirkenden Szenen rekapitulieren Zinnemann und sein Kameramann Jean Badal („Die Schlange“, „Mörder nach Vorschrift“) zunächst Schlüsselmomente des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939), um dann Artiguez‘ Exil im französischen Pau zu thematisieren.
In der Folge entwickelt sich, angetrieben von dem Krankenhausaufenthalt der sterbenden Mutter, ein komplexes Katz- und Maus-Spiel zwischen dem ehrgeizigen Guardia-Civil-Capitan Viñolas, der mit Artiguez endlich eine Schlüsselfigur der Widerstandskämpfer im Spanischen Bürgerkrieg zur Strecke bringen will, und Artiguez, der noch einmal seine Mutter sehen will, bevor sie stirbt. Die Dramatik entsteht vor allem dadurch, dass Artiguez mit unterschiedlichen Informationen gefüttert wird. Geschickt konfrontieren Zinnemann und Drehbuchautor J.P. Miller („Die jungen Wilden“, „Die Tage des Weines und der Rosen“) ihren Protagonisten mit schwer zu verifizierenden unterschiedlichen Informationen, die Paco und Carlos dem einstigen Rebellenführer präsentieren, während der Mann, der Klarheit in die Angelegenheit bringen kann, auf einer Pilgerreise nach Lourdes unterwegs ist. Zinnemann inszeniert den Konflikt zwischen Viñolas und Artiguez ohne direkte persönliche Konfrontation, sondern durch geschickt gestreute widersprüchliche Informationen, so dass er am Ende vor die Wahl gestellt wird, entweder den Spitzel oder seinen Erzfeind zu erschießen. „Deine Zeit ist um“ fokussiert sich ganz auf Artiguez‘ persönliche Geschichte und vermeidet es, den politischen und sozialen Kontext rund um den zugrundeliegenden Bürgerkrieg zu vertiefen.
Bis auf Gregory Peck („Wer die Nachtigall stört“, „Mackenna’s Gold“) bleiben die Darsteller, vor allem Anthony Quinn, recht blass. Quinn („Viva Zapata“, „Gegen alle Flaggen“) muss als Befehlshaber nur die Falle aufstellen und warten, bis ihm sein Opfer ins Netz geht, während Gregory Pecks Figur immer wieder die Risiken bei seinem gefährlichen Unterfangen gegeneinander abwägen muss. Bis zum tragischen Finale wirkt die Inszenierung allerdings recht behäbig und kommt ohne dramatische Wendepunkte aus. Weder für Zinnemann noch für die beiden Hollywood-Stars war „Behold a Pale Horse“ – so der Originaltitel – ein Meilenstein in der Karriere und geriet weitgehend in Vergessenheit. Schließlich haben alle Beteiligten weit bedeutendere Filme gedreht.
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