Femme Fatale
Nachdem sein Weltraum-Abenteuer „Mission to Mars“ (2000) bei Publikum und Kritikern nicht allzu euphorisch aufgenommen worden war, widmete sich Brian De Palma zwei Jahre später wieder seinem ganz eigenen Sujet, der Hommage an sein großes Vorbild Alfred Hitchcock mit dem vertrauten Spiel um Identitäten, Wirklichkeit und Fiktion sowie Voyeurismus. Dabei gemahnt allein schon der Filmtitel „Femme Fatale“ an den Film noir der 1940er und 1950er Jahre und erweitert so den thematischen Kontext, nur um einmal mehr die Erwartungen des Publikums zu unterlaufen.
Beim Festival von Cannes wird in Anwesenheit des Regisseurs Régis Wargnier und Hauptdarstellerin Sandrine Bonnaire der Film „Est - Ouest“ vorgestellt. Der Regisseur wird dabei von dem Model Veronica (Rie Rasmussen) begleitet, dessen nackter Oberkörper nur mit einem raffinierten Goldschmuck-Arrangement bekleidet ist. Doch statt die Filmemacher mit in den Kinosaal zu begleiten, geht sie mit zwei Bodyguards im Schlepptau auf die Toilette, um sich mit der attraktiven Fotografin Laure (Rebecca Romijn) zu vergnügen. Die verführt das Model allerdings nur, um beim Liebesspiel an den kostbaren Schmuck zu kommen. Doch der von ihren Compagnons Black Tie (Eriq Ebouaney) und Racine (Edouard Montoute) ausgeklügelte Coup geht furchtbar schief. Black Tie wird von einem der Bodyguards angeschossen und wandert in den Knast, Laure taucht mit der Beute zunächst in der Wohnung eines ahnungslosen Ehepaars unter, das Laura für ihre vermisste Tochter Lily hält. Mit Lilys Pass und dem beiliegenden Flugticket reist Laure in die USA.
Bereits während des Fluges wickelt sie ihren Sitznachbarn, den Millionär Bruce Watts (Peter Coyote), um den Finger und wird seine Frau. Sieben Jahre später kehrt sie nach Paris zurück, wo Watts mittlerweile als US-Botschafter tätig ist, ist aber sehr darauf bedacht, nicht in der Öffentlichkeit sichtbar zu sein. Als es dem spanischen Paparazzo Nicolas Bardo (Antonio Banderas) gelingt, durch einen Trick ein Foto der scheuen Frau zu schießen und der Sicherheitsbeauftragte Shiff (Gregg Henry) die Veröffentlichung des Fotos auf der Titelseite einer Illustrierten nicht mehr verhindern kann, droht Laures Tarnung aufzufliegen. Tatsächlich machen Black Tie nach seiner Freilassung und Racine Jagd auf ihre ehemalige Komplizin, während Nicolas sich längst in die schöne Frau verliebt hat und jeden Schaden von ihr abzuwenden gedenkt. Um ihre Verfolger loszuwerden, entwickelt Laure einen teuflischen Plan…
Kritik:
In seinen ersten profilgewinnenden Psycho-Thrillern „Die Schwestern des Bösen“, „Schwarzer Engel“, „Dressed to Kill“, „Blow Out“ und „Der Tod kommt zweimal“ hat Brian De Palma ganz bewusst mit vertrauten Motiven aus Hitchcock-Meisterwerken wie „Vertigo“, „Rebecca“, „Das Fenster zum Hof“, „Psycho“ und „Ich kämpfe um dich“ gespielt, aber auch beispielsweise Michelangelo Antonionis Meisterwerk „Blow Up“ verarbeitet.
In „Femme Fatale“ stellt er sofort einen Bezug zwischen dem Filmtitel und dem Genre des Film noir her, wenn er seine halbnackte Hauptdarstellerin Rebecca Romijn von hinten dabei filmt, wie sie im Fernsehen eines Hotelzimmers Billy Wilders Film-noir-Klassiker „Frau ohne Gewissen“ mit Barbara Stanwyck in der Hauptrolle sieht. Doch bevor man als Zuschauer dazu kommt, De Palmas attraktive Blondine mit der eiskalt berechnenden Figur in Wilders Krimi-Drama gleichzusetzen, wird Laure von dem schwarzen Anführer ihres Coups auf ihre Aufgabe vorbereitet, wobei er seinen Worten mit einer schallenden Ohrfeige Nachdruck verleiht.
Dass die von Romijn verkörperte Laure allerdings weder eine verschüchterte Komplizin skrupelloser Schmuckräuber noch eine nur auf ihren Vorteil bedachte Verführerin ist, wird erst im Laufe der weiteren Handlung deutlich. Zunächst erweist sich De Palma einmal mehr als brillanter Stilist. Statt seiner berühmten Plansequenz, mit der er seine Filme „Fegefeuer der Eitelkeiten“ und „Spiel auf Zeit“ eröffnet hat, präsentiert De Palma den geschickt geschnittenen Coup, wobei das hinter Milchglas gefilmte lesbische Liebesspiel natürlich wieder mit dem voyeuristischen Blick spielt, denn über die Kameras in dem Kinosaal beobachten auch die Wachleute mehr das Geschehen in der Toilettenkabine als im übrigen Saal. Der bildgebenden Plansequenz gleich kommt hier allerdings Ryuichi Sakamotos verführerische Adaption von Maurice Ravels „Bolero“, die den Schmuckraub musikalisch untermalt. Doch mit der Idee, Laure in die Rolle der vermissten Lily schlüpfen zu lassen, verliert De Palma sein Publikum schon wieder. Das folgende Katz- und Maus-Spiel zwischen Laure und ihren ehemaligen Komplizen unter Berücksichtigung eines Paparazzos, der sich auch noch in sein Fotoobjekt verliebt, leidet spürbar unter den arg konstruierten Wendungen, mit denen De Palma nachfolgend nicht nur die Spannung aufrecht erhalten will, sondern auch mit der Vermischung von Traum und Realität sowie doppelten Identitäten und Obsessionen spielt.
Erfreulich anders im Vergleich zu seinen früheren Filmen, die oft als frauenfeindlich betrachtet wurden, gestaltet sich in „Femme Fatale“ die Rolle der Laure, die von Rebecca Romijn („X-Men“, „Star Trek: Strange New Worlds“) entsprechend ihrer im Film wechselnden Figuren und Rollen sehr breitgefächert mit verletzlicher Note verkörpert wird. Doch die inszenatorische Meisterschaft und Romijns überzeugende Darstellung reichen leider nicht aus, um aus „Femme Fatale“ einen starken Thriller zu machen.
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