Die Verdammten des Krieges
Großartige Regisseure haben auch im Genre des (Anti-)Kriegsfilms ihre Spuren hinterlassen. Francis Ford Coppola schuf dabei mit „Apocalypse Now“ (1979) genauso ein Meisterwerk wie Michael Cimino mit „Die durch die Hölle gehen“ (1978) und später Oliver Stone mit „Platoon“ (1986) und Stanley Kubrick mit „Full Metal Jacket“ (1987). Brian De Palma, der zuvor vor allem durch von Hitchcock inspirierten Psycho-Thriller wie „Dressed to Kill“, „Blow Out“ und „Der Tod kommt zweimal“ ins Rampenlicht gerückt ist und 1987 mit dem Gangster-Drama „The Untouchables – Die Unbestechlichen“ bewies, dass er mit seiner filmtechnischen Meisterschaft auch Mainstream-Produktionen aufwerten kann, legte 1989 mit „Die Verdammten des Krieges“ ein Vietnam-Kriegs-Drama vor, das auf einem Artikel/Buch von Daniel Lang basiert und bereits 1970 unter dem Titel „o.k.“ von Michael Verhoeven verfilmt worden war.
Private First Class Eriksson (Michael J. Fox) dient 1969 unter Sergeant Meserve (Sean Penn) in Vietnam in einer Einheit, die während einer Patrouille von den Vietcong mit Mörsern beschossen wird. Als Eriksson dabei in einem Loch zu einem unterirdischen Vietcong-Tunnel feststecken bleibt, rettet ihm Meserve das Leben. Bei einem Hinterhalt wird wenig später Meserves Kamerad Brown (Erik King) so schwer verwundet, dass er wenig später seinen Verletzungen erliegt.
Bevor der Trupp am kommenden Morgen zu einer weiteren Erkundung losgeschickt wird, wollen die Männer den Ausgang zu einem Freigang in die Stadt nutzen, doch der wird im letzten Moment ausgesetzt. Meserve will dafür am kommenden Morgen bereits eine Stunde früher aufbrechen, um einen Umweg zu einem Dorf zu unternehmen, wo sie eine junge Frau entführen wollen. Als sie ihr Ziel erreichen, durchleuchten die Soldaten die Hütten mit den schlafenden Vietnamesen nach einem geeigneten Opfer und verschleppen schließlich Oanh (Thuy Thu Le). Eriksson ist entsetzt über das brutale Vorgehen seiner Kameraden, kann aber nicht eingreifen. Nachdem er sich bei den Dorfbewohnern fassungslos entschuldigt hat, schließt er sich wieder dem Trupp an und muss mitansehen, wie sich zunächst Meserve an dem Mädchen vergeht, bevor auch Harper (John C. Reilly), Clark (Don Harvey) und Browns zunächst zögerlicher Ersatzmann Diaz (John Leguizamo) die wehrlose junge Frau vergewaltigen. Einzig Eriksson kommt der Aufforderung nicht nach, es seinen Kameraden gleichzutun.
Als der Trupp einen vorgeschobenen Beobachtungsposten an einer am Berg gelegenen Eisenbahnlinie einrichtet, nehmen die Männer Aktivitäten von Vietnamesen am gegenüberliegenden Flussufer wahr. Während Meserve Verstärkung aus der Luft anfordert, will Eriksson die Situation, allein im Lager mit Oanh zu sein, für ihre Flucht nutzen, doch der zurückgekehrte Clark verhindert die Ausführung. Stattdessen muss Eriksson wenig später beobachten, wie Oanh von seinen Kameraden brutal ermordet wird. Bei seiner Rückkehr ins Lager will Eriksson die Vorfälle melden, doch niemand von seinen Vorgesetzten scheint ein Interesse daran zu haben, die Männer wegen der Vergewaltigungen und des Mordes an der Vietnamesin vors Kriegsgericht zu bringen…
Kritik:
Die Ereignisse aus dem Jahr 1966, die Daniel Lang zunächst in einem Artikel und dann in dem Buch „Casualties of War“ verarbeitete, haben Brian De Palma und sein Drehbuchautor David Robe („Die Firma“, „Hurlyburly“) in eine Gegenwart eingebettet, in der Michael J. Fox‘ Figur in einer S-Bahn nach einem Traum aufwacht und eine Vietnamesin (ebenfalls von Thuy Thu Le gespielt) entdeckt, die ihn an seinen Aufenthalt in Vietnam erinnert. Bereits mit dem Beginn der Rückblende wird deutlich, wie die jungen Soldaten bei ihrem Einsatz ticken. Sergeant Meserve präsentiert sich als harter Hund, der seine eigenen Regeln schafft. Im Angesicht des jederzeit möglichen Todes scheint ihm alles egal zu sein, es kommt ohnehin nicht mehr darauf an, weshalb er auch kein Problem hat, ein einfaches vietnamesisches Mädchen als „Vietcong-Hure“ zu bezeichnen, das nach Belieben vergewaltigt werden kann. Im Gegenzug dazu glaubt Eriksson, dass gerade mit dem Tod vor Augen alles eine besondere Bedeutung habe, doch mit seinem moralisch intakten Kompass kann er innerhalb der militärischen Hierarchie und Strukturen nichts bewirken.
De Palma thematisiert zwar auch die immer wieder mal die konkreten Kampfhandlungen, doch fokussiert er sich dabei ganz auf den kleinen von Sergeant Meserve geführten Trupp, ohne allzu tief in die Psyche der Soldaten einzutauchen. Ihre Todesangst leiten sie durch die Brutalität an dem wehrlosen vietnamesischen Mädchen ab. De Palma schlachtet die Vergewaltigungen aber nicht aus, wohl aber die von Ennio Morricones elegischer, von einer melancholischen Panflöten-Melodie getragene Musik untermalte Tötung, die sich dem Zuschauer in die Erinnerung brennt.
Oft wirken die Soldaten so verunsichert im Dschungel, dass sie auch auf Wasserbüffel schießen und durch unbedachte Handlungen den Feind auf sich aufmerksam machen. De Palma lässt wie seine Kollegen zuvor keinen Zweifel über die Sinnlosigkeit des Krieges, lässt zu Beginn in der Straßenbahn-Szene auch eine Zeitungs-Überschrift ins Bild setzen, dass Richard Nixon seinen Hut nehmen muss. Am Ende scheint nicht nur die Gerechtigkeit zu siegen, sondern auch eine Versöhnung mit den schrecklichen Erlebnissen möglich zu sein.
Auch wenn das Finale sehr konstruiert und kitschig wirkt, ist „Die Verdammten des Krieges“ doch ein aufwühlendes Plädoyer gegen den Krieg und die jenseits der Kampfhandlungen verübten Verbrechen geworden. Michael J. Fox („Zurück in die Zukunft“, „The Frighteners“) überzeugt dabei ebenso als erschütterter wie hilfloser einfacher Soldat wie Sean Penn („Mystic River“, „Auf kurze Distanz“) als zunehmend gewalttätiger Vorgesetzter, der nur seinen eigenen Gesetze folgt, und Thuy Thu Le in der Doppelrolle des über alle Maßen gepeinigten Vergewaltigungs- und Mordopfers und der Vietnamesin, die in der Straßenbahn die Erinnerungen bei Eriksson hervorgerufen hat.
Darüber hinaus bleiben die Charakterisierungen wie gewohnt bei De Palma nur oberflächlich, der Geschichte und ihrer dramatischen Inszenierung untergeordnet. Doch die leider wahre Story weiß ohnehin für sich zu stehen.
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