The Hand of God

Spätestens mit seinem Oscar-prämierten Meisterwerk „La Grande Bellezza – Die große Schönheit“ (2013), aber auch mit der Serie „The Young Pope“ (2016) wurde der italienische Filmemacher Paolo Sorrentino auch hierzulande bekannt. Nun präsentiert er mit „The Hand of God“ seinen sicherlich persönlichsten Film auf Netflix. 

Inhalt: 

Ganz Neapel ist in heller Aufruhr, als Anfang der 1980er Jahre das Gerücht umgeht, dass der argentinische Fußball-Superstar Diego Maradona zum SSC Neapel wechselt. Auch der einzelgängerische Teenager Fabietto Schisa (Filippo Scotti) und sein bei der Bank arbeitender Vater Saverio (Toni Servillo) fiebern dem unvorstellbaren Transfer entgegen. Da Fabietto keine Freunde hat, spielt sich sein Leben nur in der Schule und in der Familie ab, wo seine Mutter Maria (Teresa Saponangelo) ihren Mitmenschen die unmöglichsten Streiche spielt und sich darüber aufregt, dass ihr Mann sie mit einer Kollegin betrügt, die er auf keinen Fall verlassen will. Fabiettos älterer Bruder Marchino (Marlon Joubert) versucht vergeblich, als Schauspieler Karriere zu machen, während seine Schwester sich nur im Badezimmer aufhält. Besonders angetan hat es ihm seine vollbusige Tante Patrizia (Luisa Ranieri), die darunter leidet, keine Kinder mit ihrem Mann Franco (Massimiliano Gallo) bekommen zu können. 
Als Fabiettos Eltern überraschend in ihrem neuen Haus in den Bergen an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung sterben, hat das reale Leben für den Jungen jede Freude verloren, weshalb er Filmregisseur werden möchte, um sich seine eigenen Realitäten schaffen zu können… 

Kritik: 

Dass „The Hand of God“ ebenso wie die großartigen Netflix-Produktionen von Martin Scorseses „The Irishman“, David Finchers „Mank“ und Alfonso Cuaróns „Roma“ nur in ausgewählten Kinos zu sehen war, ansonsten aber nur im Heimkino zu empfangen ist, muss als bedauerlich betrachtet werden, denn Sorrentino ist ein Meister der visuell berauschenden Bilder mit großartigen Panoramen, die in diesem Fall Neapel von seinen schönsten Seiten präsentiert. Im Mittelpunkt von Sorrentinos neuen Film steht der Teenager Fabietto, der unschwer als Alter Ego des Regisseurs zu erkennen ist. 
Wie Fabiettos Eltern starben auch Sorrentinos Eltern unter ähnlichen Umständen, wechselte seine langjährige Leidenschaft für den Fußball nach den tragischen Ereignissen zum Film. Besonders die ersten drei Viertel des vergnüglichen Dramas sind von einem hohen Unterhaltungswert geprägt. Sorrentino portraitiert Fabiettos Familie auf überzogene Weise als wunderbar skurrilen Haufen, in dem sich Patrizia bei einer Familienfeier nackt auf dem Deck eines Bootes sonnt und die anwesenden Männer, Fabietto inklusive, geifern lässt. Seine Jungfräulichkeit verliert Fabietto aber nicht bei seiner geliebten Tante, sondern der alten, aber gütigen Baronessa Focale (Betty Pedrazzi), die in der Wohnung über den Schisas lebt. 
Bei aller überschäumenden Skurrilität vergisst Sorrentino allerdings auch nicht die einfühlsamen, stillen Momente. Die Elemente der ersten drei Viertel des Films sind so gut aufeinander abgestimmt, dass sie nahezu ohne musikalische Untermalung auskommen. Erst im letzten Viertel, als der Schwung der Inszenierung merklich abflaut und Fabietto zunehmend ernsthafter über seine Zukunft als Filmemacher nachdenkt, kommt die Musik von Sorrentinos Stammkomponist Lele Marchitelli zum Einsatz. Recht nüchtern sind die Szenen ausgefallen, in denen Maradona bei Fernsehübertragungen zu sehen ist. Da darf natürlich auch nicht die Szene fehlen, in der Maradona im gegnerischen Strafraum mit der Hand zum Ball geht und das Spielgerät so über den Torwart „köpft“. 
Da war eben die titelgebende „Hand Gottes“ im Spiel. Davon abgesehen vereint der Jubel über Neapels Meisterschaft die ganze Stadt, wird von Fabiettos Bruder Maradonas Ausdauer beim Freistoßtraining hervorgehoben. Diese Ausdauer würde Fabietto benötigen, betont Marchino. Offenbar hat sich Sorrentino diesen Rat zu Herzen genommen, denn der internationale Erfolg seiner Werke bestätigt nur, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hat.  

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