Das Schloss im Schatten
Mit „Vor dem neuen Tag“, „Gardenia – Eine Frau will vergessen“, „Heißes Eisen“ und „Lebensgier“ hat Fritz Lang Anfang der 1950er noch einmal eindrucksvolle Werke im Genre des Film noir hinterlassen, in dem er nach seiner Emigration in die USA Mitte der 1930er Jahre seine ersten großen Erfolge feierte („Blinde Wut“, „Gehetzt“, „Du und ich“). Kurz vor dem Ende seiner Hollywood-Karriere und seiner Rückkehr nach Deutschland lieferte er 1955 mit „Das Schloss im Schatten“ ein düsteres Abenteuer-Drama ab, das vor allem durch Hollywood-Star Stewart Granger punkten konnte.
Nach dem Tod seiner Mutter macht sich der zehnjährige John Mohune (Jon Whiteley) im Jahr 1757 auf den Weg in das verschlafene britische Küstenstädtchen Moonfleet. Er wird von einer Bande Schmuggler aufgegriffen und ihrem Anführer, dem vornehm gekleideten Jeremy Fox (Stewart Granger), vorgeführt. Durch den Brief, den der Junge bei sich trägt, erfährt Fox, dass John der Sohn seiner früheren Verlobten ist und ihm die Vormundschaft übertragen hat. Fox ist zunächst alles andere als begeistert über das unerwartete Auftauchen seines mutmaßlichen, ihm bislang unbekannten Sohnes, steht er doch kurz vor dem Abschluss eines lukrativen Geschäfts mit Lord Ashwood (George Sanders). Während sowohl der schurkische Lord als auch Fox‘ eigene Männer darauf drängen, den Jungen sofort loszuwerden, findet Fox immer mehr Gefallen an dem ebenso wohlerzogenen wie klugen und mutigen Jungen. Mit seiner offen zur Schau getragenen Sympathie für den Jungen bringt Fox aber vor allem seine eigenen Männer gegen sich auf, so dass er sich erst im Kampf mit deren auserwählten Rebellen-Führer behaupten muss. Die Probleme mit seiner Crew und dem Beschaffen des Kapitals für die Partnerschaft mit Ashwood hält Fox aber nicht davon ab, seine Casanova-Künste nicht nur auf seine Geliebte Ann (Viveca Lindfors) zu beschränken, sondern auch Lady Ashwood (Joan Greenwood) und einer feurigen Zigeunerin (Liliane Montevecchi) schöne Augen zu machen.
Schließlich scheint es sich bezahlt zu machen, dass Fox den Jungen bei sich behalten ist, denn dieser macht ihn auf einen Zettel mit Bibelversen aufmerksam, die offensichtlich mit falschen Ziffern betitelt sind. Als Fox die Geheimschrift entschlüsselt hat, wartet auf ihn und John schon das nächste Abenteuer. Doch um den erhofften wertvollen Diamanten zu bergen, auf den es Fox abgesehen hat, ist mehr als nur Mut und Geschick erforderlich…
Kritik:
Schon mit der ersten Szene, in der der völlig erschöpfte und tapfere Zehnjährige nachts an der südenglischen Küste auf das Hinweisschild nach Moonfleet schaut und in die Fratze einer gespenstisch angeleuchteten Skulptur blickt, verortet Langs „Das Schloss im Schatten“ in der viktorianischen Gothic-Atmosphäre. Die nach einem Roman von J. Meade Falkner erzählte Geschichte vereint Piraten-Abenteuer, Kostümfilm mit Casanova-Aspekten und Coming-of-Age-Drama mit dem Schatzsuche-Motiv.
Wirklich flüssig und überzeugend gelingt Lang die Verbindung der einzelnen Elemente nicht, wirken sie doch kolportagehaft zusammengesetzt. Dafür ist die Art und Weise, wie der Gentleman-Gauner durch die gemeinsame Zeit mit John Mohune zu einem besseren Menschen wird, durchaus gekonnt inszeniert. Das geschickt wechselnde Tempo, die gelungenen Abenteuer-Sequenzen und die schaurige Gothic-Romantik mit den im breiten Cinemascope gedrehten Küstenszenen bei Nacht machen „Das Schloss im Schatten“ zu einer durchaus unterhaltsamen Ausnahmeerscheinung in Langs Oeuvre.
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