Das Testament des Dr. Mabuse
1922 schuf Fritz Lang („Metropolis“, „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“) mit dem zweiteiligen Kriminal-Epos „Dr. Mabuse, der Spieler“ gleichermaßen eine fesselnde Kriminalgeschichte, das Psychogramm eines ebenso diabolischen wie wahnsinnigen Verbrecher-Genies und ein beredtes Zeugnis seiner Zeit, der dekadenten Jahre der Weimarer Republik nach Ende des Ersten Weltkriegs. Zehn Jahre später beauftragte Lang den Autor der Romanvorlage, Norbert Jacques, mit einer Fortsetzung, die 1933 sowohl als deutsche wie auch französische Version fertiggestellt wurde, aber nicht vor 1951 zur Aufführung kam, da Nazi-Propaganda-Minister Goebbels das Werk als zu aufrührerisch deklariert hatte.
Inhalt:
Der Berliner Kommissar Lohmann (Otto Wernicke) ist mit einer ganzen Reihe von ungelösten Verbrechen beschäftigt, die die Stadt in Atem halten. Von dem wegen Bestechung entlassenen Ex-Polizisten Hofmeister (Karl Meixner) erhält Lohmann einen verstörenden Anruf, doch bevor der Anrufer eine Aussage machen kann, ertönt eine Explosion, die Leitung ist tot.
Währenddessen hält Prof. Dr. Baum (Oscar Beregi Sr.) an der psychiatrischen Klinik vor Studenten einen Vortrag über den wahnsinnigen Psychiater Dr. Mabuse (Rudolf Klein-Rogge), der mit überdurchschnittlicher Intelligenz und hypnotischen Fähigkeiten die raffiniertesten Verbrechen geplant und durchgeführt hatte. Seit er in die Anstalt eingeliefert worden sei, bringe der nicht mehr ansprechbare Mann täglich mehrere Seiten wirres Zeug zu Papier, das er als sein Testament bezeichne. Auf der Suche nach einem Buch in Dr. Baums Büro findet dessen Kollege Dr. Kramm (Theodor Loos) einige dieser Aufzeichnungen und bemerkt beim Sortieren der Papiere, dass die Beschreibungen dort haargenau auf den gerade in der Zeitung thematisierten Juwelenraub passen. Kramm stößt bei dem Professor mit seinen Schlussfolgerungen, dass Mabuse aus seiner Zelle heraus weiterhin zu Verbrechen anstiften würde, auf taube Ohren, und wird auf dem Weg zu Kommissar Lohmann aus einem ihn verfolgenden Auto erschossen.
Hofmeister wird zwar von Lohmann und seinen Kollegen aufgefunden, vermag aber kein verständliches Wort von sich zu geben und wird in die psychiatrische Anstalt Baums eingeliefert. Allerdings hinterlässt er den Beamten noch einen auf eine Fensterscheibe eingeritzten Hinweis, der Dr. Mabuse wieder ins Spiel bringt. Doch diese Spur führt zunächst zu nichts, da Lohmann erfährt, dass Mabuse gerade in der Anstalt verstorben sei. Damit findet die Reihe von Verbrechen aber nicht ihr Ende. Das unbekannte Oberhaupt einer Verbrecherbande erteilt hinter einem Vorhang sitzend Aufträge an die in verschiedene Sektionen aufgeteilte Gangsterbande.
Thomas Kent (Gustav Dießl), der bereits wegen Mordes einige Jahre im Zuchthaus abgesessen hat, will die Bande verlassen, doch weiß er auch, dass Verräter und Abtrünnige mit dem Tod bestraft werden. Die Liebe zur jungen Lilli (Wera Liessem), die er nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis bei seinen frustrierenden Besuchen auf dem Arbeitsamt kennengelernt hat, verstärkt aber Kents Vorhaben, dem Kommissar reinen Wein einzuschenken, denn sein Boss plant nicht weniger als einen Anschlag auf ein Chemiewerk, die Vernichtung von Ernten und die Auslösung von Epidemien…
Kritik:
Nachdem bereits der Stummfilm „Dr. Mabuse, der Spieler“ nicht zuletzt durch die Einführung des Superschurken neue Maßstäbe gesetzt hatte, erweist sich Lang auch mit der mehr als zehn Jahre später inszenierten Fortsetzung als Meister der Spannung und der geschickten Inszenierung. Wie schon in seinem viereinhalbstündigen Meisterwerk „Dr. Mabuse, der Spieler“ überzeugt „Das Testament des Dr. Mabuse“ durch eine faszinierende Ausstattung, die gleich in der ersten Szene, als Hofmeister sich in einem Kellerraum vor den Verbrechern versteckt, wunderbar zum Ausdruck kommt. Lang weiß hier bereits die Vorzüge des Tonfilms zu nutzen, wenn dumpfer Maschinenlärm Hofmeisters Angst vor Entdeckung untermalt.
Später sind es Explosionen und eine Autoverfolgungsjagd bei Nacht, die den Nutzen der Tonebene gerade bei Action-Sequenzen vorführen. Auf der Handlungsebene stehen sich Lohmanns Ermittlungsbemühungen und die hinter einem geschlossenen Vorhang verlautbarten mysteriösen Anweisungen des Verbrecheroberhaupts sowie die daraus folgenden Planungen der Gangsterbande gegenüber, während Kent vor allem aus Liebe dem Verbrechen den Rücken kehren will.
Lang beschränkt sich meist auf die Räumlichkeiten der psychiatrischen Anstalt, das Lebensumfeld von Kent, Lohmanns Büro und die Örtlichkeiten, in denen die Gangster ihre Befehle entgegennehmen und die Planungen durchführen. Dr. Mabuse ist dabei zwar selbst nur noch ein Schatten seiner selbst, bringt kaum ein Wort hervor, doch schwebt sein manipulativer Geist nach wie vor über der Stadt, sät Verderbnis und Angst in der Gesellschaft.
Viele sahen in diesen düsteren Bildern eine Vorahnung auf Hitlers Machtübernahme, auch wenn dies von dem an sich unpolitischen Filmemacher wohl kaum beabsichtigt gewesen ist. Nichtsdestotrotz zeigt wie schon das erste „Dr. Mabuse“-Drama von 1922 auch „Das Testament des Dr. Mabuse“, wie eine noch so kleine ideologisch irregeführte Organisation Angst und Schrecken in der Welt verbreiten kann.
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