Dr. Mabuse, der Spieler

Der österreichisch-deutsch-US-amerikanische Filmemacher Fritz Lang (1890-1976) hat nicht nur die später Stummfilm- und die frühe Tonfilm-Ära mitgeprägt, sondern nach seiner Emigration in die USA auch das Genre des Film noirs mit Werken wie „Blinde Wut“, „Straße der Versuchung“ und „Heißes Eisen“ bereichert. Seinen internationalen Durchbruch feierte Lang mit dem 1922 in zwei Teilen veröffentlichten, insgesamt viereinhalbstündigen Epos „Dr. Mabuse, der Spieler“, der zudem den Urtyp des Meisterverbrechers hervorbrachte und eine Flut von „Dr. Mabuse“-Filmen nach sich zog, von denen Lang selbst „Das Testament des Dr. Mabuse“ (1933) und „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ (1960) inszenierte. 

Inhalt: 

Der Psychoanalytiker Dr. Mabuse (Rudolf Klein-Rogge) ist ein Mann mit vielen Gesichtern, führt skrupellos eine Verbrecherorganisation und schlüpft immer wieder mit raffinierten Maskierungen in verschiedene Rollen. Gerade ging Mabuse durch den geschickten Diebstahl eines Geheimvertrags er als einzige Gewinner aus der Baisse hervor, nachdem er den Börsenkurs einer Aktie manipuliert hatte. Er betreibt nicht nur eine unterirdische, von Blinden betriebenen Geldfälscher-Werkstatt, sondern mischt sich allabendlich unter die illustren Spielerrunden, die in meist illegalen Spielsalons dem Glücksspiel frönen. 
Dem Meisterverbrecher gelingt es dabei, seine Gegner so zu hypnotisieren, dass diese ein schlechtes Blatt ausspielen, obwohl sie die besseren Karten in der Hand haben. Zu Mabuses Opfern zählt nicht der Staatsanwalt von Wenk (Bernhard Goetzke), der mit seinen Mitarbeitern die Identität des Schurken herauszufinden versucht, sondern auch Graf Told (Alfred Abel), der eigentlich nichts fürs Spielen übrig hat, aber nach Mabuses Hypnose eine Pokerrunde in seinem Haus veranstaltet. Mabuse nimmt am Spiel selbst nicht teil, sondern umgarnt währenddessen die attraktive Gräfin Hold (Gertrude Welcker), die immer wieder auf der Suche nach neuen Abenteuern ist, um der Langeweile ihres Lebens zu entfliehen. Mabuse manipuliert den Hausherrn dabei so geschickt, dass dieser als Falschspieler entlarvt wird, und nutzt den Aufruhr, um die Gräfin in seine Gewalt zu bringen. Dabei hat von Wenk die Gräfin zuvor gerade davon überzeugen können, ihn bei der Jagd nach dem Verbrecher zu unterstützen. So schleuste sie in die Gefängniszelle von Dr. Mabuses Geliebten, der Tänzerin Cara Carozza (Aud Egede-Nissen), die allerdings aus Liebe Mabuses Identität nicht preisgab und sich durch ein Gift, das Mabuses Handlanger und Chauffeur Georg (Hans Adalbert Schlettow) in ihre Zelle schmuggelte, das Leben nahm. 
Zwar ist von Wenk dem genialen Verbrecher immer dichter auf den Fersen, doch Mabuse scheint den Strafverfolgungsbehörden immer einen Schritt voraus zu sein. Neue Erkenntnisse erhofft sich der Staatsanwalt durch einen Besuch bei dem berühmten Massenhypnotiseur Weltmann in der Philharmonie… 

Kritik: 

Nach einem Roman von Norbert Jacques, den Langs spätere Frau Thea von Harbou für die Leinwand adaptierte, inszenierte Lang ein Monstrum von einem Kriminal-Epos, das in zwei Teilen im Abstand von gut einem Monat 1922 seine Premiere feierte. Im Gegensatz zu den expressionistisch geprägten Filmen „Das Cabinett des Dr. Caligari“ (1920) von Robert Wiene und Murnaus „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922) präsentiert sich Langs Film als fast schon dokumentarisch anmutende Gesellschaftsstudie der Weimarer Republik. Passenderweise ist der 1. Teil von „Dr. Mabuse, der Spieler“ mit „Der große Spieler. Ein Bild der Zeit“ untertitelt, der 2. Teil mit „Inferno. Ein Spiel von Menschen unserer Zeit“. Und Lang selbst bezeichnete den Film rückblickend als „Dokumentarfilm“. 
Tatsächlich zeichnet er das Bild einer dekadenten und vergnügungssüchtigen Gesellschaft, die nach dem Schrecken des Ersten Weltkriegs auf vielfältige Weise nach Ablenkung sucht, im Kokain-Konsum ebenso wie im Glücksspiel und der Prostitution. Mit Dr. Mabuse hat sich eine nie zu greifende, in immer neuen Maskierungen und bestens vernetzte Figur es sich zur Aufgabe gemacht, einen Staat im Staat zu gründen und die degenerierte Gesellschaft auszumerzen. Dazu sind ihm zweifellos alle Mittel recht. Durch seine manipulativen Techniken hat er sich als Meister etabliert, der das „Spiel mit den Menschen und Menschen-Schicksalen“ wie kein Zweiter beherrscht. Egal, welche Verbrechen in Berlin verübt werden, Dr. Mabuse hat überall seine Finger im Spiel. 
Dass das viereinhalbstündige Kriminaldrama kaum Längen aufweist, ist Langs bravouröser Inszenierung zu verdanken. Ebenso wie Mabuse in immer neuen Identitäten und Maskierungen sein kriminelles Unwesen treibt, sorgt auch Lang für immer neue Bilder und Kulissen, taucht in verschiedene Spielhöllen ebenso ein wie in die luxuriösen Etablissements der Reichen, in die Fälscherwerkstätten, Dr. Mabuses als psychiatrische Praxis getarnter Unterschlupf und von Wenks Büro, dazu kommen spektakuläre Massenszenen und im Finale sogar ein packender Shoot-out, der ebenso in Western oder Gangster-Filmen beheimatet sein könnte. 
Rudolf Klein-Rogge, der auch Langs späteren Werken wie „Spione“, „Die Nibelungen“ und „Metropolis“ zu sehen ist, brilliert als diabolisch-genialer Verbrecher, der durch seine Verkleidungen immer neue Figuren darstellt und so eher als überpersönliches Konzept des Bösen denn als individueller Bösewicht wirkt. Aber auch Bernhard Goetzke („Der Henker“, „Die Unehelichen“) überzeugt als standhafte Verkörperung von Gesetz und Ordnung. Das Duell zwischen Mabuse und von Schenk findet nahezu auf Augenhöhe statt und hält so die Spannung bis zum Schluss aufrecht. Aber auch die imponierende Ausstattung und die Massenszenen wirken bis heute beeindruckend. Es sollte allerdings mehr als zehn Jahre dauern, bis Lang mit „Das Testament des Dr. Mabuse“ eine Fortsetzung inszenierte.  

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