Straße der Versuchung

Seit seinem US-Debüt mit „Blinde Wut“ (1936) hat der des deutsch-österreichische Regisseur Fritz Lang etliche eindrucksvolle Beiträge zum Genre des Film noir geliefert, u.a. „Menschenjagd“, „Auch Henker sterben“, „Ministerium der Angst“ und „Gefährliche Begegnung“. Mit Joan Bennett und Edward G. Robinson, den Hauptdarstellern aus „Gefährliche Begegnung“ realisierte Lang 1945 mit „Straße der Versuchung“ einen weiteren sehenswerten Film noir. 

Inhalt: 

Zum 25-jährigen Dienstjubiläum erhält der Buchhalter und Kassierer Christopher Cross (Edward G. Robinson) von seinem Chef, Kaufhausbesitzer J.J. Hogarth (Russell Hicks), eine wertvolle Taschenuhr mit persönlicher Widmung, in der der bescheidene Buchhalter als persönlicher Freund seines Vorgesetzten beschrieben wird. Nach der kleinen Firmenfeier, von der sich Hogarth frühzeitig für seine Verabredung mit einer jungen, schönen Blondine verabschiedet, begleitet Cross seinen Freund und Kollegen Charles Pringle (Samuel S. Hinds) erst zum Bus, um dann durch Greenwich Village eine U-Bahn-Station zu suchen. Dabei wird er Zeuge, wie ein Mann eine Frau (Joan Bennett) zu Boden schlägt. Cross schlägt den betrunkenen Angreifer mit seinem Regenschirm nieder, der dann unerkannt entkommt. Cross bringt die Gerettete nach Hause. 
Da die attraktive Frau ihn nicht in ihre Wohnung bitten kann, die sie mit einer Freundin teilt, lädt Cross sie zu einem Drink in „Tiny’s“ Bar ein. Dort erfährt er, dass die junge Frau, die er gerettet und in die er sich bereits verliebt hat, Kitty heißt und Schauspielerin ist. Cross selbst stellt sich als Maler vor und träumt davon, mit ihr aus seiner Ehe mit der mürrischen Polizisten-Witwe Adele (Rosalind Ivan) ausbrechen zu können. Dabei ahnt er nicht, dass Kitty in den temperamentvollen Tunichtgut Johnny Prince (Dan Duryea) verliebt ist, der ihr auch mal – wie an jenem Abend – eine verpasst, wenn „Lazy Legs“, wie er sie manchmal spöttisch nennt, mal wieder nicht spurt. Durch den hoffnungslos verliebten Maler sieht Johnny allerdings die Möglichkeit, an Geld zu kommen. Tatsächlich gelingt es Kitty ohne Probleme, ihren ältlichen Verehrer erst um 500 Dollar, dann um größere Summen zu erleichtern, damit sie sich ein eigenes Apartment leisten kann und ihr Gönner nicht mehr gezwungen ist, im Badezimmer seiner eigenen Wohnung zu malen. 
Allerdings muss sich Cross nicht nur in der Firmenkasse bedienen, sondern auch die Rücklagen seiner Frau anzapfen, die sie nach dem Tod ihres Mann von der Versicherung erhalten hat. Argwöhnisch beobachtet Cross allerdings, dass Johnny sich recht oft in Kittys Wohnung aufhält, doch da dieser der Freund von Kittys ehemaligen Mitbewohnerin Millie (Margaret Lindsay) ist, schöpft er keinen Verdacht. Da nur seine Ehe mit Adele einer glücklichen Beziehung mit Kitty im Wege zu stehen scheint, fasst Cross einen Plan… 

Kritik: 

Nachdem Fritz Lang mit dem Trio Edward G. Robinson, Joan Bennett und Dan Duryea in jeweils ähnlichen Rollen „Gefährliche Begegnung“ realisiert hatte, vereinte er es für seine bereits 1931 von Jean Renoir unter dem Titel „Die Hündin“ verfilmte Adaption des französischen Theaterstücks „La Chienne“ von Georges de La Fouchardière und André Mouézy-Éon erneut vor der Kamera. 
Es ist zunächst die typische Geschichte eines biederen, älteren Mannes, der vor blinder Liebe taumelnd in die Fänge eines Paars gerät, das zwar gern auf großem Fuß lebt, aber möglichst nichts dafür tun will, weshalb Täuschung, Betrug, Diebstahl und Erpressung als ganz natürliche Erwerbsmethoden angesehen werden. 
Doch „Straße der Versuchung“ entwickelt sich zu weit mehr als zu der Geschichte eines unschuldigen Mannes, der durch eine Femme fatale ins Verderben gestürzt wird. Lang und sein kongenialer Kameramann Milton R. Krasner („Alles über Eva“, „Die große Liebe meines Lebens“) schaffen eine Atmosphäre, die gleichermaßen das schwere Los von unbekannten Künstlern, den beschwerlichen Alltag kleinbürgerlicher Angestellte und die Unbekümmertheit arbeitsscheuer Lebenskünstler in passende Bilder fasst. Dazu gesellen sich im letzten Drittel Wendungen, die aus der vielschichtigen Milieustudie doch noch ein fesselndes Kriminaldrama machen, das mit den Konventionen des Genres bricht. 
Bei aller Tragik wirkt es schon sehr zynisch, wenn die bislang im stillen Kämmerlein gelagerten Bilder des Hobby-Malers unter falscher Etikette am Ende Tausende einbringen, während Cross alles verloren hat, wofür er sein Leben lang geschuftet hat. Die Chemie zwischen Robinson („Frau ohne Gewissen“, „Der kleine Caesar“), Joan Bennett („Wir sind keine Engel“, „Menschenjagd“) und Dan Duryea („Gewagtes Alibi“, „Vom FBI gejagt“) funktioniert wunderbar, die Inszenierung ist wieder über jeden Zweifel erhaben, und der Plot entwickelt im letzten Drittel einen packenden Sog, der den Zuschauer auch nach dem Abspann noch nicht loslässt.  

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