Nacht im Hafen

Als der französische Star-Schauspieler Jean Gabin („Zouzou“, „Die große Illusion“) sich anschickte, mit „Nacht im Hafen“ (1942) seinen ersten Film in Hollywood zu drehen, wünschte er sich Fritz Lang als Regisseur, der nicht zuletzt durch „Dr. Mabuse, der Spieler“ und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ auch in Frankreich verehrt worden ist. Von den zweieinhalb Monaten Drehzeit war Lang aber nur die ersten beiden Wochen an Bord (weshalb er auch in den Credits nicht aufgeführt wurde), dann verließ er wegen verschiedener Differenzen das Projekt und überließ Archie Mayo („Der versteinerte Wald“) das Ruder, der dem Krimi- und Liebesdrama aber keine eigene Handschrift verleihen konnte. 

Inhalt: 

Als im Hafengebiet der südkalifornischen Halbinsel San Pablo die Arbeiter zum Wochenende etwas Spaß haben wollen, strömen sie in die Bar „The Red Dot“. An der Theke sind der Nachtwächter Nutsy (Claude Rains) und der anfänglich noch mürrische Alte Pop Kelly (Arthur Aylesworth) in ein Gespräch vertieft, als der völlig aufgeregte Tiny (Thomas Mitchell) hereingestürmt kommt und den Barkeeper (William Hartnell) nach seinem Freund namens Bobo fragt, den jedoch an diesem Abend noch niemand gesehen hat. Allerdings trottet Bobo (Jean Gabin) wenig später mit Seesack und Hund bereits ordentlich angetrunken in die Bar und bestellt sich ein großes Glas Whisky. 
Von Tinys Plänen, im Norden auf einer Werft gutes Geld verdienen zu können, will Bobo nichts wissen, auch wenn sein Leben gewöhnlich daraus besteht, von Ort zu Ort, von Job zu Job zu reisen. Doch an diesem Abend will sich Bobo lieber mit der Prostituierten Mildred (Robin Raymond) vergnügen, und als deren Freund Mac (John Kelly) den Franzosen in die Schranken weisen will, schickt dieser ihn kurzerhand zu Boden. Bobo zieht daraufhin weiter von einer Bar zur anderen, bis er am nächsten Morgen ohne Erinnerung an den vorigen Abend auf dem Kahn des Fischers Henry Hirota (Chester Gan) aufwacht, der an der Hütte am Steg Lebendköder an Fischer verkauft. 
Als Hirota Bobo zu erklären versucht, dass er Bobo für den Verkauf der Köder angeheuert habe, kann sich Bobo auch daran nicht erinnern. Hirotas Assistent Takeo (Victor Sen Yung) bemerkt beiläufig, dass Pop Kelly letzte Nacht erdrosselt wurde und die Polizei nach dem Mörder fahnde. Zwar erinnert sich Bobo vage daran, dass er am Abend mit Pop Kelly an der Theke stand, aber warum er Kellys weiße Schirmmütze trägt, kann er sich nicht erklären. 
Den Nachmittag verbringt er mit seinem philosophisch angehauchten Freund Nutsy, wobei sie Zeuge werden, wie eine junge Frau angekleidet in die Fluten springt. Bobo rettet das Mädchen und sagt gegenüber der Polizei aus, dass seine Braut sich aus Versehen zu weit ins Wasser hinausgewagt habe. Obwohl Anna (Ida Lupino), so der Name der jungen Frau, zunächst alles andere als begeistert von Bobos Einmischung ist, verliebt sie sich in ihren Retter, der durch Anna auf einmal Lust bekommt, sesshaft zu werden. Doch Tiny, der auf Bobos Arbeit angewiesen ist, weil dieser ihm mit einem Anteil seines Lohns das Leben finanziert, setzt Anna unter Druck, das Geheimnis um Pop Kellys Tod zu lüften, wenn sie Bobo nicht mit ihm ziehen lässt… 

Kritik: 

Um ein so kompromisslosen Roman wie „Moon Tide“ von Willard Robertson zu verfilmen, der von Prostitution, Alkoholismus, Vergewaltigung und Mord handelte, musste das Studio 20th Century Fox schon einige Kompromisse eingehen, um dem rigiden Hays Code gerecht zu werden, mit dem ab 1934 moralisch akzeptable Darstellungen besonders von Kriminalität, von sexuellen und von politischen Inhalten reguliert und überwacht wurden. Warum Lang nach zwei Wochen die Produktion verließ, ist bis heute unklar. Die einen sagen, Lang sei mit der Geschichte nicht zufrieden gewesen, andere machen Differenzen zwischen dem Regisseur und Gabin wegen Marlene Dietrich verantwortlich, die zu jener Zeit die Geliebte beider Männer gewesen sein soll. Tatsächlich ist die Geschichte in ihrer finalen Form nicht mehr besonders interessant. Aus der Liebe zwischen einem Hafen-Zigeuner und einer Kellnerin, die ihrem beschwerlichen Leben ein Ende setzten wollte, wird letztlich nicht viel herausgeholt, weil ihre Figuren kaum Kontur gewinnen. Nichtsdestotrotz holen Jean Gabin und Ida Lupino („Nachts unterwegs“, „Entscheidung in der Sierra“) mit ausdrucksvoller Mimik alles aus ihren Rollen heraus und werden dabei von stark agierenden Nebendarstellern wie Claude Rains („Berüchtigt“, „Casablanca“) und Thomas Mitchell („Vom Winde verweht“, „Höllenfahrt nach Santa Fé“) unterstützt. Die Kameraarbeit von Charles G. Clarke („Schrei der Gehetzten“, „Mr. Dodd geht nach Hollywood“) wurde immerhin für einen Oscar nominiert, doch die Inszenierung wartet letztlich mit zu wenig Überraschungen auf, um dauerhaft fesseln zu können.  

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