Das Schloss im Spinnwebwald
Während seiner mehr als fünfzigjährigen Karriere hat der japanische Meisterregisseur Akira Kurosawa (1910-1998) immer wieder Klassiker auf sehr eigene Weise adaptiert, neben Maxim Gorkis „Nachtasyl“ und Dostojewskis „Der Idiot“ sogar gleich dreimal Shakespeare. Bevor Kurosawa 1960 mit „Die Bösen schlafen gut“ seine Version von „Hamlet“ präsentierte und 1985 mit „Ran“ Shakespeares „King Lear“ seine Referenz erwies, inszenierte er 1957 mit „Das Schloss im Spinnwebwald“ seine Adaption von „Macbeth“.
Inhalt:
Fürst Kunikaro Tsusuki (Takamaru Sasaki) muss als Herr des Spinnwebwald-Schlosses um seine Macht fürchten, drohen seine vier Festungen doch durch die Heere eines Verräters eingenommen zu werden. Doch dann gelingen den beiden miteinander befreundeten Generälen Taketori Washizu (Toshiro Mifune) und Yoshiaki Miki (Minoru Chiaki) entscheidende Siege, die Tsusukis Macht bewahren. Während ihres Ritts zurück zur Burg verirren sie sich im Nebel des Spinnwebwaldes und treffen schließlich auf eine geisterhafte Gestalt, die ihnen eine großartige Zukunft prophezeit.
Demnach wird Washizu zum Lord der nördlichen Garnison ernannt wird, während Miki an diesem Tag Kommandeur der ersten Festung wird. Später wird Washizu Herr des Spinnwebwald-Schlosses und wird dann von Mikis Sohn beerbt. Tatsächlich erfüllt sich der erste Teil der Prophezeiung schon bei ihrer Rückkehr zum Schloss.
Washizus machthungriger Frau Asaji (Isuzu Yamada) ist dies aber nicht genug. Sie drängt Washizu dazu, Tsuzuki zu ermorden, wenn er zu Besuch kommt, um den zweiten Teil der Prophezeiung zu beschleunigen. Indem Asaji Tsuzukis Wachen mit Schlafmitteln versetzten Sake zu trinken gibt, gelingt es Washizu, in Tsuzukis Schlafzimmer einzudringen und ihn im Schlaf zu töten. Kunimaru (Hiroshi Tachikawa), Tsuzukis rachsüchtiger Sohn, und Noriyasu (Takashi Shimura), einer von Tsuzukis Beratern, gehen beide von einem Verrat Washizus aus und versuchen, Miki zu warnen, der jedoch den Anschuldigungen gegen seinen Freund keinen Glauben schenken will. Unter Asajis Einfluss ist sich Washizu Mikis Loyalität nicht sicher, wählt aber Mikis Sohn als seinen Erben, da er und Asaji kein eigenes Kind haben. Washizu plant, Miki und seinem Sohn bei einem großen Bankett von seiner Entscheidung zu erzählen. Asaji erzählt ihm jedoch, dass sie schwanger ist, was ihn in ein Dilemma bezüglich seines Erben bringt: Jetzt müssen Miki und sein Sohn eliminiert werden…
Kritik:
Kurosawa taucht seine „Macbeth“-Adaption von Beginn an in eine mystisch wirkende Nebellandschaft, die durchaus Ähnlichkeit mit den schottischen Highlands aufweist, womit Kurosawa geschickt eine Beziehung zwischen Shakespeares Stück und seiner eigenen Adaption herstellt, die er ins feudale Japan der Sengoku-Periode verlegt. Die Themen von „Macbeth“ sind indes universell, auch wenn die Tragödie mit ihrem Figurenarsenal von Herrschern und Geistern zunächst fern der Alltagserfahrung erscheint. Die Versuchung der Macht und der politische Mord werden bei Kurosawa vor allem in dem stringent vor minimalistischer Kulisse inszenierten Zusammenspiel von Washizu und seiner kalt berechnenden Frau Asaji herausgearbeitet.
Während Washizu mit dem Aufstieg auf den Thron des Schlosses alles erreicht hat, was er sich zu träumen erhofft hatte, sieht seine Frau eher die recht einfachen, aber skrupellosen Möglichkeiten, diese Macht noch auszudehnen. Washizu verfällt über seinen zuvor unvorstellbaren Verrat an seinem Herrscher und dann an seinem Freund in den Wahnsinn.
Kurosawas langjährig in der Hauptrolle seiner Filme eingesetzte Toshiro Mifune legt hier einmal mehr mit finsterem Blick und fletschenden Zähnen eine mitreißende, temperamentvolle Performance hin und kann so übertünchen, dass er die meiste Zeit mehr als eingeschränkt in seinen Bewegungen ist, sich in den Intrigen seiner machthungrigen Frau gefesselt fühlt.
So erweist sich „Das Schloss im Spinnwebwald“ als universell angelegtes, mystisch angehauchtes, kraftvoll und atmosphärisch dicht inszeniertes Stück über Machthunger, Mord und Verrat.
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