Die Tigerfährte
Nach den beiden in seiner japanischen Heimat gefeierten Judo-Filmen „Sugata Sanshirō“ (1943) und
„Zoku Sugata Sanshirō“ (1945) sowie dem propagandistischen „Am allerschönsten“ (1945) wandte sich Akira Kurosawa in seinem vierten, gerade mal einstündigen Film „The Men Who Tread on the Tiger’s Tail“ einem Kabuki-Stück namens „Kanjinchō“ zu, das wiederum eine Adaption eines früheren, noch älteren Noh-Stücks, „Ataka“, darstellt und bis 1952 zur Aufführung wegen seiner unpatriotischen Töne verboten war.
Inhalt:
Wie eine ausführliche Texttafel zu Anfang informiert, schreiben wir das Jahr 1185. Der Bruder des Shoguns, Yoshitsune Minamoto (Hanshirô Iwai), hat zwar gerade einen entscheidenden Seesieg errungen, befürchtet jedoch, dass sein Bruder einen Putsch anführen könnte, weshalb er befiehlt, ihn zu töten. Yoshitsune und sechs seiner Gefolgsleute verkleiden sich als Wandermönche – Yamabushi –und versuchen, einen von den Männern des Shogunats eingerichteten Kontrollpunkt zu passieren und zu fliehen. Ein Träger (Kenichi Enomoto) soll die Männer auf möglichst sichere Weise zum Kontrollpunkt bringen und versucht die angespannte Stimmung unter den Männern immer wieder mit witzigen Bemerkungen aufzulockern, was ihm aber regelmäßig einen Tadel einbringt.
Am Kontrollpunkt spitzt sich die Situation allerdings schnell zu.
Während Saemon Togashi (Susumu Fujita) als Oberwächter über die Barriere sich nicht darauf einlassen will, die vermeintlichen Priester passieren zu lassen, versucht Yoshitsunes treuester Gefolgsmann, der fast mythologische Kriegermönch Benkei (Denjirō Ōkōchi), den örtlichen Adligen davon zu überzeugen, dass seine Männer bei dem Bau eines Tempels einen wichtigen Beitrag leisten zu haben.
Schließlich fordert Togashi den wortführenden Kriegermönch dazu auf, die entsprechende Weisung vorzulesen. Während Benkei eine leere Schriftrolle aus einem Gepäckstück hervorholt und nach Gutdünken einen sinnvoll erscheinenden Text vorträgt, bewegt sich Togashis skeptischer Botschafter (Sôji Kiyokawa) langsam auf Benkei zu, um einen Blick auf das Schriftstück zu werfen…
Kritik:
„The Men Who Tread on the Tiger’s Tail“ stellt ein frühes Beispiel für Kurosawas Faible für zeitgenössische Adaptionen bekannter Theaterstücke dar. So wie er später Shakespeares auch international bekannten Figuren Macbeth in „Throne of Blood“ und König Lear in „Ran“ zu neuem Leben erweckt, haucht er den beiden japanischen Stücken „Kanjincho“ und „Ataka“ neues Leben ein. Die Stücke basieren auf einem tatsächlichen historischen Vorfall aus dem späten 12. Jahrhundert, als Yoshitsune Minamoto auf der Seite seines Bruders Yoritomo Minamoto in einem Feldzug gekämpft hatte, der es diesem letztendlich ermöglichen sollte, den Titel eines Shoguns zu beanspruchen und das Kamakura-Shogunat zu gründen. Yoritomo vermutete jedoch, dass sein Bruder eine Verschwörung gegen ihn plante (was er in der Vergangenheit durchaus getan haben könnte) und befahl, Yoshitsune gefangen zu nehmen. Yoshitsune war daher zusammen mit seinen engsten Mitarbeitern gezwungen, auf der Suche nach Sicherheit durch das von Yorimoto kontrollierte Gebiet und über eine streng bewachte Grenze zu fliehen. Obwohl es ihnen gelang, und hier enden das Stück und der Film, wurde Yoshitsune bald darauf von Yorimotos Männern gejagt und in einen Kampf verwickelt, der damit endete, dass Yoshitsune Selbstmord beging.
Kurosawa verwendet den Wald, den die als Priester verkleideten Krieger auf ihrer Flucht durchstreifen, als Kulisse für ein Stück, dessen Spannung sich ganz auf die Bühne des Kontrollpunkts konzentriert und immer wieder durch die temperamentvoll vorgetragenen Witze und Erzählungen des bekannten japanischen Vorkriegskomikers Kenichi Enomoto aufgelockert werden.
Auch wenn dieses einstündige Frühwerk des Ausnahmeregisseurs kaum bekannt ist, ist die Dramaturgie und Inszenierung doch sehenswert und lohnt sich auch aufgrund der guten Darstellerleistungen.
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