Ripley

Zwischen 1955 und 1991 veröffentlichte die US-amerikanische Schriftstellerin Patricia Highsmith fünf ihrer insgesamt 22 Romane (darunter ihr von Alfred Hitchcock verfilmtes Debüt „Strangers on a Train“ aus dem Jahr 1950) rund um den skrupellosen Betrüger Tom Ripley. René Clément verfilmte den ersten Band der Reihe, „Der talentierte Mr. Ripley“, 1960 unter dem Titel „Nur die Sonne war Zeuge“ mit Alain Delon in der Hauptrolle, 1999 folgte eine ebenso berühmte Verfilmung durch Anthony Minghella unter dem Romantitel mit Jude Law, Matt Damon, Gwyneth Paltrow und Cate Blanchett in den Hauptrollen, 2002 eine weitere von Liliana Cavani mit dem Titel „Ripley’s Game“ und John Malkovich in der Hauptrolle. Doch damit nicht genug. Der Oscar-prämierte Drehbuchautor Steve Zaillian („Schindlers Liste“, „American Gangster“, „The Irishman“) legt mit der 8-teiligen Mini-Serie „Ripley“ die atmosphärisch dichteste und die dem Stoff am nächsten stehende Adaption vor. 

Inhalt: 

Der mittellose Tom Ripley (Andrew Scott) hält sich im New York der frühen 1960er Jahre mit Trickbetrug über Wasser und ist sehr neugierig, warum der wohlhabende Werftunternehmer Herbert Greenleaf (Kenneth Lonergan) nach ihm schicken lässt. Wie sich bei seinem Besuch auf der Werft herausstellt, hat Greenleaf bislang vergeblich versucht, seinen in Europa lebenden Sohn Richard wieder nach Hause zurückzuholen. Der Unternehmer beauftragt den mit einem üppigen Spesenkonto ausgestatteten Ripley als einen – wenn auch nicht allzu engen – Freund seines Sohnes, den Müßiggänger in Atrani an der Amalfiküste ausfindig zu machen und zur Rückkehr in die USA zu bewegen. Doch kaum ist Tom in Atrani angekommen und hat „Dickie“ (Johnny Flynn) in einer traumhaft schönen Villa ausfindig gemacht, da hat er sein Vorhaben bereits in den Wind geschrieben und versucht stattdessen, so viel Zeit wie möglich mit Dickie – und notgedrungen – mit dessen Freundin Marjorie (Dakota Fanning) zu verbringen, die in ihrer eigenen Wohnung an einem Buch über Atrani schreibt. Bald weicht Tom nicht mehr von Dickies Seite, was vor allem die Tom skeptisch betrachtende Marjorie allmählich nervt, und schließlich sieht sich Tom gezwungen, seinen früheren Jugendfreund bei einer gemeinsamen Bootsfahrt zu töten. 
Etwas überhastet reist Tom aus Atrani ab, übernimmt Dickies Identität - und damit auch sein Vermögen – und nistet sich in die zunächst schönsten Hotels und Wohnungen ein, flüchtet von Rom nach Palermo nach Venedig, denn schon bald gibt es einen weiteren Toten, und der umtriebige Kommissar Ravini (Maurizio Lombardi) geht dem Verschwinden des vermeintlichen Tom Ripley ebenso nach wie dem Mord an Dickies Freund Freddie Miles (Eliot Sumner). Dabei zieht sich die Schlinge um den Betrüger immer enger zu… 

Kritik: 

Dass Steven Zaillians „Ripley“-Serie anders ist als jede vorangegangene Verfilmung, erkennt man bereits nach wenigen Szenen, denn Zaillian und sein Oscar-prämierter Kameramann Robert Elswit („There Will Be Blood“, „Good Night, and Good Luck.“) haben sich für ein sehr stilisiertes Schwarzweiß entschieden, das die traumhaften Kulissen der italienischen Traumstädte zu schmuckvollen, aber sehr statischen Begrenzungen des immer enger werdenden Bewegungsradius von Tom Ripley degradiert. Dieser Eindruck wird durch die häufige Darstellung von Statuen und Skulpturen ebenso verstärkt wie durch die radikale Reduzierung des Ensembles. Statisten, die Horden von Touristen durch die Straßen von Neapel, Rom oder Venedig darstellen, sucht man nahezu vergeblich. So bleibt der Blick ganz auf die Figuren der unseligen Ménage à trois fokussiert. 
Die sexuelle Ausrichtung der Beteiligten wird nie thematisiert. Zwar sind Dickie und Marge ein Paar, aber sieht man sie nie händchenhaltend oder küssend zusammen, was Toms latentes Begehren Dickie gegenüber vielleicht Aufschub bereiten mag. Sicher kann man sich dessen nicht sein. Interessant in diesem Zusammenhang ist nicht nur die Tatsache, dass Marjorie nur in langen Hosen zu sehen ist, sondern auch dass Freddie Miles von Eliot Sumner gespielt wird, die Tochter von Sting, die sich inzwischen als nicht binär identifiziert. Als besonderer Clou erweist sich schließlich die Besetzung von Andrew Scott, der erst kürzlich in „All of Us Strangers“ einen Homosexuellen und in der zweiten Staffel von „Fleabag“ einen attraktiven Priester gespielt hat, der nach einem sexuellen Ausrutscher feststellen muss, dass seine Liebe doch ganz Gott gehört. 
Zaillian, der zwar als Drehbuchautor bekannt ist, aber auch schon selbst Regie geführt hat – u.a. bei „Zivilprozess“, „Das Spiel der Macht“ und zuletzt bei der hervorragenden Mini-Serie „A Night Of“ – erweist sich als besonnener Geschichtenerzähler, der Tom Ripleys Traum von einem luxuriösen Leben mit akzentuierten Gewaltausbrüchen und kühler Berechnung Wirklichkeit werden lässt. 
Bis zum Schluss darf man sich gespannt fragen, ob er denn damit durchkommt. Neben der sukzessiv aufgebauten Spannung sind es vor allem die ästhetisierten Schwarzweiß-Bilder des Nachkriegsitalien, dazu werden immer wieder Querverweise zu Caravaggio gezogen, der gleichermaßen von Dickie Greenleaf und Tom Ripley geschätzt wird und selbst ein Mörder gewesen ist. Dessen unheilvollen Bilder wirken wie ein lautloser Aufschrei des Grauens. Man darf gespannt sein, ob Zaillian auch die nachfolgenden „Ripley“-Bücher im Serien-Format verarbeitet. Zu wünschen wäre es. 

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