Rashomon - Das Lustwäldchen

Seit seinem Regiedebüt mit „Die Legende vom großen Judo“ (1943) hat Akira Kurosawa (1910-1998) bereits einige bemerkenswerte Filme inszeniert, u.a. das poetische Liebesdrama „Ein wunderschöner Sonntag“ (1947), das nach einem zeitgenössischen Theaterstück entstandene Drama „Das stumme Duell“ (1949) oder den japanischen Film noir „Ein streunender Hund“ (1949). Seinen internationalen Durchbruch feierte Kurosawa mit dem vielschichtigen Drama „Rashomon – Das Lustwäldchen“, das 1951 mit einem Oscar für den besten Film ausgezeichnet wurde und auf den beiden Kurzgeschichten „Rashomon“ (1915) und „Im Dickicht“ (1922) von Akutagawa Ryūnosuke basiert. 

Inhalt: 

Ein Wolkenbruch zwingt einen Holzfäller (Takashi Shimura), einen Priester (Minoru Chiaki) und einen Knecht (Kichijiro Ueada), am historischen Tor „Rashomon“ in der Nähe von Kyōto Unterschlupf zu suchen. Der niedergeschlagen wirkende Holzfäller beginnt von unfassbaren Ereignissen zu erzählen, die er vor kurzem erlebt hat. Der Samurai Takehiro (Masayuki Mori) wurde im nahegelegenen Wald der Dämonen mit einem Schwert getötet. In der Nähe des Tatorts fand man den Hut seiner Frau Masako (Machiko Kyô) und einen Beutel. Das Paar war mit einem Pferd unterwegs und traf auf den berüchtigten Straßenräuber Tajomaru (Toshirô Mifune). Gleich nach der Tat hatte ein Polizist (Daisuke Katô) Tajomaru festgenommen, den er des Mordes an dem Samurai beschuldigt. 
Der gefesselte Tajomaru erzählt bei der Gerichtsverhandlung, der der Holzfäller und der Priester beiwohnen, von dieser Begegnung. Der Wind habe den Schleier der Frau, die auf dem Pferd saß, einen Moment lang gelüftet, so dass er ihr schönes Gesicht gesehen habe. Er sei den beiden gefolgt und habe den Samurai unter dem Vorwand eines günstigen Geschäfts ins Gebüsch gelockt, nach langem Kampf überwältigt und gefesselt, dann die Frau dorthin gebracht und sie vor den Augen ihres Mannes vergewaltigt. Unter Tränen habe Masako gefordert, einer von beiden müsse sterben. Also habe er den Samurai losgebunden und im Zweikampf getötet. Danach sei die Frau geflüchtet. 
Der Holzfäller behauptet gegenüber Priester und Knecht, diese Geschichte sei nicht wahr, ebenso wenig wie die Version von Masako, die behauptet hatte, sie habe ihren Mann aus Verzweiflung nach der Vergewaltigung getötet, weil Takehiro ihr mit grenzenloser Verachtung ins Gesicht geschaut habe. Aber auch der Geist des getöteten Samurais weiß seine Version der Geschichte zu erzählen … 

Kritik: 

Kurosawa erweist sich sieben Jahre nach seinem Regiedebüt als Meister der mehrdeutigen Inszenierung. Geschickt verwebt er die am Tor „Rashomon“ spielende Rahmenhandlung zum einen mit der Handlungsebene vor Gericht, wo der Priester und der Holzfäller als Zeugen erleben, wie der Bandit, die Frau und der Samurai in Gestalt der Geisterfrau ihre jeweils sehr eigene Version der Geschehnisse zum Besten geben. Da jede der drei völlig unterschiedlichen Versionen in sich stringent und folgerichtig ist, den andern beiden aber widerspricht, wird aber nicht nur die Frage nach der Glaubwürdigkeit der einzelnen Erzähler aufgeworfen, sondern vor allem die subjektive Empfindung des Erlebten. 
Nicht umsonst hat Kurosawa, der – wie bei vielen anderen Filmen – das Drehbuch zusammen mit Shinobu Hashimoto („Die verborgene Festung“, „Harakiri“, „Ikiru: Einmal wirklich leben“) verfasst hat, bereits in der Rahmenhandlung drei ganz unterschiedliche Persönlichkeiten zusammengeführt, die ebenso von eigenen Interessen und moralischen Grundsätzen getrieben sind wie der Bandit, der Samurai und dessen Frau. 
Am Ende bleibt es dem Zuschauer überlassen, welcher Geschichte er am ehesten zu glauben bereit ist, womit er ein Teil seiner selbst entblößt. Vor allem Kurosawas Lieblings-Darsteller Toshirô Mifune begeistert einmal mehr mit einer fesselnden, fast schon an Overacting grenzenden Performance als hinterlistiger, temperamentvoller, nahezu irrsinniger Bandit, dessen Erzählung seine eigene Persönlichkeit in jenem Licht erscheinen lässt, wie er sich am liebsten sieht. Das trifft aber auf die anderen Beteiligten ebenso zu. 
Auch wenn die Handlung im 11. Jahrhundert angesiedelt ist, wirken die Figuren doch zeitlos und zwingen den Zuschauer zur Selbstreflexion. Die suggestiven Bilder sind perfekt komponiert und machen „Rashomon“ zu einem zurecht gefeierten Meisterwerk, das Kurosawa gerade in Europa zu einem vielgeschätzten Filmemacher machte. 

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