Ikiru - Einmal wirklich leben
Nachdem Akira Kurosawa mit seiner 1950 inszenierten Literaturverfilmung „Rashomon – Das Lustwäldchen“ überraschend den Goldenen Löwen auf den Internationalen Filmfestspielen von Venedig gewann, avancierte der japanische Filmemacher innerhalb kürzester Zeit zum Zugpferd für das westliche Interesse an der japanischen Filmindustrie. Dazu trug auch das berührende, 1952 entstandene Drama „Einmal wirklich leben“ bei.
Inhalt:
Seit dreißig Jahren arbeitet Kanji Watanabe (Takashi Shimura) als Abteilungsleiter einer städtischen Beschwerdestelle und erfährt kurz vor der Pensionierung, dass er an Magenkrebs leidet und nur noch wenige Monate zu leben habe. Mit großer Bitterkeit erkennt Watanabe, der nicht einen Tag bei der Arbeit fehlte, dass er all die Jahre als machtloses Rädchen der Bürokratie verschwendet hat und dass sich sein Sohn Mitsuo (Nobuo Kaneko) eher um sein Erbe sorgt, als sich um seinen Vater zu kümmern, in dessen Haus er mit seiner Frau Kazue (Kyôko Seki) lebt.
Watanabe steht plötzlich vor den Trümmern seines Lebens und beschließt, das Leben noch so gut er kann zu genießen. In einer Bar lernt er einen jungen Schriftsteller (Yûnosuke Itô) kennen, der ihn durch das Nachtleben der Stadt führt. Watanabe trinkt, spielt, tanzt, kann aber seine Einsamkeit doch nicht abschütteln.
Erst die Freundschaft mit seiner früheren, sehr lebensfrohen Mitarbeiterin Toyo (Miki Odagiri), die vor Langeweile eine neue Stelle angenommen hat, führt dem sterbenskranken Mann vor Augen, wie auch ein ganz normales Arbeitsleben mit Freude erlebt werden kann. Doch Toyo ist es bald leid, ständig Geschenke von ihrem früheren Chef zu bekommen und von ihm zum Essen eingeladen zu werden, weiß sie doch nicht so recht, was sie mit dem alten Mann anfangen soll.
Bei einer Begegnung der beiden in einem Café, in dem gerade eine Geburtstagsfeier stattfindet, erinnert sich Watanabe an einige Frauen aus einem armen Stadtviertel, die für ihre Kinder einen Spielplatz beantragt hatten. Er beschließt, diesen Spielplatz Realität werden zu lassen, und kämpft gegen die Widerstände der Bürokratie, um seinem Leben doch noch einen Sinn zu geben…
Kritik:
Akira Kurosawa, der das Drehbuch zu dem eindringlichen Drama zusammen mit seinen langjährigen Co-Autoren Hideo Oguni („Die sieben Samurai“, „Ran“) und Shinobu Hashimoto („Die verborgene Festung“, „Rashomon“) geschrieben hat, inszenierte mit „Ikiru“ einen nachdenklich machenden Film. In der brillant von Takashi Shimura („Die sieben Samurai“, „Rashomon“) verkörperten Hauptrolle der „Mumie“, wie ihn Kanji Watanabes lebenslustige ehemalige Mitarbeiterin Toyo ihn neckisch bezeichnet hat, kommt die ganze Tragik eines in den bürokratischen Mühlen vergeudeten Lebens zum Ausdruck.
Kurosawa benötigt nur wenige Szenen, um das zu veranschaulichen. Wenn die Bürger mit einem Anliegen zur Beschwerdestelle kommen, werden sie von einer zur anderen zuständigen Stelle verwiesen, ohne dass ihnen wirklich geholfen wird. Es wird viel Papier bearbeitet und viel geredet, aber wenig bewirkt. Als Watanabe dann doch mal mit seinen Magenproblemen zum Arzt geht, wird er von einem anderen Patienten im Wartezimmer auf die verharmlosende Art der Ärzte bei der Mitteilung ihrer Diagnose vorbereitet. Tatsächlich kommt es so, wie es der Mann im Wartezimmer angekündigt hat. Kurosawas Film geht der Frage nach, wie man den Rest seines Lebens angesichts des nahenden Endes verbringt, und kommt zu dem Schluss, dass sich die verpassten Gelegenheiten nicht nachholen lassen, so ausgelassen man auch zu trinken, zu tanzen und zu feiern versucht, so sehr man der verlorenen Jugend nacheifert und mit dem angehäuften Geld um sich wirft.
Dabei findet der Filmemacher immer wieder besonders berührende Momente, etwa wenn Watanabe in einer Bar den Klavierspieler bittet, ein bestimmtes Liebeslied zu spielen, zu dem der alte Mann mit entrückter Stimme zu singen beginnt und die eben noch tanzenden Paare zum Innehalten anregt. Und die Szene, in der der sterbende Watanabe auf der Schaukel am nächtlichen Spielplatz inmitten des fallenden Schnees das Lied von der Vergänglichkeit der Blumen singt, zählt wohl zu den schönsten Filmmomenten überhaupt.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen