Die Bösen schlafen gut
Akira Kurosawa (1910-1998) ist für seine Samurai-Klassiker wie „Die sieben Samurai“, „Kagemusha“ und „Ran“ ebenso bekannt wie für seine Adaptionen berühmter Theaterstücke wie Gorkis „The Lower Depths“, Dostojewskis „Der Idiot“ oder Shakespeares „Macbeth“ oder „Hamlet“, die sich in Filmen wie „Das Schloss im Spinnwebwald“ und „Ran“ niederschlugen. Etwas weniger bekannt sind Kurosawas Ausflüge in das Film-noir-Genre, dabei zählen seine Beiträge „Engel der Verlorenen“ (1948), „Ein streunender Hund“ (1949), „Zwischen Himmel und Hölle“ (1963) und „Die Bösen schlafen gut“ (1960) zu echten Höhepunkten seines mehr als fünfzigjährigen Schaffens. In dem zweieinhalbstündigen Drama „Die Bösen schlafen gut“ verbindet Kurosawa eine vertrackte Kriminalhandlung mit sozialkritischen Tönen zur Korruption in höheren Kreisen.
Inhalt:
Eine Gruppe von Nachrichtenreportern stürmt den exklusiven Hochzeitsempfang des Vizepräsidenten der Public Development Corporation, Iwabuchi (Masayuki Mori), an, der seine Tochter Yoshiko (Kyôko Kagawa) mit seinem Privatsekretär Kôichi Nishi (Toshirô Mifune) verheiratet hat.
Das Interesse der Journalisten liegt in dem Korruptionsskandal begründet, in den hochrangige Vertreter der öffentlich-rechtlichen Körperschaft zur Erschließung ungenutzter Bauflächen verwickelt sind. Nachdem vor fünf Jahren der Selbstmord des stellvertretenden Amtschefs Furuya für Schlagzeilen gesorgt hatte, waren neben Vizepräsident Iwabuchi auch der fürs Vertragswesen zuständige Shirai (Kô Nishimura) und der hohe Verwaltungsbeamte Moriyama (Takashi Shimura) in den Bauskandal verwickelt. Nun lässt der Polizeioffizier (Susumu Fujita) während des Banketts auch Wada (Kamatari Fujiwara), einen leitenden Beamten in der Zusammenarbeit mit dem Baukonzern Diaryu, kurzerhand verhaften.
Einer der Reporter (Kôji Mitsui) rekapituliert die Zusammenhänge für seine anwesenden Kollegen. Doch ist sein Wissen über den Bräutigam Kôichi Nishi, den er als Freund von Yoshikos Bruder, des trinkfesten Playboys Tatsuo Iwabuchi (Tatsuya Mihashi) identifizieren kann, nur dürftig. Auch wenn Tatsuo in seiner leutseligen Ansprache betont, dass sein Freund Nishi Yoshiko aus ehrbaren Gründen geheiratet hat, vermuten viele der Anwesenden, dass Nishi die Verbindung mit der Iwabuchi-Familie aus Kalkül eingegangen ist, um so schneller auf der Karriereleiter voranzukommen…
Kritik:
Mit gleich vier Co-Autoren - Hideo Oguni, Eijirô Hisaita, Ryûzô Kikushima und Shinobu Hashimoto – hat Akira Kurosawa für „Die Bösen schlafen gut“ einen sehr komplexen Plot ersonnen, der sich diesmal nicht mit den unteren Gesellschaften wie in „Nachtasyl“ oder „Ein wunderschöner Sonntag“ beschäftigt, sondern die korrupten Mechanismen führender Bürokraten und Unternehmer seziert. Dabei kommt außer der jungen, unschuldigen und nach einem durch ihren Bruder Tatsuo verursachten Unfall gehandicapten Yoshiko niemand gut weg.
Während Journalisten und Ermittler alles daran setzen, Beweise für die Korruptionsfälle zu finden und Geständnisse von den mutmaßlich Beteiligten zu erhalten, lässt Iwabuchi nichts unversucht, mögliche Schwachstellen zu eliminieren, so dass einige seiner Mitarbeiter sich entweder in den Selbstmord flüchten oder von Nishi in die Mangel genommen werden. Der hat sich nämlich unter dem Deckmantel einer falschen Identität über die Jahre in Iwabuchis Firma nach oben gearbeitet, um den Tod seines Vaters zu rächen.
Das Spiel mit einer falschen Identität und die Entfremdung von der gesellschaftlichen Norm zählen ebenso zum Fundus des Film noir wie das Geheimnis aus der Vergangenheit, das die Beteiligten eint, und die Liebe zu einer Frau – auch wenn dies in diesem Fall keine Femme fatale ist. Kurosawa, der als Grundlage für das Drehbuch eine Story namens „Bad Men‘s Prosperity“ seines Neffen Yoshio Inoue verwendete, vereint all diese Zutaten zu einem fesselnden Drama, das zudem exzellent fotografiert und musikalisch vertont sowie hervorragend gespielt ist. Kurosawas Lieblingsdarsteller Toshirô Mifune überzeugt dabei mit einer ungewohnt zurückhaltenden Performance als rächender Schwiegersohn unter falschem Namen.
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