Maria Montessori

Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte die Ärztin und Pädagogin Maria Montessori (1870-1952) an dem von ihr co-geführten „Casa dei Bambini“ (Kinderhaus) in Rom ein pädagogisches Konzept, in dem das Kind als „Baumeister seines Selbst“ fungiert und in einer offenen Unterrichtsform mit individuell auf das Kind abgestimmten didaktischen Techniken optimal im Lern- und Entwicklungsprozess gefördert wird. Nun hat die französische Schauspielerin und Autorin Léa Todorov („Saving Humanity During Office Hours“) der wegweisenden Feministin mit „Maria Montessori“ ein filmisches Denkmal gesetzt. 

Inhalt: 

Die Pariser Edel-Kurtisane Lili d’Alengy (Leïla Bekhti) muss sich nach dem Tod ihrer Mutter selbst um die Erziehung ihrer behinderten Tochter Tina (Raffaelle Sonneville-Caby) kümmern. Um ihren Ruf zu wahren und Tina zu verstecken, die sie stets als ihre Nichte ausgegeben hat, flüchtet die Pariser Halbweltdame nach Rom, wo die junge Ärztin Maria Montessori (Jasmine Trinca) mit ihrem Lebenspartner Giuseppe Montesano (Raffaele Esposito) ein öffentlich finanziertes „Pädagogisches Institut“ für behinderte Kinder betreibt und eine Methode entwickelt hat, Kindern mit einer Lernschwäche zu helfen. 
Lilis Wunsch, das Mädchen dort einfach abzuliefern und weiter unbeschwert ihr Leben im Luxus weiterzuführen, wird jedoch nicht erfüllt, da das Kinderhaus nur noch über einen Platz für die Tagespflege verfügt. Lili bleibt also in Rom. Schwierig gestaltet sich auch das Verhältnis zwischen Maria und Giuseppe. Das unverheiratete Paar hat mit Mario einen gemeinsamen Sohn, der wegen der gesellschaftlich nicht akzeptierten Lebensweise des Paars bei einer Amme auf dem Land aufgezogen wird. Während Giuseppe für seine Arbeit im Institut bezahlt wird, muss Maria noch bei ihren Eltern leben. Sie will Giuseppe aber auch nicht heiraten, da ihr ihre Unabhängigkeit wichtig ist. Sie setzt alles daran, die konservativen Mediziner mit ihren Lehrmethoden zu überzeugen, um weiterhin Fördergelder für das Kinderhaus zu bekommen. 
Lili findet auch in Rom einen Mann, der ihr eine Wohnung finanziert, so dass sie miterleben kann, welche Erfolge Tina langsam erzielt. Sie trägt ihren Teil zum Gelingen von Montessoris Methoden bei, indem sie sich ans Klavier setzt und mit der von ihr gespielten Musik die Kinder zum Tanzen animiert. Als Giuseppe wegen Marias forscher Art um seinen Ruf zu fürchten beginnt und ihr eröffnet, eine andere Frau heiraten zu wollen, bricht sie zusammen, weiß sie doch, dass ihr durch die Trennung auch Mario weggenommen wird. Lili hält jedoch zu ihr und führt ihre neue Freundin in die Kunst der Selbstvermarktung ein. Dadurch findet Maria zum notwendigen Selbstvertrauen, um sich in der Männerwelt der Wissenschaft durchzusetzen, in der bisher stets Montesano die Lorbeeren einheimste… 

Kritik: 

Léa Todorov konzentriert sich in ihrer Biografie über Maria Montessori nur auf wenige Jahre ihres Lebens und Wirkens und stellt dabei den feministischen Aspekt ebenso in den Vordergrund wie die wichtige Erkenntnis, dass Zuwendung, Geduld und Liebe eine entscheidende Rolle in der Kindererziehung spielen. Um das herauszuarbeiten, bedient sich die Filmemacherin eines besonderen Kniffs und stellt Montessoris Kampf um Anerkennung ihrer pädagogischen Methoden dem emanzipierten Leben der fiktiven Edel-Prostituierten Lili gegenüber. 
So unterschiedlich beide Frauen auch dargestellt werden, sind sie in ihrem Schicksal doch vereint, sich in der frauenfeindlichen Gesellschaft nicht zu ihren Kindern bekennen zu können. Passenderweise ist Todorovs Film im Original „La nouvelle femme“ betitelt, denn neben der Darstellung, wie Maria Montessori ihr pädagogisches Modell ausgearbeitet hat, geht es vor allem um ein neues Frauenbild, das Lili und Maria verkörpern. Todorov bedient sich ausgefeilt arrangierter historischer Kulissen und vor allem Kostüme, um zu veranschaulichen, in welchem Korsett die Frauen damals eingezwängt gewesen sind, aus dem sich Lili und Maria allmählich befreien. 
Einfühlsam beschreibt Todorov auch die Art und Weise, wie liebevoll Montessori und ihre Pädagoginnen den „Idioten“, wie die gehandicapten Kinder damals ganz offen bezeichnet worden sind, Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen und dabei erstaunliche Ergebnisse erzielen. Der didaktische Ansatz wird dabei ebenso wenig aufdringlich in Szene gesetzt wie der Kampf um Anerkennung der Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft, und die liebevolle Ausstattung und die überzeugenden Darstellungen von Leïla Bekhti („Paris, je t'aime“, „Ein Prophet“) und Jasmine Trinca („The Gunman“, „Das Zimmer meines Sohnes“) sorgen dafür, dass das Publikum mit den Figuren, die sie verkörpern, mitfiebert. 

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