Dünkirchen, 2. Juni 1940

In seiner über vierzigjährigen Filmkarriere hat Henri Verneuil einige Klassiker inszeniert, von dem komödiantischen Drama „Ein Affe im Winter“ (1962) über den Abenteuerfilm „100.000 Dollar in der Sonne“ (1964) bis zum Mafia-Thriller „Der Clan der Sizilianer“ (1969). Vor allem mir Frankreichs Superstar Jean-Paul Belmondo hat Verneuil offenbar gern zusammengearbeitet. Der Kriegsfilm „Dünkirchen, 2. Juni 1940“ stellte bereits den dritten gemeinsamen Film dar, zählt aber zu den weniger gelungenen Werken ihrer Kollaboration. 

Inhalt: 

Während die deutschen Truppen vom Festland her Frankreich zu überrollen drohen, sammeln sich am ersten Juni-Wochenende des Jahres 1940 sowohl versprengte britische und französische Truppen auf ihrem überhasteten Rückzug an den Dünen von Zuydcoote und Bray-Dunes bei Dünkirchen. Während die Briten bereits eine Evakuierung ihrer Soldaten über den Kanal organisieren, müssen die Franzosen zusehen, wie sie zurechtkommen. Eine kleine Gruppe von vier französischen Soldaten findet sich an einem Wrack eines Lkws des Roten Kreuzes in den Dünen zusammen und wartet dort die weitere Entwicklung ab. Dhéry (Pierre Mondy) versucht, sich mit allerlei Hehler-Geschäften und Gefälligkeitsdiensten schadlos zu halten, und beschafft sich so vom Hilfsarzt Cirilli (Michel Barbey) ein Attest, das ihn als kriegsuntauglich auszeichnet. Er rechnet damit, dass er im Fall einer deutschen Besatzung wegen seiner Geschäftstüchtigkeit ungeschoren davonkommt und mit den künftigen Besatzern lukrative Geschäfte machen kann. Julie Maillat (Jean-Paul Belmondo) soll ihm mit seinen Deutschkenntnissen helfen, mit den zukünftigen „Kunden“ in Verhandlung zu treten. 
Maillats ist allerdings vor allem daran interessiert, nach England zu kommen, scheitert aber immer wieder daran, auf eines der Evakuierungsschiffe zu gelangen. Während einer der vielen deutschen Luftangriffe gelingt es dem MG-Schützen Pinot (Georges Géret), ein deutsches Jagdflugzeug abzuschießen. Dadurch wird Captain Robinson (Ronald Howard) auf Pinot und Maillat aufmerksam und bedankt sich mit einem Tipp: Captain Gerald Clarck in Bray-Dunes würde Sondergenehmigungen ausstellen, mit denen es auch Franzosen möglich wäre, sich einschiffen zu lassen. Auf dem Weg zu Captain Clarck lernt Maillat Jeanne (Catherine Spaak) mit ihrer Schwester Antoinette (Marie-France Mignal) kennen. Jeanne ist von dem Gedanken besessen, ihr Haus beschützen zu müssen, und lässt sich auch dann nicht zur Flucht bewegen, als ihre Schwester zu Verwandten im Hinterland zieht… 

Kritik: 

Die dramatischen Ereignisse um die Evakuierung der bei Dünkirchen gestrandeten britischen und französischen (ebenso belgischen und kanadischen) Soldaten sind bereits in vielen Kriegsdramen thematisiert worden, in Leslie Normans „Dünkirchen“ (1958) ebenso wie zuletzt in Christopher Nolans dreifach Oscar-prämierten Meisterwerk „Dunkirk“ (2017). Henri Verneuil („Der Präsident“, „I wie Ikarus“) wählte 1964 allerdings einen anderen Ansatz, ließ das Kampfgeschehen nach dem Roman „Wochenend in Zuidcoote“ von Robert Merle nahezu komplett außen vor und machte nur durch die Luftangriffe der Deutschen deutlich, wie brenzlig die Situation der eingekesselten Soldaten der Alliierten war. 
Vielmehr konzentrierte sich der Filmemacher auf die Schicksale einzelner Soldaten, vor allem auf die französischen, die zwar recht orientierungslos wirken, dafür aber individuelle Überlebensstrategien entwickelt haben. Während der Pfarrer Pierson (Jean-Pierre Marielle) beispielsweise noch immer die Botschaft Gottes zu verbreiten sucht und seine Kameraden nervt, suchen andere ihr Heil in Schwarzmarkt-Geschäften oder Strategien, irgendwie auf eines der begehrten englischen Evakuierungsschiffe zu gelangen. 
Hier wird kein Widerstand gegen die drohende Kapitulation geprobt, sondern ganz allein auf sein eigenes Überleben spekuliert. Helden sucht man hier vergebens. Stattdessen stürzen sich zwei von Maillats Kameraden auf die hilflose Jeanne, doch bevor sie sie vergewaltigen können, werden sie von Maillat erschossen. Feinde hat er dagegen nicht getötet, nur eben zwei seiner Kameraden, was für eine Tragödie. So zeichnet Verneuil ein düsteres Bild irgendwie teilnahmslos wirkender Soldaten in einem Krieg, den sie nicht gewinnen können. Die seltsame, unglaubwürdige Liaison zwischen Maillat und Jeanne hätte sich der Film allerdings sparen können.  

Kommentare

Beliebte Posts