Zimmer mit Aussicht
Das Werk des britischen Schriftstellers Edward Morgan Forster (1879-1970) – kurz: E.M. Forster – ist mit sechs Romanen zwar nicht sehr umfangreich, aber die Tatsache, dass fünf davon mehr oder weniger erfolgreich verfilmt worden sind, deutet an, welchen Nachhall sein Werk im 20. Jahrhundert hatte. Nachdem sich David Lean 1984 Forsters Roman „A Passage to India“ angenommen hatte, tat sich vor allem James Ivory mit gleich drei Forster-Adaptionen hervor, beginnend mit dem komödiantischen Drama „Zimmer mit Aussicht“, das Helena Bonham Carter ihr großartiges Leinwanddebüt bescherte.
Inhalt:
Als die junge Engländerin Lucy Honeychurch (Helena Bonham Carter) im Frühjahr 1907 mit ihrer Cousine und Anstandsdame Charlotte Barlett (Maggie Smith) in Florenz ankommen, bringen sie beim Abendessen in ihrer vorab reservierten Pension ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass ihre Zimmer keine Aussicht auf den Arno bieten, wie es eigentlich vereinbart worden ist. Als ihre Tischgenossen, der freigeistige Landsmann Mr. Emerson (Denholm Elliott) und sein Sohn George (Julian Sands), ihnen anbieten, die Zimmer mit ihnen zu tauschen, reagiert Charlotte zunächst etwas pikiert über das unangemessene Verhalten.
Erst als der ebenfalls in der Pension logierende Reverend Beebe (Simon Callow), der die Pfarrei in Lucys Heimatgemeinde übernehmen wird, die Unverfänglichkeit des doch sehr freundlichen Angebots unterstreicht, sagen die beiden Damen dem Zimmertausch zu. Es ist der Anfang einer leicht romantischen Beziehung zwischen Lucy und George, denn als Lucy bei einem Ausflug ins Zentrum von Florenz Zeugin einer tödlichen Messerstecherei wird und in Ohnmacht fällt, ist George bei ihr, um sie wieder auf die Beine zu bringen und in die Pension zurückzubegleiten.
Während eines Ausflugs einiger Pensionsgäste nach Fiesole treffen sich George und Lucy unverhofft in einem Kornfeld wieder, wo George der überraschten Lucy aus einem Impuls heraus einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen drückt, was von Charlotte Bartlett beobachtet wird. Die alte Jungfer, die in ihrer Jugend einmal eine ähnliche Romanze mit unglücklichem Verlauf hatte, sorgt für eine sofortige Rückkehr nach England, wo Lucy dem Werben des pedantischen Müßiggängers Cecil Vyse (Daniel Day-Lewis) nachgibt. Ausgerechnet Cecil vermittelt den Emersons eine Villa in unmittelbarer Nähe, so dass sich Lucy und George wieder öfter zu sehen bekommen…
Kritik:
E.M. Forster hat in seinen Romanen vor allem die englische Gesellschaft unter die Lupe genommen und dabei die Klassenunterschiede im Besonderen. So wird die junge Lucy in „Zimmer mit Aussicht“ von zwei ganz unterschiedlichen Männern umworben. Während George der gefühl- und humorvolle Romantiker ist, der seine Angebeteten im Kornfeld einfach leidenschaftlich küsst, fragt der zugeknöpfte Cecil seine Verlobte erst um Erlaubnis, um dann eher ungeschickt kaum merklich ihre Lippen mit den seinen zu berühren.
In der Folge dreht sich die Story vor allem um die Lügen, die sich Lucy ausdenkt, um es den Beteiligten möglichst recht zu machen, vor allem ihrer Mutter (Rosemary Leach) und ihrer Cousine, während Lucys jüngerer Bruder Freddy (Rupert Graves) das Liebesgeplänkel eher mit Humor und Spielwitz kommentiert. Am meisten amüsiert jedoch Charlottes Ringen um die guten Manieren, wobei die alte Jungfer selbst unglückliche Erfahrungen mit einer Liebschaft gemacht hat und nun alles daransetzt, Lucy vor einer ähnlichen Tragödie zu bewahren, die Dinge dadurch aber nur komplizierter macht.
Die humorvollen Dialoge spielen sich dabei vor malerischen Kulissen ab, zunächst im schicken Florenz mit typischen Postkartenmotiven, dann auf den mondänen Landsitzen in England. Das fein abgestimmte Gleichgewicht zwischen den gut aufgelegten Darstellern, einem kurzweiligen Drehbuch und wunderschönen Bildern machen „Zimmer mit Aussicht“ zu einem Klassiker britischer Literaturverfilmungen.
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