In Liebe lassen

Die französische Schauspielerin und Regisseurin Emmanuelle Bercot („Clément“, „Madame empfiehlt sich“, „Die Frau aus Brest“) ist für ihre ruhig inszenierten Filme bekannt. Mit „In Liebe lassen“ (2021) thematisiert sie den Schmerz des Loslassens angesichts einer in sehr absehbarer Zeit tödlichen Krebserkrankung. Dass die Umsetzung souverän die Klippen des rührseligen Klischees umschifft, ist nicht nur der behutsamen Regie, sondern auch den Darstellern Benoît Magimel, Catherine Deneuve, Gabriel Sara und Cécile de France zu verdanken. 

Inhalt: 

Im Alter von 39 Jahren wird der Schauspiellehrer Benjamin (Benoît Magimel) mit der Nachricht konfrontiert, unheilbar an Bauchspeichelkrebs erkrankt zu sein und nicht mehr als ein Jahr zu leben zu haben. Das trifft vor allem seine Mutter Crystal (Catherine Deneuve) schwer, die daraufhin alles tut, um ihrem Sohn bei seinem Weg beizustehen. Dabei können sich Mutter und Sohn auf die empathische Fürsorge des Onkologen Dr. Eddé (Gabriel Sara) verlassen, der mit der Krankenschwester Eugénie (Cécile de France) auch dafür sorgt, dass die beiden mit ihrem Leben und ihren Beziehungen ins Reine kommen. Dazu zählt auch Benjamins im Ausland lebende Sohn Léandre (Oscar Morgan), der die Reise nach Frankreich ohne seine Mutter macht, weil er vor Ort selbst entscheiden will, wie er mit der Situation umgehen will… 

Kritik: 

Wenn Menschen durch Unfälle oder Krankheit viel zu früh aus dem Leben scheiden, ist es immer eine Tragödie, die Angehörige und Freunde schon mal an Gottes Plan und Liebe zweifeln lassen. Emmanuelle Bercot geht ohne falsche Scham und faule Kompromisse an das Thema einer in kurzer Zeit tödlich verlaufenden Krebserkrankung, die vor allem dem Opfer gerade so viel Zeit geben, sein bisheriges Leben zu reflektieren und zu überlegen, wie man die knapp bemessene restliche Zeit am besten verbringen soll. 
Der Schauspiellehrer Benjamin steckt seine noch verbleibende Energie ganz in die Ausbildung seiner talentierten Schüler und Schülerinnen, die er in unterschiedlichen Paarkonstellationen ausgerechnet eine Trennungsszene üben lässt. Sie scheinen stellvertretend die Leere in Benjamins Leben auszufüllen, der nur seine manchmal etwas übergriffige Mutter hat, aber keine irgendwie geartete Liebesbeziehung oder auch nur Freundschaften. Benjamin lebt ganz für das Theater, wird aber auf dem Sterbebett das Gefühl nicht los, versagt, nichts erreicht zu haben. 
Zum Glück befindet er sich bei Dr. Eddé in besten Händen. Gabriel Sara, der auch im echten Leben Onkologe ist und entsprechend auch als Berater für den Film tätig gewesen ist, bildet als Dr. Eddé den empathischen Ruhepol des Films. Gleich zu Beginn versammelt er die Belegschaft der onkologischen Station um sich und lässt seine Leute von den besonders schwierigen Momenten erzählen, die sie bei ihrer Arbeit erlebt haben, um sie dann mit einfühlsamen Ratschlägen wieder zu beruhigen und am Ende der Sitzung mit einem gemeinsam gesungenen Lied wieder aufzumuntern. 
Sein Credo lautet, den Patienten soviel Empathie wie möglich entgegenzubringen, ohne selbst getröstet werden zu müssen. 
In Liebe lassen“ beschränkt sich nicht nur auf den Prozess des langsamen Sterbens, sondern entwickelt auch einige Nebenhandlungen wie das Auftauchen von Benjamins Sohn, den der Vater nie kennengelernt hat, den Besuch einer Schülerin, der Benjamin besonders am Herzen liegt, und die zarte Romanze, die sich zwischen dem Krebspatienten und der Krankenschwester Eugénie entwickelt. Mit den nicht ganz so bedeutungsschwangeren Nebenhandlungen bewegt sich „In Liebe lassen“ etwas vom eigentlichen Kern der Geschichte weg, verliert an Intensität, doch vielleicht stünde das Sterben sonst auch zu sehr im Mittelpunkt. 
„In Liebe lassen“ ist ein authentisch wirkender Film über das Sterben und die Art und Weise, wie ein Sterbenskranker und seine Angehörigen mit dieser Situation umgehen. Dabei möchte man, sollte man selbst in diese Situation kommen, gern auf einen Stab von Ärzten und Pflegern zugreifen können, wie es hier demonstriert wird. 

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