Der Mann, der zweimal lebte

Seit seinem Kinoregiedebüt mit „Die jungen Wilden“ (1961) hat sich John Frankenheimer, ehemaliger Regisseur von Fernsehserien wie „Playhouse 90“, „Climax!“ und „Danger“, zu einem ebenso produktiven wie zumeist erfolgreichen Kinofilmer gemausert. Unter seiner Regie entstanden mit Hollywood-Stars wie Burt Lancaster, Kirk Douglas und Frank Sinatra Filme wie „Der Zug“, „Der Gefangene von Alcatraz“, „Sieben Tage im Mai“ und „Botschafter der Angst“. Besonders bedrückend ist ihm 1966 der Science-Fiction-Thriller „Der Mann, der zweimal lebte“ gelungen.

Inhalt:

Der ausgebrannte Bankier Arthur Hamilton (John Randolph) nimmt auf seinem Heimweg von der Grand Central Station in New York nach Scarsdale den Regionalzug und wird beim Einstieg in den Zug von einem Fremden mit Namen angesprochen, bevor dieser ihm einen handgeschriebenen Zettel in die Hand drückt. Als er auf seinem Sitzplatz den Zettel auseinanderfaltet, findet Hamilton nur eine Adresse darauf. Seine Nervosität wird zuhause noch dadurch gesteigert, dass sich sein totgeglaubter Freund Charlie Evans (Murray Hamilton) am Telefon meldet, was er durch Details aus Hamiltons Leben bestätigt. Beunruhigt zeigt sich auch Hamiltons Frau Emily (Frances Reid), die er nicht mehr liebt und der er sich auch sonst nicht öffnet. Am nächsten Tag sucht er die geheimnisvolle Adresse auf, wird an einen weiteren Ort verwiesen und in Schlaf versetzt. Später trifft er im Büro der Company Mr. Ruby (Jeff Corey). Als sich Hamilton weigert, eine neue Identität anzunehmen, die ihn 30.000 Dollar kostet, damit er die Last seines alten Lebens ablegen und ein neues nach seinen eigenen Wünschen leben kann, zeigt Ruby ihm allerdings einen Film, in dem Hamilton eine Frau vergewaltigt – was offensichtlich in der Zeit geschah, als Hamilton sich schlafend gewähnt hatte. Ruby überzeugt Hamilton, dass es zu spät sei, in sein Leben zurückzukehren und macht ihm ein Angebot. Ein vorgetäuschter Unfalltod und eine hoch entwickelte Spezialchirurgie könnten ihm zu einem zweiten Leben verhelfen. So wird aus dem Bankier der weit jüngere Antiochus „Tony“ Wilson (Rock Hudson), der in einem luxuriösen Strandhaus in Malibu, Kalifornien, ein Leben als Kunstmaler führt. Doch auf einer Party verliert der betrunkene Tony die Kontrolle. Als er inkognito seine ehemalige Heimat und seine Frau aufsucht, wird er zum Sicherheitsrisiko. Die Organisation leitet eine neue Phase ein…

Kritik:

Thematisierte Frankenheimer mit „Sieben Tage im Mai“ und „Botschafter der Angst“ noch die Skepsis an Regime und Weltordnung, geht er mit dem düster-existentialistischen Post-Noir-Drama „Der Mann, der zweimal lebte“ noch einen Schritt weiter, findet für die Fragen nach Identität und zweiten Chancen eine niederschmetternde Antwort, die sich von Beginn an in der Atmosphäre des Films bemerkbar macht. Das liegt vor allem an der vorzüglichen Kameraarbeit des zweifachen Oscar-Gewinners und Film-noir-Altmeisters James Wong Howe („Auch Henker sterben“, „Der Wildeste unter Tausend“, „Die tätowierte Rose“), der die bedrückende Atmosphäre durch schiefe Kamerawinkel in irritierenden Nah- und Großaufnahmen einfängt. Vor allem das Happening im Stil eines Bacchanals, das der Protagonist mit seiner neu gewonnenen Freundin Nora Marcus (Salome Jens) besucht, erweist sich als markanter Höhepunkt eines Paranoia-Thrillers, in dem Hudsons Figur als hilfloser Spielball einer mächtigen Institution dargestellt wird. „Seconds“ – so der Originaltitel – fesselt mit einem fesselnden Plot, suggestiven Bildern, einem verstörend hypnotischen Score von Jerry Goldsmith („Outland“, „Das Omen“, „Alien“) und großartigen Darstellern, die das Spiel mit den neuen Identitäten überzeugend auf die Leinwand bringen.

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