Händler der vier Jahreszeiten
Mit seinen ersten Arbeiten als Filmregisseur – „Liebe ist
kälter als der Tod“ (1969), „Katzelmacher“ (1969), „Götter der
Pest“ (1969), „Niklashauser Fart“ (1970), um nur einige zu nennen – hat
sich Rainer Werner Fassbinder sein eigenes Filmuniversum geschaffen, zu
dem die Massen noch keinen Zugang finden sollten/wollten. Das änderte sich, als
sich der Autorenfilmer intensiver mit dem Werk von Douglas Sirk („Was
der Himmel erlaubt“, „In den Wind geschrieben“) auseinandergesetzt hat, der
gerade in den 1950er Jahren mit seinen Filmen immer wieder unterschwellig
Kritik am repressiven Lebensstil und den strengen Gesellschaftsregeln in
Amerika geübt hatte. Als Ergebnis inszenierte Fassbinder 1971 mit „Händler
der vier Jahreszeiten“ einen Film, der sich vor allem thematisch sehr zugänglich
präsentierte.
Inhalt:
Um nicht mehr unter seiner hartherzigen, ihn und seine
beiden Schwestern Anna (Hanna Schygulla) und Heide (Heide Simon) allein
aufziehende Mutter (Gusti Kreissl) zu leiden, hatte sich Hans Epp (Hans
Hirschmüller) für die Fremdenlegion rekrutieren lassen und musste den anschließenden
Polizeidienst quittieren, weil er sich bei der Aufnahme der Personalien einer Nutte
Marile (Elga Sorbas) zur Fellatio verführen ließ. Die Frau (Ingrid
Caven), die ihn liebt, will ihn nicht heiraten, da er ihrer Familie nicht
standesgemäß erscheint. Sie akzeptiert ihn nur als Liebhaber. So heiratet er
Irmgard (Irm Hermann), mit der er eine Tochter zeugt.
Gemeinsam betreiben sie nun das Obstgewerbe. Irmgard zeigt
allerdings wenig Achtung vor Hans, ist oft mürrisch, misstrauisch und
verständnislos. Mehr Verständnis findet Hans bei seiner intellektuellen
Schwester Anna, die in einer entscheidenden Situation allerdings auch keine
Zeit für ihn hat. Kein Verständnis zeigen dagegen seine zweite Schwester Heide
und deren karrieristischer Ehemann Kurt (Kurt Raab). Die ihn nicht
beglückende Ehe mit Irmgard führt Hans dazu, sich häufig zu betrinken.
Solchermaßen alkoholisiert, verprügelt er Irmgard im Ehebett, im Beisein der
Tochter. Als Reaktion auf das von Irmgard eingereichte Scheidungsersuchen
erleidet Hans einen Herzinfarkt. Während seines Krankenhausaufenthalts betrügt
ihn Irmgard mit Anzell (Karl Scheydt), einer Zufallsbekanntschaft. Das
Ehepaar findet aber wieder zusammen, das ambulante Gewerbe wird fortgeführt; es
floriert sogar so sehr, dass ein zweiter Verkaufskarren angeschafft werden
kann. Da Hans aufgrund des Herzleidens keine schwere Arbeit mehr leisten kann –
aus demselben Grund muss er sich vom Alkohol fernhalten –, wird ein Gehilfe
eingestellt. Die Wahl fällt dabei ausgerechnet auf Anzell, Irmgards
Ex-Liebhaber. Dieser erweist sich zwar als tüchtig, aber er wird von Irmgard,
der die Situation peinlich ist, mit Hilfe einer Intrige weggemobbt. Hans, den
es wieder in die Kneipe treibt, trifft dort auf Harry (Klaus Löwitsch),
einen guten Freund aus seiner Zeit als Fremdenlegionär. Harry übernimmt die
Gehilfenstelle, zieht zu Hans und seiner Familie und wird auch von Irmgard und
Tochter Renate anerkannt. Mit Harrys Hilfe floriert das Geschäft, Hans erntet
erstmals Respektsbekundungen bei Nachbarn, Freunden und Verwandten. Gleichwohl
fühlt er sich zunehmend überflüssig und verfällt in Depressionen…
Kritik:
„Händler der vier Jahreszeiten“ – es ist die wörtliche
Übersetzung der französischen Bezeichnung eines fahrenden Obst- und
Gemüsehändlers (marchand des quatre-saisons) – ist zwar in den
Wirtschaftswunderjahren der Adenauer-Ära in den 1950er Jahren angesiedelt, doch
die thematisierte Unterdrückung eines Mannes durch die Frauen in seinem Leben ist
ebenso persönlich wie universell. Im Mittelpunkt steht der fahrende Obst- und
Gemüsehändler Hans Epp, der zunächst daran scheitert, den überhöhten Ansprüchen
seiner Mutter gerecht zu werden, die darauf drängt, dass Hans einen Beruf erlernt,
bei dem er sich nicht die Hände schmutzig macht, der etwas hermacht.
Diese grundlegende
Enttäuschung setzt sich in Hans‘ späteren Liebesleben fort. Für die namenlose
Frau taugt er nur als Liebhaber, weil er gesellschaftlich nicht ihren
Ansprüchen genügt, so dass die Heirat mit der spröden Irmgard wie eine Notlösung
wirkt, die ihn aber trotz wirtschaftlichem Erfolg in die Depression treibt.
Hans
treibt ebenso wie die Menschen um ihn herum in einer Welt der unaufgelösten
Widersprüche, in der Gewalt und Liebe unversöhnlich nebeneinanderstehen. Das
wirkt gerade zu Anfang etwas hölzern und statisch in der Schauspielführung,
entwickelt sich aber zu einem durchaus ergreifenden Melodram, dessen
Filmsprache bewusst an einen breiteren Publikumsgeschmack orientiert war.








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