Die Ehe der Maria Braun
Kaum einer hat die Befindlichkeiten im Nachkriegsdeutschland
bis in die frühen 1980er Jahre so treffend eingefangen wie der umtriebige Autorenfilmer
Rainer Werner Fassbinder. Ein Höhepunkt seines Schaffens stellt fraglos
der bereits bei der Uraufführung auf den Berliner Filmfestspielen am 20.
Februar 1979 gefeierte Auftakt seiner BRD-Trilogie dar, „Die Ehe der Maria
Braun“, einmal mehr getragen von der großartigen Hanna Schygulla in
der Hauptrolle und Michael Ballhaus‘ grandioser Kameraarbeit.
Inhalt:
Während seines Fronturlaubs im Jahr 1943 heiratet de Soldat
Hermann Braun (Klaus Löwitsch) seine Freundin Maria (Hanna Schygulla),
während das Standesamt während eines Luftangriffs der Alliierten in Schutt und Asche
gelegt wird. Bereits am nächsten Tag jedoch wird Braun an die Front geschickt
und überlässt die frischgebackene Gattin notgedrungen sich selbst, die mit
ihrer Mutter (Gisela Uhlen) und ihrem Großvater (Anton Schiersner) zusammenlebt und als Bar- und Animierdame
der GIs für den Lebensunterhalt der Familie sorgt. Als einige Zeit später
Willy (Gottfried John) aus dem Krieg zurückkehrt und von Hermanns Tod
berichtet, lässt Maria – mittlerweile Animierdame der GIs – sich auf eine
Affäre mit dem Amerikaner Bill (George Byrd) ein, der sie mit begehrten
Gütern wie Nylonstrümpfen versorgt.
Als ihr überraschend heimkehrender Ehemann sie mit dem
nackten Schwarzen im Schlafzimmer erwischt, rangeln die beiden Männer
miteinander, aber es ist die mit der Situation völlig überforderte Maria, die Bill
erschlägt. Dem Gefängnis entgeht sie, da Hermann die Schuld auf sich nimmt und an
Marias Stelle inhaftiert wird, woraufhin Maria ein weiteres Mal von ihrer
großen Liebe getrennt wird. Hanna besucht ihren Mann regelmäßig im Gefängnis
und beginnt als Sekretärin für den Industriellen Karl Oswald (Ivan Desny)
zu arbeiten. Doch der knüpft ihre berufliche Karriere an ein dauerhaftes
sexuelles Verhältnis mit der Angestellten...
Kritik:
Fassbinder hat eine bemerkenswerte Klammer für sein
Drama „Die Ehe der Maria Braun“ eingesetzt, Portraits von Adolf
Hitler zu Anfang und von Konrad Adenauer am Ende, dazu Explosionen,
die wie Zäsuren im Leben der Titelfigur wirken. Eingerahmt von den Bildern zweier
Männer, die die Seele des deutschen Volkes verraten haben, erzählt Fassbinder
die Geschichte einer Frau, die sich allein in dem von Männern dominierten Wirtschaftswunder-Deutschland
der unmittelbaren Nachkriegszeit durchschlagen muss und immer mehr Abstand zu
ihren Gefühlen gewinnt, um mit den Waffen der Frau auf der Karriereleiter und im
gesellschaftlichen Status aufzusteigen. Doch der damit einhergehende Wohlstand ist
teuer erkauft. 1954, als Oswald stirbt und Hermann zurückkommt, um mit Maria
Oswalds Erbe anzutreten, wird Maria bewusst, dass die beiden Männer einen Pakt
geschlossen hatten, in dem Hermann so lange auf seine Frau verzichten musste, bis
Oswald verstarb. Dafür sollte Hermann die Hälfte von Oswalds Vermögen erhalten.
Maria, die ihrem Lebensplan bisher alles skrupellos unterordnete, erkennt, dass
sie selbst wie eine Ware zwischen den beiden Männern gehandelt wurde. Obwohl
reich an Gütern ergeht es Maria nicht anders als den Trümmerfrauen, nur dass es
ihre Gefühlswelt ist, die in Trümmern liegt. Michael Ballhaus
unterstreicht Marias emotionale Isolation mit einer immer wiederkehrenden
Gitter-Symbolik, mit Einstellungen in der Halbtotalen und unterkühlten Farben.
Wenn das Finale des Films mit der Reportage vom Endspiel der
Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Ungarn und Deutschland unterlegt wird,
unterstreicht dies nur den Kontrast zwischen dem Wohlstand in Deutschland und
Marias Leben einer- und Marias innerer Leere andererseits. Für Fassbinder
bedeutete der künstlerische Erfolg von „Die Ehe der Maria Braun“ auch
die ersehnte Anerkennung aus dem Ausland, und zusammen mit Volker
Schlöndorffs Oscarerfolg „Die Blechtrommel“ avancierte der
Film zum Aushängeschild des Neuen Deutschen Films.
„Die Ehe der Maria Braun“ war der Auftakt zu Fassbinders
sogenannter BRD-Trilogie; es folgten „Lola“ (1981) und „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ (1982),
die ebenfalls anhand von Frauenschicksalen Aspekte der Nachkriegsgeschichte
beleuchteten.








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