Lili Marleen
Mit Filmen wie „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“
(1972), „Welt am Draht“ (1973), „Angst essen Seele auf“ (1974)
und „Die Ehe der Maria Braun“ (1978) hat sich Rainer Werner
Fassbinder in den 1970er Jahren zum wichtigsten deutschen Autorenfilmer
entwickelt, der dann auch mit internationalen Stars und großen Budgets
hantieren durfte, so auch bei der Auftragsarbeit „Lili Marleen“ (1981), für
die ihm satte zehn Millionen DM zur Verfügung standen – und Hauptdarstellerin Hanna
Schygulla, mit der Fassbinder eigentlich nicht mehr zusammenarbeiten
wollte, die sich aber für ihn als Regisseur eingesetzt hatte. Herausgekommen
ist ein lose auf dem Leben der „Lili Marleen“-Sängerin Lale Anderson
beruhendes Liebesdrama während der NS-Diktatur mit imposanten Schauwerten, aber
wenig Tiefe.
Inhalt:
Verschuldet, aber bis über beide Ohren ineinander verliebt leben
die Sängerin Willie (Hanna Schygulla) und der Komponist Robert (Giancarlo
Giannini) 1938 in Zürich das Leben eines typischen Künstlerpaars. Doch die
romantische Idylle fällt in sich zusammen, als Aaron (Gottfried John) Robert
einen Auftrag im Namen von Roberts Vater übermittelt. David Mendelsson (Mel
Ferrer) ist nämlich ein wohlhabender Mann, der mit seiner Hilfsorganisation
Juden und jüdisches Vermögen aus Deutschland herausholt. Obwohl sein Vater die
Beziehung seines Sohnes zu einer Deutschen als ein Risiko betrachtet, hält
Robert an der Beziehung fest. Bei einem Auftritt in Zürich erweckt Willie die
Aufmerksamkeit von zwei Deutschen in Zivil, dem SS-Gruppenführer Hans Henkel (Karl-Heinz
von Hassel) und dessen Adjutanten von Strehlow (Erik Schumann).
Henkel, der als Beauftragter Goebbels für Kultur in München arbeitet, will
Willie für eine Karriere in Deutschland gewinnen, woran sie zunächst nicht
interessiert ist. Doch als sie Robert auf Wunsch seines Vaters für seine Aufträge
nach Deutschland begleitet, wird Willie an der Grenze die Wiedereinreise in die
Schweiz verweigert, da Mendelsson die Sängerin bei der Ausländerpolizei angeschwärzt
hat. Während Robert sich nach dieser Scharade seines Vaters aus der
Organisation zurückzieht und sich wieder auf die Musik konzentriert, sucht die
verzweifelte Willie Henkel in München auf, der ihr einen Auftritt im „Simpl“
besorgt, wo sie die Bekanntschaft des Pianisten Taschner (Hark Bohm)
macht. Als Willie das bis dahin unbekannte Lied „Lili Marleen“ singt, kommt es
zu einer Schlägerei im Publikum, doch während Willie entsetzt ist, Henkel und
von Strehlow so begeistert, dass sie „Lili Marleen“ auf Schallplatte aufnehmen
lassen, während Hitler gerade den Angriff auf Polen als Verteidigung verkauft.
Als der deutsche Wehrmachtssender nach der Einnahme von
Belgrad mehr zufällig „Lili Marleen“ spielt, wird das Lied zu einem Hit unter
den Soldaten, später auch bei alliierten Sendern. Willie macht Karriere. Sie
und Taschner ziehen in ein luxuriöses Haus, das der Führer persönlich für sie
bereitgestellt hat. Robert dagegen, den die Gestapo überwacht, wird mit
falschem Pass festgenommen. Und auch Willie gerät in Gefahr, weil sie für die
Organisation in der Schweiz einen Film über die Situation in den
Konzentrationslagern geschmuggelt hat. Noch schützt sie ihr Ansehen bei Hitler,
vor allem aber ist es von Strehlow, der sie vor dem Schlimmsten bewahrt: Er
nimmt den Film an sich und leitet ihn an Mendelsson weiter. Was sie nicht weiß:
Robert hat inzwischen auf Druck seines Vaters Miriam (Christine Kaufmann)
geheiratet...
Kritik:
„Lili Marleen“ erzählt die Geschichte eines echten
Sehnsuchtsschlagers, der den Soldaten in den Schützengräben ein Gefühl von
Heimat schenkte – und ihren Willen stärken sollte, diese wiederzusehen. Dass Goebbels
dem Lied eine morbide Note unterstellte, einen demoralisierenden
Leichengeruch, konnte nichts daran ändern, dass Lale Anderson von Adolf
Hitler eine Villa spendiert bekam, so sehr schätzte er den Song, der auf einem
Gedicht beruht, das Hans Leip 1915 auf dem Weg zur Front verfasst hatte und
erst über 20 Jahre später von Nobert Schultze eine Melodie
maßgeschneidert bekam. Auch Fassbinder schien ein Faible für „Lili
Marleen“ gehabt zu haben, ertönt es doch auf fast schon repetitive Weise durch
den ganzen Film. Dieser Umstand täuscht aber nicht darüber hinweg, dass „Lili
Marleen“ natürlich auch eine dramatische Liebesgeschichte zwischen einer
Deutschen und einem Juden erzählt, die durch politische Grenzen und familiäre
Intrigen getrennt werden. Und der Film thematisiert – wenn auch nur oberflächlich
– den Aufstieg einer Sängerin, die ihren Erfolg einer politischen Machtelite
verdankt, mit der sie eigentlich nichts zu tun haben will. Der Film überzeugt
vor allem durch Hanna Schygullas starke Präsenz, aber auch einmal mehr
durch Xaver Schwarzenberger opulente Farbdramaturgie in poppigen Farben,
die auch vor dem Kriegsgeschehen nicht halt machen. Dafür wurden übrigens Outtakes
aus Sam Peckinpahs Kriegsfilm „Steiner – Das Eiserne Kreuz“ verwendet.
Die opulenten Schauwerte und die dramatische Liebesgeschichte können aber nicht
darüber hinwegtäuschen, dass „Lili Marleen“ sich wenig mit der
Psychologie seiner Figuren auseinandersetzt und eher oberflächlichen Reizen
verhaftet bleibt.








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