Bereits bei „Fontane Effi Briest“ (1974) hat der
Autorenfilmer Rainer Werner Fassbinder sich mit Klassenunterschieden und
der Ausbeutung in einem kapitalistischen System auseinandergesetzt. Dieses
Thema bestimmt auch „Faustrecht der Freiheit“ (1975), wobei Fassbinder
den Film in einem fast rein homoerotischen Kontext stellt und Fassbinder selbst
eine der Hauptrollen übernimmt, die nicht zufällig auf den Namen Franz Bieberkopf
hört – Biberkopf (ohne „e“) war die tragische Hauptfigur in Alfred Döblins
Roman „Berlin Alexanderplatz“, den Fassbinder 1980 als
Fernsehserie adaptieren sollte.
Inhalt:
Der Schausteller Franz Bieberkopf (Rainer Werner
Fassbinder) tritt unter dem Künstlernamen Fox, der sprechende Kopf
auf Jahrmärkten auf. Nach der Verhaftung seines Arbeitgebers und Lebensgefährten
Klaus (Karl Scheydt) ist er arbeitslos, abgebrannt und allein. Immerhin
kann er in München bei seiner älteren Schwester Hedwig (Christiane Maybach)
unterkommen, einer alternden Prostituierten, die ebenfalls allein und
alkoholabhängig ist. Allerdings glaubt Franz fest daran, eines Tages im Lotto
zu gewinnen. An einem Freitag lernt er in einer Klappe den vermögenden Antiquitätenhändler
Max (Karlheinz Böhm) kennen, ergaunert sich bei einem Blumenhändler die
nötigen 10 Mark für den Wetteinsatz und schafft es tatsächlich in letzter
Minute, den Schein noch abzugeben. Als Franz tatsächlich 500.000 Mark im Lotto
gewinnt, wird er nun auch für Max’ recht arrogante Freunde interessanter,
darunter vor allem den Unternehmersohn Eugen Thiess (Peter Chatel). Da
die Buchbinderei, die Eugen mit seinem auch am Arbeitspatz trinkfreudigen Vater
(Adrian Hoven) führt, in finanzielle Schieflage geraten ist, nutzt er
die Gunst der Stunde, trennt sich von seinem bisherigen Freund, dem
Boutiquenbesitzer Philipp (Harry Baer), und geht eine Beziehung mit dem
Proletarier Franz ein. Der erklärt sich bereit, der Firma ein Darlehen über
100.000 Mark zu gewähren und als Ungelernter in der Firma seines Lovers zu
arbeiten. Allerdings weiß er nicht, dass der Monatslohn in Höhe von 5000 Mark zur
Rückzahlung des Darlehens zählen. Eugen lässt eine gemeinsam bezogene
Eigentumswohnung mit teuren Antiquitäten ausstatten, aber von Franz bezahlen,
ebenso einen Urlaub in Marokko. Da Eugen aber stets versucht, Franz die
Verhaltensweisen und den Lebensstil gehobener Kreise beizubringen, kommt
es immer öfter zu Reibereien, bis Franz sogar einen Arzt aufsuchen muss und
Valium verschrieben bekommt. Dabei will Franz doch nur so sein können, wie er
ist…
Kritik:
Es ist der Traum des kleinen Mannes, der sich in Form eines formidablen
Lottogewinns verwirklicht, den Rainer Werner Fassbinder in „Faustrecht
der Freiheit“ schildert. Die halbe Million Mark verschafft dem ehemaligen Schausteller
Zutritt zur besseren Gesellschaft, mit deren Habitus er allerdings wenig
anfangen kann. Er fühlt sich nicht in noblen Restaurants wohl, kann klassischer
Musik nichts abgewinnen, eleganter Kleidung ebenso wenig wie Champagner oder
der französischen Sprache, die er nicht beherrscht. Fassbinder macht
sehr schnell deutlich, dass Franz in diesen höheren gesellschaftlichen Gefilden
nicht wirklich willkommen ist, wohl aber sein Geld, das nicht nur die Firma
seines neuen Liebhabers rettet, sondern auch dessen extravaganten Geschmack. Das
Drama entwickelt sich aus den unterschiedlichen Perspektiven: Franz geht allein
seinen Gefühlen nach, das Geld ist ihm nicht wichtig, wohl aber der Umstand,
dass das Geld dabei hilft, dem Objekt seiner Liebe die erdrückende Last der Angst
um die eigene Existenz zu nehmen. Eugen wiederum lebt ganz im ökonomischen
Kalkül, schickt seinen derzeitigen Lover in die Wüste, weil Franz in ökonomischer
Hinsicht wertvoller ist. Und Franz wiederum kann nicht verhindern, dass das
Geld ihn selbst entfremdet, von seinen früheren Freunden in der proletarischen
Schwulenkneipe ebenso wie von sich selbst. Das erzählt Fassbinder in einem ebenso
satirischen wie einfühlsamen Ton.

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