Mit Meisterwerken wie „American Beauty“ (1999), „Road
to Perdition“ (2002) und „Zeiten des Aufruhrs“ (2008) hat sich der
britische Filmemacher Sam Mendes in den Kino-Olymp katapultiert, gefolgt
von den beiden James-Bond-Abenteuern „Skyfall“ (2012) und „Spectre“
(2015) sowie dem Kriegsdrama „1917“ (2019). Etwas untergegangen ist dagegen
sein letzter Film, das Anfang der 1980er Jahre an der englischen Küste spielende
Drama „Empire of Light“ (2022).
Inhalt:
Hilary (Olivia Colman), die an einer bipolaren
Störung leidet, kehrt nach einer erzwungenen Auszeit als Service-Leiterin in
das von Mr. Ellis (Colin Firth) geführte „Empire Cinema“ an der südenglischen
Küste zurück. Im Pausenraum herrscht ausgelassene Stimmung, bis Ellis Hilary in
sein Büro beordert und sich von ihr mit der Hand befriedigen lässt. Überhaupt
erweist sich das Kino für Hilary als einziger Ort der sozialen Interaktion, vor
allem als sie mit dem Schwarzen Stephen (Michael Ward) einen neuen
Angestellten anlernt, zu dem sie sich sofort hingezogen fühlt. Im Obergeschoss,
wo sich die heruntergekommenen Ruinen eines weiteren Kinos befinden, kommen
sich Hilary und Stephen allmählich näher. Er versorgt unter Hilarys staunendem
Blick eine Taube mit gebrochenem Flügel, an Silvester gibt es auf dem Dach zum
Feuerwerk den ersten Kuss. Doch in den Thatcher-Jahren zu Beginn der 1980er
Jahre herrscht ein bedrückendes Klima aus Arbeitslosigkeit, Nationalismus und
Rassenhass, den Stephen immer wieder zu spüren bekommt…
Kritik:
Mit „Empire of Light“ präsentiert der Oscar-prämierte
Regisseur Sam Mendes sein erstes komplett eigenes Drehbuch, das ähnlich wie Kenneth
Branaghs „Belfast“ und Steven Spielbergs „Die Fabelmans“ Reflexionen
über die eigene Kindheit mit einer Liebeserklärung zum Kino verbindet. Letztes
wird bereits in der Eingangseinstellung zum Ausdruck gebracht, wenn Hilary das
Licht im Foyer des Kinos anschaltet und die einmal elegant von Roger Deakins
(„No Country For Old Men“, „Prisoners“) geführte Kamera über rotgoldene
Teppiche und die Auslage mit den Snacks schweift. Im Mittelpunkt steht
allerdings die zarte, jedoch nicht ganz unkomplizierte Liebesbeziehung zwischen
der psychisch kranken Hilary und dem jungen Stephen, der kurz vor dem Absprung
an die Uni steht. Mendes nimmt sich viel Zeit, das Kennenlernen der beiden und
ihre Begegnungen zu erzählen, und profitiert dabei von der einnehmenden
Schauspielkunst der Oscar-Gewinnerin Olivia Colman („The Favourite“, „The
Crown“), die überzeugend den Wandel von der lebensfrohen, leidenschaftlichen
Service-Leiterin und den von Depression, Wut und Einsamkeit geprägten Phasen ihrer
psychotischen Störung verkörpert. Vor allem die Ausbeutung der Frau wird zum
Thema, aber auch ihr Kampf gegen den umgreifenden Rassismus.
Doch von den immer wieder schönen Bildern, die Deakins
im Reich des Kinos einfängt, und der ungewöhnlich melancholisch-einfühlsamen
Musik von Trent Reznor und Atticus Ross („The Social Network“,
„Bones and All“) hat der Film erschreckend wenig Originelles zu erzählen,
zumal Mendes die Atmosphäre der gesellschaftlichen Unruhe und Kälte zu
der Zeit kaum berücksichtigt. So bietet „Empire of Light“ ansehnliches
Gefühlskino mit tollen Bildern und einer stark aufspielenden Hauptdarstellerin,
doch im Vergleich zu Mendes‘ frühen Meisterwerken bleibt das Melodram enttäuschend
blass.
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