Im Schatten des Zweifels
Mit seinem sechsten Film, den Alfred Hitchcock in Hollywood drehte, betrat der Master of Suspense in vielerlei Hinsicht Neuland. So drehte er mit „Im Schatten des Zweifels“ (1943) nicht nur seine eigene düstere Version des typisch amerikanischen Kleinstadt-Dramas, sondern filmte ihn nicht – wie sonst üblich – überwiegend im Studio, sondern in einem realen Haus in der kalifornischen Kleinstadt Santa Rosa. Im Gegensatz zu den patriotischen Tönen, die zu jener Zeit in Hollywood gefragt waren, präsentierte Hitchcock in seinem Lieblingsfilm die Abgründe der kleinbürgerlichen Wohlanständigkeit.
An der Schwelle zum Erwachsenwerden hadert die junge Charlie (Teresa Wright) auf dem Bett in ihrem mit der Langeweile und Eintönigkeit in ihrem Leben, versucht mit ihrem liebenswerten Vater, dem Bankangestellten Joseph Newton (Henry Travers), aber auch zu überlegen, wie man der überarbeiteten Mutter (Patricia Collinge) etwas Gutes tun könnte. Ein Besuch ihres geliebten Onkels Charlie (Joseph Cotten) könnte zum Beispiel Wunder wirken, schließlich haben Mutter und ihr Bruder sich immer so gut verstanden. Wie es der Zufall oder das Schicksal so will, sucht dieser Charles Oakley gerade einen Unterschlupf, als er bemerkt, dass ihm in New York die Polizei auf den Fersen ist, und beschließt, nach Santa Rosa zur Familie seiner Schwester zu fahren.
Sowohl seine Schwester als auch seine Nichte können ihr Glück kaum fassen. Als großstädtischer Geschäftsmann verteilt er großzügige Geschenke und Sympathien, eröffnet in der Bank, in der sein Schwager arbeitet, ein Konto mit einer Bareinlage von 30.000 Dollar und genießt seine Unabhängigkeit. Doch dann tauchen die beiden Detectives Graham (Macdonald Carey) und Saunders (Wallace Ford) auf, geben sich als Interviewer aus, die das Bild einer amerikanischen Durchschnittsfamilie einfangen wollen. Onkel Charlie verwehrt sich nicht nur dagegen, fotografiert zu werden, sondern hält den ganzen Aufwand für überflüssig. Als sich die naive Charlie mit dem Graham verabredet, gesteht er ihr, dass ihr Onkel ein Verdächtiger in den Morden wohlhabender Witwen sein könnte. Mit dieser Nachricht ist Charlies Zweifel an der Redlichkeit ihres Onkels gesät. Als sie in der Bibliothek nach einem Zeitungsartikel sucht, den ihr Onkel aus dem Exemplar zuhause entfernt hat, stößt sie auf den Namen einer der ermordeten Witwen, deren Initialen zufälligerweise mit denen in dem Smaragdring übereinstimmen, den ihr Onkel Charlie geschenkt hat …
So wie die beiden Detektive in „Im Schatten des Zweifels“ vorgeblich nach der amerikanischen Durchschnittsfamilie suchen, hat sich Hitchcock auf ihn ungewöhnliches Terrain gewagt und nicht nur eine reale Stadt als Kulisse ausgesucht (ein staatliches Kriegskomitee begrenzte nämlich die Ausgaben für Filmsets), sondern demontiert auf unnachahmliche Weise den kleinbürgerlichem Kleinstadtmief. Geschickt stellt er dabei die beiden Charlies als zwei Seiten einer Medaille gegenüber. Als Charles Oakley mit einer Zigarre in der Hand auf dem Bett seines Zimmers eingeführt wird und etliche Dollarscheine achtlos auf der Kommode und dem Boden verstreut sind, während ihn die Hausdame über den Besuch zweier Herren informiert, weiß der Zuschauer sofort, dass der Kerl nicht ganz koscher sein kann. Auch seine Nichte mit gleichem Namen wird auf dem Bett liegend eingeführt, aber ihr Zimmer ist nicht nur heller ausgeleuchtet, sondern sie wirkt auch selbst wie eine gänzlich unschuldige Teenagerin, die sich um das Wohl ihrer Familie sorgt und ganz aus dem Häuschen ist, als sich der Besuch ihres geliebten Onkels ankündigt.
Zusammen mit Autor Thornton Wilder („Unsere kleine Stadt“) hat Hitchcock bis zuletzt an dem Drehbuch gefeilt, das geschickt das Eindringen dunkler menschlicher Triebe in die kleinstädtische Unschuld beschreibt. Der Ring, den Onkel Charlie unbedachterweise seiner Nichte schenkt, wird verändert dabei seine symbolische Bedeutung eines Geschenks aus Zuneigung zu einem Zeichen des Verrats und der Gefahr. Allerdings verzichtet Hitchcock auf eine simplifizierende Schwarz-Weiß-Malerei und stattet den vermeintlichen Witwen-Mörder durchaus mit sympathischen Zügen aus, der sich schließlich auf das Angebot seiner liebreizenden Nichte einlässt, die Stadt mit dem Zug zu verlassen, bevor Mutter von der bevorstehenden Verhaftung ihres über alles geliebten Bruders erfährt. „Im Schatten des Zweifels“ gilt als einer der persönlichsten Filme Hitchcocks, weil er nicht nur viele biografische Details in die Dialoge (z.B. den Namen der Mutter) eingeflochten hat, sondern weil die beiden Charlies auch die Elemente in Hitchcocks Persönlichkeit widerspiegeln. Davon abgesehen gab der Film dem Regisseur die Möglichkeit, trotz der spannenden Dramaturgie die Charaktere zu entwickeln.
"Im Schatten des Zweifels" in der IMDb
An der Schwelle zum Erwachsenwerden hadert die junge Charlie (Teresa Wright) auf dem Bett in ihrem mit der Langeweile und Eintönigkeit in ihrem Leben, versucht mit ihrem liebenswerten Vater, dem Bankangestellten Joseph Newton (Henry Travers), aber auch zu überlegen, wie man der überarbeiteten Mutter (Patricia Collinge) etwas Gutes tun könnte. Ein Besuch ihres geliebten Onkels Charlie (Joseph Cotten) könnte zum Beispiel Wunder wirken, schließlich haben Mutter und ihr Bruder sich immer so gut verstanden. Wie es der Zufall oder das Schicksal so will, sucht dieser Charles Oakley gerade einen Unterschlupf, als er bemerkt, dass ihm in New York die Polizei auf den Fersen ist, und beschließt, nach Santa Rosa zur Familie seiner Schwester zu fahren.
Sowohl seine Schwester als auch seine Nichte können ihr Glück kaum fassen. Als großstädtischer Geschäftsmann verteilt er großzügige Geschenke und Sympathien, eröffnet in der Bank, in der sein Schwager arbeitet, ein Konto mit einer Bareinlage von 30.000 Dollar und genießt seine Unabhängigkeit. Doch dann tauchen die beiden Detectives Graham (Macdonald Carey) und Saunders (Wallace Ford) auf, geben sich als Interviewer aus, die das Bild einer amerikanischen Durchschnittsfamilie einfangen wollen. Onkel Charlie verwehrt sich nicht nur dagegen, fotografiert zu werden, sondern hält den ganzen Aufwand für überflüssig. Als sich die naive Charlie mit dem Graham verabredet, gesteht er ihr, dass ihr Onkel ein Verdächtiger in den Morden wohlhabender Witwen sein könnte. Mit dieser Nachricht ist Charlies Zweifel an der Redlichkeit ihres Onkels gesät. Als sie in der Bibliothek nach einem Zeitungsartikel sucht, den ihr Onkel aus dem Exemplar zuhause entfernt hat, stößt sie auf den Namen einer der ermordeten Witwen, deren Initialen zufälligerweise mit denen in dem Smaragdring übereinstimmen, den ihr Onkel Charlie geschenkt hat …
So wie die beiden Detektive in „Im Schatten des Zweifels“ vorgeblich nach der amerikanischen Durchschnittsfamilie suchen, hat sich Hitchcock auf ihn ungewöhnliches Terrain gewagt und nicht nur eine reale Stadt als Kulisse ausgesucht (ein staatliches Kriegskomitee begrenzte nämlich die Ausgaben für Filmsets), sondern demontiert auf unnachahmliche Weise den kleinbürgerlichem Kleinstadtmief. Geschickt stellt er dabei die beiden Charlies als zwei Seiten einer Medaille gegenüber. Als Charles Oakley mit einer Zigarre in der Hand auf dem Bett seines Zimmers eingeführt wird und etliche Dollarscheine achtlos auf der Kommode und dem Boden verstreut sind, während ihn die Hausdame über den Besuch zweier Herren informiert, weiß der Zuschauer sofort, dass der Kerl nicht ganz koscher sein kann. Auch seine Nichte mit gleichem Namen wird auf dem Bett liegend eingeführt, aber ihr Zimmer ist nicht nur heller ausgeleuchtet, sondern sie wirkt auch selbst wie eine gänzlich unschuldige Teenagerin, die sich um das Wohl ihrer Familie sorgt und ganz aus dem Häuschen ist, als sich der Besuch ihres geliebten Onkels ankündigt.
Zusammen mit Autor Thornton Wilder („Unsere kleine Stadt“) hat Hitchcock bis zuletzt an dem Drehbuch gefeilt, das geschickt das Eindringen dunkler menschlicher Triebe in die kleinstädtische Unschuld beschreibt. Der Ring, den Onkel Charlie unbedachterweise seiner Nichte schenkt, wird verändert dabei seine symbolische Bedeutung eines Geschenks aus Zuneigung zu einem Zeichen des Verrats und der Gefahr. Allerdings verzichtet Hitchcock auf eine simplifizierende Schwarz-Weiß-Malerei und stattet den vermeintlichen Witwen-Mörder durchaus mit sympathischen Zügen aus, der sich schließlich auf das Angebot seiner liebreizenden Nichte einlässt, die Stadt mit dem Zug zu verlassen, bevor Mutter von der bevorstehenden Verhaftung ihres über alles geliebten Bruders erfährt. „Im Schatten des Zweifels“ gilt als einer der persönlichsten Filme Hitchcocks, weil er nicht nur viele biografische Details in die Dialoge (z.B. den Namen der Mutter) eingeflochten hat, sondern weil die beiden Charlies auch die Elemente in Hitchcocks Persönlichkeit widerspiegeln. Davon abgesehen gab der Film dem Regisseur die Möglichkeit, trotz der spannenden Dramaturgie die Charaktere zu entwickeln.
"Im Schatten des Zweifels" in der IMDb
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