Yardie

Der britische Schauspieler Idris Elba blickt auf eine lange Karriere als Darsteller in Fernsehserien wie „Family Affairs“, „Ultraviolet“ und vor allem „The Wire“ zurück, ehe er auf der großen Leinwand in den „Thor“-Filmen, Ridley Scotts „American Gangster“ und „Prometheus – Dunkle Zeichen“ und der Stephen-King-Verfilmung „Der Dunkle Turm“ überzeugen konnte. Mit dem Gangster-Drama „Yardie“ feierte er 2017 schließlich sein Debüt als Kinofilm-Regisseur, nachdem er zuvor bei einem Fernsehfilm und zwei Folgen der TV-Serie „Playhouse Presents“ hinter der Kamera gestanden hatte. Allerdings bleibt „Yardie“, das durch StudioCanal nun seinen Heimkinostart zelebriert, weit hinter den Erwartungen zurück.
Als sein älterer Bruder Jerry Dread (Everaldo Creary) Anfang der 1970er Jahre in Jamaikas Hauptstadt Kingston der Eskalation im Krieg zwischen zwei Gangsterbanden mit einer öffentlichen Tanzveranstaltung ein Ende setzen will, muss der zehn Jahre alte D (Antwayne Eccleston) mitansehen, wie ein etwa gleichaltriger Junge aus dem Publikum seinen Bruder erschießt. Derart desillusioniert gerät auch D auf die schiefe Bahn und arbeitet sechs Jahre später (nun: Aml Ameen) für die Bande des damals siegreichen King Fox (Sheldon Shepherd). Doch mit seinen Rachegedanken und unberechenbaren Temperamentsausbrüchen wird D zunehmend zu einem Risiko für King Fox, der D 1983 schließlich nach London schickt, um ein Päckchen bei Rico (Stephen Graham) abzuliefern und sich dort weiterhin um King Fox‘ Drogengeschäfte zu kümmern. Doch durch seine aufbrausende Art setzt D einen Bandenkrieg in Gang.
Zwar trifft D auch seine Jugendliebe Yvonne (Shantol Jackson) wieder, die schon vor Jahren den gewalttätigen Unruhen in Jamaika entflohen ist und die gemeinsame Tochter Vanessa (Myla-Rae Hutchinson-Dunwell) allein aufzieht, doch bringt die Begegnung D nur für kurze Zeit wieder in die Spur – bis er zufällig auf den Mörder seines Bruders trifft …
Mit dem Titel „Yardie“ beschreibt Idris Elba bereits das Thema seines Kinoregiedebüts, denn Yardie bezeichnet in Jamaika nicht nur einen Gangster, sondern bezeichnet auch die nach Großbritannien ausgewanderten Jamaikaner. In der Verfilmung von Victor Headleys gleichnamigen Roman gelingt Elba zunächst eine atmosphärisch stimmige Beschreibung der von gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägten Zeit Anfang der 70er Jahre in Jamaika, wobei der der junge D von seinem Bruder, den er wie einen Vater verehrt, schon früh die Wahl aufgezeigt bekommt, entweder einen rechtschaffenen Weg oder einen der Verdammnis einschlagen zu können.
D begleitet seinen Bruder überallhin und liebt es, mit ihm das imponierende Soundsystem aufzubauen und bei den Menschen, die ihren Alltag in Angst und Armut verbringen, für kurze Zeit Partystimmung zu erzeugen. Zwei Ereignisse sollen aber dafür sorgen, dass D selbst es nicht schafft, den rechtschaffenen Lebensweg einzuschlagen, zunächst ein Schusswechsel, bei dem ein unbeteiligtes Mädchen stirbt, und schließlich die Ermordung seines geliebten Bruders.
Allerdings neigt Elba hier zu dramatischen Überhöhungen und unnötigen Kommentaren seines Protagonisten aus dem Off, die suggerieren, dass Zuschauer aus den geschilderten Ereignissen nicht seine eigene Schlüsse zu ziehen vermag. So verpufft nicht nur die schockierende Wirkung gerade der Tötung des kleinen Mädchens, sondern auch die dramaturgische Spannung, die durch die emotionale Achterbahnfahrt entwickelt wird, als D in London sowohl Nahrung für seine Liebe als auch für seinen Rachedurst bekommt.
„Yardie“ überzeugt zumindest in der atmosphärischen Gestaltung sowohl der gesellschaftlichen Zustände in Jamaika zu Beginn der 1970er Jahre als auch in der Londoner Unterwelt, wartet mit einem durchweg coolen Soundtrack auf und ansehnlichen Darstellerleistungen gerade von Aml Ameen („Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth“, „Sense8“), doch werden die emotionalen Konflikte nicht subtil genug herausgearbeitet. Und die Dramaturgie schleppt sich bei einer Spielzeit von knapp 100 Minuten auch über einige Längen hin.
"Yardie" in der IMDb

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