Sadistico - Wunschkonzert für einen Toten

Nachdem sich Clint Eastwood seit Mitte der 1960er Jahre als Schauspieler in Western (Sergio Leones „Dollar“-Trilogie, „Hängt ihn höher“, „Ein Fressen für die Geier“), aber auch Dramen, Thrillern und Komödien („Agenten sterben einsam“, „Betrogen“, „Stoßtrupp Gold“) einen Namen gemacht hat, nahm er 1971 auch erstmals hinter der Kamera Platz und inszenierte das Stalker-Drama „Sadistico – Wunschkonzert für einen Toten“ (1971) mit sich selbst in der Hauptrolle.
Bei seinen nächtlichen Einsätzen als DJ bei einem kleinen Radiosender im malerischen Küstenstädtchen Carmel-by-the-Sea ist Dave Garver (Clint Eastwood) für die leisen Klänge verantwortlich, die er in den Pausen mit romantischen Versen verziert. Eine seiner Hörerinnen wünscht sich regelmäßig Erroll Garners „Misty“ und lauert ihm schließlich in Daves Stammkneipe auf, die er gelegentlich in seiner Sendung erwähnt und wo Barkeeper Murphy (Don Siegel) regelmäßig Nachrichten für den DJ entgegennimmt, u.a. von der Produzentin eines großen Senders, der an Dave interessiert ist. Als eines Abends auch Daves Stammhörerin Evelyn Draper (Jessica Walter) in der Bar auf ihn wartet und sich von ihm auf einen Drink einladen lässt, gehen die beiden eine – wie Dave glaubt - unverbindliche Affäre ein, doch schon am nächsten Tag überrascht Evelyn Dave mit Einkäufen für ein gemeinsames Abendessen. Dave ist von der Aufdringlichkeit seiner Verehrerin zunehmend verärgert, zumal er gerade versucht, die gescheiterte Beziehung mit der Künstlerin Tobie (Donna Mills) wieder zu kitten, nachdem sie sich auswärts eine viermonatige Auszeit gegönnt hat. Als Evelyn von Daves Ambitionen erfährt, wird sie zur zerstörerischen Furie … Entgegen seiner früheren Rollen inszeniert sich Eastwood in seiner ersten Regiearbeit selbst in ungewohnter Rolle als Durchschnitts-Typ mit sanfter Radio-Stimme und Sinn für Schmuse-Musik. Trotz seiner romantischen Ader lässt Dave beim weiblichen Geschlecht nichts anbrennen, was auch zum Ende der Beziehung mit Tobie geführt hat. Im Gegensatz zu früheren Rollen mimt Eastwood mit Dave Garner einen Typen ohne wirkliche Ecken und Kanten, aber mit überzeugendem Sex-Appeal, was ihm einerseits hilft, seine alte Flamme wieder für sich zu gewinnen (was Eastwood ohne einen einzelnen Dialog in von Roberta Flacks „The First Time I ever Saw Your Face“ untermalten langen Einstellungen mit Spaziergängen am Strand und einer kitschigen Liebesszene an einem kleinen Wasserfall inszeniert), andererseits aber eine skrupellose Stalkerin auf den Plan ruft.
„Sadistico“ dürfte hier als etwas unausgereiftes Vorbild für Adrian Lynes Erotik-Thriller „Verhängnisvolle Affäre“ gedient haben. Allerdings sind die einzelnen Figuren in „Sadistico“ sehr unzureichend charakterisiert. Besonders blass bleibt das blauäugige und naiv wirkende Blondchen Tobie, aber auch Eastwoods eigener Charakter gewinnt selbst in der Krise kaum an Konturen. So bleibt es der für einen Globe Globe nominierten Jessica Walter („Arrested Development“) vorbehalten, mit ihrer forschen bis tödlich aggressiven Figur der Stalkerin Evelyn für die dramatischen Effekte und die Spannung zu sorgen. Eastwoods Dave wiederum kann sich glücklich schätzen, mit seinem gut aufgelegten DJ-Kollegen Al Monte (James McEachin), dem sympathischen Barkeeper und dem kernigen Sergeant McCallum (John Larch) interessante Sparringspartner zu haben, mit denen er launige Einzeiler tauschen kann.
So bleibt „Sadistico“ ein zwar unterhaltsames, aber noch nicht erstklassiges Psycho-Thriller-Drama, das seine Qualität eher aus dem gelungenen Einfangen der Atmosphäre der schönen Küstenstadt und des Musikfestivals in Monterey gewinnt als durch dramaturgische Spannung und feingezeichnete Figuren.
"Sadistico" in der IMDb

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