Psycho
Nachdem Alfred Hitchcock mit seinen zuvor gedrehten Filmen „Bei Anruf Mord“, „Das Fenster zum Hof“, „Der Mann, der zuviel wusste“, „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“ und „Der unsichtbare Dritte“ Paradebeispiele für die Spannungsentwicklung in Thrillern abgeliefert hatte, wagte er für den Abschluss seines Deals mit Paramount ein Experiment und ließ sich von den billig produzierten, in den Autokinos aber sehr erfolgreichen Horrorfilmen inspirieren, als ihm Robert Blochs „Psycho“ in die Hände fiel. Mit einem vergleichsweise schmalen Budget von unter einer Million Dollar und einer Fernseh-Crew inszenierte er 1960 sein Meisterwerk „Psycho“, das Norman-Bates-Darsteller Anthony Perkins zum Star machte und bis heute zum Vorbild unzähliger Genrefilme avanciert ist.
Marion Crane (Janet Leigh) kommt gerade von einem Schäferstündchen mit ihrem Geliebten Sam Loomis (John Gavin) zurück ins Büro, wo am Freitagnachmittag noch ein leicht angetrunkener Kunde einen Hauskauf für seine Tochter abwickeln will. Er legt Marions Chef 40.000 Dollar bar auf den Tisch, die Marion noch schnell zur Bank bringen soll, danach darf sie Feierabend machen. Stattdessen packt sie ihre Klamotten und den Geldumschlag und macht sich auf den Weg von Phönix nach Fairvale, um Sam endlich von seinen finanziellen Verpflichtungen zu befreien und mit ihm ein gemeinsames Leben zu führen. Unterwegs tauscht Marion ihren Wagen gegen einen anderen Gebrauchten um und hält spätabends an „Bates Motel“, das abseits der Hauptstraße liegt und keine weiteren Gäste beherbergt, wie ihr der zuvorkommende Besitzer Norman Bates (Anthony Perkins) versichert. Er gibt ihr das Zimmer gleich neben seinem Büro, speist mit ihr zu Abend, doch Normans Mutter ist offensichtlich so eifersüchtig auf die hübsche junge Frau, die ihrem Jungen den Kopf zu verdrehen droht, dass sie sie unter der Dusche mit mehreren Messerstichen ermordet.
Als Norman schockiert das Blutbad betrachtet, macht er sich akribisch an die Reinigung des Badezimmers und entsorgt die Leiche samt Auto und Geld im nahe gelegenen Moor. Mittlerweile macht sich Marions Schwester Lila (Vera Miles) auf den Weg nach Fairvale, wo sie Sam aufsucht und auch Marion vermutet. Auch der von Marions Chef engagierte Privatdetektiv Arbogast (Martin Balsam) taucht in Sams Laden auf und macht sich in den umliegenden Hotels und Pensionen auf die Suche nach der Vermissten. In Bates Motel wird er schließlich fündig, doch er kommt nur noch dazu, Leila vom Aufenthalt ihrer Schwester in dem Motel zu berichten, bevor auch er getötet und von Sam und Leila vermisst wird. Sie alarmieren den Sheriff und statten Norman selbst einen Besuch ab.
Alfred Hitchcock hat sich bereits in vielen seiner früheren Filme als Meister des Spannungskinos erwiesen, mit „Psycho“ erweiterte der geniale Filmemacher das Spektrum auch um wirkungsvolle Schockmomente. Geradezu legendär ist die aus etlichen Perspektiven gefilmte, von Bernard Herrmanns elektrisierender Musik untermalte Duschszene, in der ausgerechnet die Hauptdarstellerin zum ersten unerwarteten Mordopfer in „Psycho“ wird. Der Schock dieser einen so brillant umgesetzten Szene reicht aus, das Publikum für den Rest des Films in Angst und Schrecken zu versetzen. Diesem Umstand ist es auch geschuldet, dass Hitchcock den Film in Schwarz-Weiß drehte, denn sonst wäre „Psycho“ zu blutrünstig geworden. Hitchcock gibt sich viel Mühe, den Diebstahl des Geldes und die Motivation des Verbrechens aus Leidenschaft herauszuarbeiten, führt den Zuschauer damit gekonnt auf eine falsche Fährte. Doch dabei belässt es Hitchcock nicht. Gerade als die Sympathien für die Diebin noch durch ihre bereits während der Autofahrt aufkommenden Gewissensbisse wachsen, wird sie Opfer eines heimtückischen, brutalen Mordes. Ähnlich wird Norman Bates als etwas verschrobener, aber sehr netter und zukommender junger Mann eingeführt, der sogar seine Mutter in Schutz nimmt, aber diese Sympathiehaltung wird im zunehmenden Verlauf des Films unterwandert, bis sich der Zuschauer irritiert fragen muss, was denn nun in Bates Motel und vor allem auch in dem grusligen Wohnhaus auf dem Hügel vor sich geht. Dadurch, dass Marion Crane und Norman Bates anfänglich so normal und sympathisch wirken und dem Zuschauer Identifikationsfiguren bieten, wirkt der Schrecken von Tod und Wahnsinn umso heftiger nach. Hitchcock bezieht bei seinen geschickten Manipulationen den Zuschauer stets als Voyeur mit ins Geschehen ein und konfrontiert ihn so mit dessen heimlichen Sehnsüchten, wenn wir etwa mit Norman Bates‘ Augen Marion beim Duschen zusehen, mit Arbogast den Motelsafe inspizieren oder mit Leila erforschen wollen, was sich wohl im Keller des düsteren Hauses verbirgt. Passend dazu setzt Hitchcock immer wieder den Spiegel weniger als Requisite ein, sondern als treffendes Symbol für die gespaltene Persönlichkeit. Am eindrucksvollsten hat Hitchcock den Spiegel in der Szene eingesetzt, als Leila das Zimmer von Normans Mutter inspiziert. Aber auch der geschickte Einsatz von Licht und Schatten unterstützt diese Wirkung, wenn Norman Bates‘ Gesicht immer wieder mal zur Hälfte im Schatten zu sehen ist.
Wieder einmal thematisiert Hitchcock die Schwierigkeit eines schwächlichen Mannes, der sich im Schatten einer übermächtigen Frau behaupten muss, in diesem Fall seiner Mutter. Sie stellt für Norman den Käfig dar, aus dem er nicht ausbrechen kann. Aber auch Marion gerät in eine Falle. Aus Liebe zu einem Mann, der sie nicht heiraten kann, unterschlägt sie bei einer günstigen Gelegenheit das Startkapital für ein neues Leben, bekommt nach dem Gespräch mit Norman aber Gewissensbisse und will das Geld schon wieder in die rechtmäßigen Hände zurückgeben. Die reinigende Dusche soll diesen Entschluss besiegeln, wird ihr aber zum tödlichen Verhängnis. Mit dem unerwartet frühen Tod der Hauptdarstellerin wechseln die Sympathien von Marion auf Norman über. Das hätte nicht funktioniert, wenn Norman Bates wie in Robert Blochs Buchvorlage als älterer, dicker Mann mit Hornbrille ausgesehen hätte. Und so fiebert das Publikum sogar mit, dass das Auto mit Marions Leiche im Sumpf auch vollständig versinkt und sich Norman in Sicherheit wiegen kann, Schließlich leidet der junge Mann schon genug unter seiner herrischen Mutter. Dass am Ende eine analytische Erklärung für Normans Verhalten geliefert wird, spendet letztlich wenig Trost. Krankhafte Beziehungen vergiften die menschliche Psyche auch dort, wo wir sie am wenigsten erwarten. Mit der Illusion, dass wir alle ein normales Leben führen und unsere Träume verwirklichen können, räumt „Psycho“ kräftig auf. Das macht den Film wirklich schockierend. Die Blu-ray-Veröffentlichung zum 50. Jahrestag des Films wartet übrigens mit einer Menge interessanten Bonus-Materials auf. So geben in der 25-minütigen Dokumentation „Hitchcock's Legacy“ Filmemacher wie Martin Scorsese, John Carpenter, Eli Roth, William Friedkin, aber auch Komponisten, Kostüm-Designer und der Hitchcock-Biograph Donald Spoto Auskunft darüber, was Hitchcocks Filme so einzigartig macht und wie er noch immer andere Filmemacher beeinflusst. Bemerkenswert ist das Making of in Spielfilmlänge, ein Audio-Interview, das Francois Truffaut mit Hitchcock geführt hat, Storyboard-Zeichnungen von Saul Bass zur Duschszene, die man sich auch noch einmal mit und ohne Musik ansehen kann. Die Folge „Lamb to the Slaughter“ aus „Alfred Hitchcock Presents“-TV-Serie, Poster, Produktionsnotizen und eine Menge Fotos runden das umfangreiche Bonus-Paket ab.
"Psycho" in der IMDb
Marion Crane (Janet Leigh) kommt gerade von einem Schäferstündchen mit ihrem Geliebten Sam Loomis (John Gavin) zurück ins Büro, wo am Freitagnachmittag noch ein leicht angetrunkener Kunde einen Hauskauf für seine Tochter abwickeln will. Er legt Marions Chef 40.000 Dollar bar auf den Tisch, die Marion noch schnell zur Bank bringen soll, danach darf sie Feierabend machen. Stattdessen packt sie ihre Klamotten und den Geldumschlag und macht sich auf den Weg von Phönix nach Fairvale, um Sam endlich von seinen finanziellen Verpflichtungen zu befreien und mit ihm ein gemeinsames Leben zu führen. Unterwegs tauscht Marion ihren Wagen gegen einen anderen Gebrauchten um und hält spätabends an „Bates Motel“, das abseits der Hauptstraße liegt und keine weiteren Gäste beherbergt, wie ihr der zuvorkommende Besitzer Norman Bates (Anthony Perkins) versichert. Er gibt ihr das Zimmer gleich neben seinem Büro, speist mit ihr zu Abend, doch Normans Mutter ist offensichtlich so eifersüchtig auf die hübsche junge Frau, die ihrem Jungen den Kopf zu verdrehen droht, dass sie sie unter der Dusche mit mehreren Messerstichen ermordet.
Als Norman schockiert das Blutbad betrachtet, macht er sich akribisch an die Reinigung des Badezimmers und entsorgt die Leiche samt Auto und Geld im nahe gelegenen Moor. Mittlerweile macht sich Marions Schwester Lila (Vera Miles) auf den Weg nach Fairvale, wo sie Sam aufsucht und auch Marion vermutet. Auch der von Marions Chef engagierte Privatdetektiv Arbogast (Martin Balsam) taucht in Sams Laden auf und macht sich in den umliegenden Hotels und Pensionen auf die Suche nach der Vermissten. In Bates Motel wird er schließlich fündig, doch er kommt nur noch dazu, Leila vom Aufenthalt ihrer Schwester in dem Motel zu berichten, bevor auch er getötet und von Sam und Leila vermisst wird. Sie alarmieren den Sheriff und statten Norman selbst einen Besuch ab.
Alfred Hitchcock hat sich bereits in vielen seiner früheren Filme als Meister des Spannungskinos erwiesen, mit „Psycho“ erweiterte der geniale Filmemacher das Spektrum auch um wirkungsvolle Schockmomente. Geradezu legendär ist die aus etlichen Perspektiven gefilmte, von Bernard Herrmanns elektrisierender Musik untermalte Duschszene, in der ausgerechnet die Hauptdarstellerin zum ersten unerwarteten Mordopfer in „Psycho“ wird. Der Schock dieser einen so brillant umgesetzten Szene reicht aus, das Publikum für den Rest des Films in Angst und Schrecken zu versetzen. Diesem Umstand ist es auch geschuldet, dass Hitchcock den Film in Schwarz-Weiß drehte, denn sonst wäre „Psycho“ zu blutrünstig geworden. Hitchcock gibt sich viel Mühe, den Diebstahl des Geldes und die Motivation des Verbrechens aus Leidenschaft herauszuarbeiten, führt den Zuschauer damit gekonnt auf eine falsche Fährte. Doch dabei belässt es Hitchcock nicht. Gerade als die Sympathien für die Diebin noch durch ihre bereits während der Autofahrt aufkommenden Gewissensbisse wachsen, wird sie Opfer eines heimtückischen, brutalen Mordes. Ähnlich wird Norman Bates als etwas verschrobener, aber sehr netter und zukommender junger Mann eingeführt, der sogar seine Mutter in Schutz nimmt, aber diese Sympathiehaltung wird im zunehmenden Verlauf des Films unterwandert, bis sich der Zuschauer irritiert fragen muss, was denn nun in Bates Motel und vor allem auch in dem grusligen Wohnhaus auf dem Hügel vor sich geht. Dadurch, dass Marion Crane und Norman Bates anfänglich so normal und sympathisch wirken und dem Zuschauer Identifikationsfiguren bieten, wirkt der Schrecken von Tod und Wahnsinn umso heftiger nach. Hitchcock bezieht bei seinen geschickten Manipulationen den Zuschauer stets als Voyeur mit ins Geschehen ein und konfrontiert ihn so mit dessen heimlichen Sehnsüchten, wenn wir etwa mit Norman Bates‘ Augen Marion beim Duschen zusehen, mit Arbogast den Motelsafe inspizieren oder mit Leila erforschen wollen, was sich wohl im Keller des düsteren Hauses verbirgt. Passend dazu setzt Hitchcock immer wieder den Spiegel weniger als Requisite ein, sondern als treffendes Symbol für die gespaltene Persönlichkeit. Am eindrucksvollsten hat Hitchcock den Spiegel in der Szene eingesetzt, als Leila das Zimmer von Normans Mutter inspiziert. Aber auch der geschickte Einsatz von Licht und Schatten unterstützt diese Wirkung, wenn Norman Bates‘ Gesicht immer wieder mal zur Hälfte im Schatten zu sehen ist.
Wieder einmal thematisiert Hitchcock die Schwierigkeit eines schwächlichen Mannes, der sich im Schatten einer übermächtigen Frau behaupten muss, in diesem Fall seiner Mutter. Sie stellt für Norman den Käfig dar, aus dem er nicht ausbrechen kann. Aber auch Marion gerät in eine Falle. Aus Liebe zu einem Mann, der sie nicht heiraten kann, unterschlägt sie bei einer günstigen Gelegenheit das Startkapital für ein neues Leben, bekommt nach dem Gespräch mit Norman aber Gewissensbisse und will das Geld schon wieder in die rechtmäßigen Hände zurückgeben. Die reinigende Dusche soll diesen Entschluss besiegeln, wird ihr aber zum tödlichen Verhängnis. Mit dem unerwartet frühen Tod der Hauptdarstellerin wechseln die Sympathien von Marion auf Norman über. Das hätte nicht funktioniert, wenn Norman Bates wie in Robert Blochs Buchvorlage als älterer, dicker Mann mit Hornbrille ausgesehen hätte. Und so fiebert das Publikum sogar mit, dass das Auto mit Marions Leiche im Sumpf auch vollständig versinkt und sich Norman in Sicherheit wiegen kann, Schließlich leidet der junge Mann schon genug unter seiner herrischen Mutter. Dass am Ende eine analytische Erklärung für Normans Verhalten geliefert wird, spendet letztlich wenig Trost. Krankhafte Beziehungen vergiften die menschliche Psyche auch dort, wo wir sie am wenigsten erwarten. Mit der Illusion, dass wir alle ein normales Leben führen und unsere Träume verwirklichen können, räumt „Psycho“ kräftig auf. Das macht den Film wirklich schockierend. Die Blu-ray-Veröffentlichung zum 50. Jahrestag des Films wartet übrigens mit einer Menge interessanten Bonus-Materials auf. So geben in der 25-minütigen Dokumentation „Hitchcock's Legacy“ Filmemacher wie Martin Scorsese, John Carpenter, Eli Roth, William Friedkin, aber auch Komponisten, Kostüm-Designer und der Hitchcock-Biograph Donald Spoto Auskunft darüber, was Hitchcocks Filme so einzigartig macht und wie er noch immer andere Filmemacher beeinflusst. Bemerkenswert ist das Making of in Spielfilmlänge, ein Audio-Interview, das Francois Truffaut mit Hitchcock geführt hat, Storyboard-Zeichnungen von Saul Bass zur Duschszene, die man sich auch noch einmal mit und ohne Musik ansehen kann. Die Folge „Lamb to the Slaughter“ aus „Alfred Hitchcock Presents“-TV-Serie, Poster, Produktionsnotizen und eine Menge Fotos runden das umfangreiche Bonus-Paket ab.
"Psycho" in der IMDb
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