Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile

Ted Bundy zählt neben Jeffrey Dahmer, John Wayne Gacy und David Berkowitz zu den prominentesten Serienkillern, die die USA hervorgebracht haben und bis heute unzählige Filmemacher, Fernseh-Produzenten, Musiker und Roman-Autoren inspirieren. Für sein Doku-Drama „Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile“ hat Joe Berlinger („Das verlorene Paradies - Die Kindermorde in Robin Hood Hills“, „Blair Witch 2“) einen außergewöhnlichen Ansatz gewählt und lässt die Geschichte von Ted Bundy, der für über dreißig Morde an jungen Frauen zum Tode verurteilt worden ist, überwiegend aus der Perspektive seiner langjährigen Verlobten Liz erzählen. Das erspart dem Zuschauer die Ausschlachtung der brutalen Taten, die eher im Horror-Genre im Fokus stehen, lässt aber Spannung und Anspruch vermissen.
Als sich die alleinerziehende junge Mutter Liz Kendall (Lily Collins) und der attraktive Jurastudent Ted Bundy (Zac Efron) 1969 in einer Bar kennenlernen, ist es Liebe auf den ersten Blick, doch für einige Jahre unterhält das Paar eine Fernbeziehung, da Bundy sein Studium von Washington nach Utah verlagert hat. Als Bundy in den frühen Morgenstunden des 16. August 1975 mit seinem VW Käfer in Utah von einer Polizeistreife wegen erhöhter Geschwindigkeit und mehrerer überfahrener Stoppschilder angehalten wird, fallen dem Polizeibeamten verdächtige Gegenstände wie eine Brechstange, ein Eispickel, Handschellen und eine Strumpfmaske auf, vor allem aber auch der auf der Rückbank liegende Beifahrersitz.
Die Ermittler verdächtigen Bundy schließlich, für die Entführung einer jungen Frau verantwortlich gewesen zu sein, die ihn bei einer Gegenüberstellung auch als den Täter identifiziert. Schließlich wird Bundy auch für das Verschwinden von weiteren jungen Frauen in den Bundesstaaten Washington, Utah, Colorado, Oregon, Idaho und Florida verantwortlich gemacht. Während Chefankläger Larry Simpson (Jim Parsons) in Florida die Todesstrafe für Bundy fordert, bestreitet der Angeklagte alle Vorwürfe und behauptet im Gegenzug, Opfer eines Komplotts zu sein. Liz hält trotz der schwerwiegenden Vorwürfe weiter zu ihrem Mann, weiß aber bald nicht mehr, ob sie ihm noch glauben kann …
Joe Berlinger hatte gerade die vierteilige Dokumentation „Ted Bundy: Selbstportrait eines Serienmörders“ abgeliefert, da legte er umgehend eine Spielfilmvariante nach, die auf dem Buch „The Phantom Prince: My Life with Ted Bundy“ von Bundys langjähriger Verlobten Elizabeth Kendall basiert. Das erklärt, warum all die schrecklichen Morde, die Ted Bundy begangen hat und die er erst kurz vor Vollstreckung der Todesstrafe gestand, nicht gezeigt werden, denn die ahnungslose Liz hat nie auch nur einen Verdacht geschöpft, dass ihr Verlobter dazu fähig sein könnte.
Berlingers Film hakt das Kennenlernen und die jahrelange Beziehung zwischen Ted Bundy und Liz relativ kurz ab und konzentriert sich eher auf die Gerichtsverfahren, bei denen Bundy irgendwann genervt von der Inkompetenz seiner Verteidiger gewesen ist und selbst seine Verteidigung übernahm. Der Film wahrt dabei eine für Dokumentarfilme typische Distanz, die durch die wiederholte Einblendung von Archivaufnahmen zum Bundy-Prozess noch verstärkt wird. Das führt schließlich dazu, dass der Zuschauer lange Zeit ebenso wie Liz glauben könnte, dass Bundy tatsächlich Opfer einer Verschwörung sei. Die Verhandlungen vor Gericht werden dabei von Bundys geglückten Fluchtversuchen und seinen wiederholten Verhaftungen unterbrochen, und die zutiefst verunsicherte Liz gerät immer mehr in den Hintergrund, nimmt irgendwann die Anrufe ihres Verlobten nicht mehr an und lässt sich schließlich auf eine Beziehung mit ihrem langweiligen, aber liebenswürdigen Arbeitskollegen Jerry (Haley Joel Osment) ein.
Da der Ausgang des Dramas bekannt ist, entwickelt das Drama eigentlich keine nennenswerte Spannung und bemüht sich auch gar nicht darum. Vielmehr scheint es Berlinger darum zu gehen, die Beziehung zwischen Bundy und seiner Verlobten zu thematisieren, doch gerät diese bei Bundys langen Gefängnisaufenthalt zunehmend ins Hintertreffen. Da der Prozess damals landesweit übertragen wurde und einen imponierenden Medienzirkus entfachte, bekommt der Zuschauer also wenig Neues geboten. Viel interessanter wäre es hier gewesen, näher auf Liz‘ Geschichte einzugehen, die offenbar schon sehr früh Verdachtsmomente gegen Bundy gehegt hatte. Stattdessen bekommt auch Bundys Beziehung mit der Verwaltungsangestellten Carole Ann Boone (Kaya Scodelario) noch ihren Raum, der er vor Gericht einen Heiratsantrag macht und mit der er schließlich noch eine Tochter zeugt.
Berlinger setzt also eine letztlich allzu vertraute Geschichte aus fiktiven und dokumentarischen Elementen neu zusammen, verschiebt etwas die Perspektive von Ted Bundy auf seine vermeintlich ahnungslose Verlobte und kann dabei zumindest auf die Darstellungskünste von Zac Efron („We Are Your Friends“, „Greatest Showman“), Lily Collins („Tolkien“, „Love, Rosie – Für immer vielleicht“) sowie prominent mit John Malkovich, Jim Parsons und Metallica-Sänger James Hetfield besetzte Nebenrollen setzen. Dabei hätte es dem Film gut getan, wenn er dichter an der Buchvorlage geblieben wäre und Liz‘ Perspektive stärker in den Vordergrund gerückt hätte.
"Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile" in der IMDb

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