Im Auftrag des Drachen

Auch in seiner vierten Regiearbeit blieb sich Clint Eastwood treu, indem er ein weiteres Genre für sich erschloss, und präsentierte nach einem Psycho-Thriller („Sadistico“), einem Western („Ein Fremder ohne Namen“) und einem Liebes-Drama („Breezy – Eine Begegnung am Vormittag“) 1975 mit der Trevanian-Adaption „Im Auftrag des Drachen“ einen Action-Thriller mit James-Bond-Anleihen.
Eigentlich genießt Dr. Jonathan Hemlock (Clint Eastwood) sein ruhiges Dasein als Kunstdozent an einem amerikanischen Provinzcollege, doch dann werden seine vormaligen Talente als Auftragskiller für die Regierung aktiviert. Hemlock ist alles andere als begeistert, will er doch längst aus der ominösen Gruppe C2, die vom in vielerlei Hinsicht empfindlichen Albino „Drachen“ (Thayer David) geleitet wird, aussteigen. Dessen Drohung, die geheime Gemälde-Sammlung mit alten Meistern, die Hemlock über die Jahre mit den Honoraren für seine geleisteten Dienste erworben hat, der Steuerbehörde zu melden, macht den Kunstliebhaber jedoch gefügig.
Hemlock soll zwei Typen eliminieren, die einen Geheimagenten der Regierung ermordet haben sollen, allerdings steht die Identität nur eines der Killer fest, den Hemlock auch mühelos ins Jenseits befördert. Von dem zweiten Killer weiß die Organisation nur, dass er an einer Tour von Bergsteigern teilnimmt, die sich das ehrgeizige Ziel gesetzt hat, die Eiger-Nordwand zu bezwingen, woran der passionierte Bergsteiger Hemlock selbst zweimal gescheitert ist. Sein alter Freund Ben Bowman (George Kennedy) soll ihn auf den gefährlichen Trip vorbereiten. Er unterhält in den Bergen von Arizona ein Luxus-Hotel mit Bergsteiger-Schule und stellt Hemlock die attraktive, aber schweigsame Indianerin George (Brenda Venus) zur Seite, die mit ihm trainieren soll. In dem Hotel trifft er auch seinen alten Mitstreiter Miles Mellough (Jack Cassidy) wieder, mit dem Hemlock noch eine Rechnung offen hat. Doch Hemlock lässt sich auf den Deal, den Mellough ihm zur Bekanntgabe der Identität des zweiten Mannes macht, allerdings nicht ein. Allerdings gelingt es C2 nicht, den zweiten Mann zu enttarnen, so dass Hemlock während der Eiger-Besteigung herausfinden muss, wer der zweite Killer gewesen ist. Im Hotel vor Ort sprechen der Deutsche Karl Freytag (Reiner Schöne), der Österreicher Anderl Meyer (Michael Grimm) und der Franzose Jean-Paul Montaigne (Jean-Pierre Bernard), der mit seiner attraktiven wie spröden Frau Anna (Heidi Brühl) angereist ist, die Besteigung durch. Zunächst läuft alles nach Plan, aber dann sorgt ein gefährlicher Föhnwind für einen Wetterumschwung und erste Verluste. Und Hemlock weiß nicht, wem er noch trauen kann …
In seiner vieren Regiearbeit, bei der er zum dritten Mal auch die Hauptrolle übernommen hat, demonstriert Eastwood, dass er auch Spannungskino kann. Zwar weist die etwas hanebüchen konstruierte Spionage-Story etliche Logiklücken auf und versucht dabei, in bester James-Bond-Manier auch einige charismatische Schurken zu präsentieren, doch setzt Eastwood von Beginn darauf, seine eigene Rolle als Darsteller überzeugend herauszuarbeiten, und die Schwächen der Story durch grandiose Landschaftsaufnahmen und ein hohes Maß an Spannung auszugleichen, was ihm jeweils mühelos gelingt. Zum einen etabliert Eastwood seine Rolle mit der Doppelidentität als charmanter Kunstdozent, bei dem hübsche Studentinnen für eine gute Note wirklich alles zu tun bereit sind, und schlagkräftiger Killer so gut, dass er früh die Sympathien des Publikums für sich einnimmt. Und als er im Monument Valley sein Bergsteiger-Training absolviert, liefert Kameramann Frank Stanley („10 – Die Traumfrau“, „Dirty Harry II – Callahan“) wirklich atemberaubende Bilder. Für Spannung sorgt schließlich die ohne Stuntmen gedrehte Besteigung der Eiger-Nordwand, bei der Hemlock unter Gefahr des eigenen Lebens herausfinden muss, wer in der Crew der zweite Killer ist. Auch hier sorgen tolle Aufnahmen für beste Kinounterhaltung, die durch einen melodischen Score von John Williams, einige erotische Abenteuer und genretypische Wendungen aufgepeppt wird. So wird der Zuschauer dafür entschädigt, dass der Plot arg faserig wirkt und die diversen Bösewichter immer dann kurz einführt werden, damit Hemlock sie wirkungsvoll außer Gefecht setzen kann.
"Im Auftrag des Drachen" in der IMDb

Kommentare

Beliebte Posts