Zwei glorreiche Halunken

Nachdem Sergio Leone mit „Für eine Handvoll Dollar“ (1964) und „Für ein paar Dollar mehr“ (1965) dem ohnehin schwächelnden Hollywood-Western den Todesstoß versetzt, gleichzeitig aber durch den von ihm geprägten Italo-Western das Genre wieder für ein internationales Publikum interessant gemacht hatte, legte er 1966 mit „Zwei glorreiche Halunken“ ein knapp dreistündiges Epos vor, das neben den vertrauten Duellen von Banditen und Kopfgeldjägern auch noch den Bürgerkrieg mit ins Spiel brachte. Clint Eastwood durfte einmal mehr den Mann ohne Namen mimen und sich mit gleich zwei Schurken auf Augenhöhe anlegen.
Während des amerikanischen Bürgerkrieges verdienen der Scharfschütze, der nur „der Blonde“ (Clint Eastwood) genannt wird, und der wegen unzähliger Verbrechen gesuchte Bandit Tuco (Eli Wallach) ihren Lebensunterhalt damit, dass der Blonde den steckbrieflich gesuchten Tuco den Händen des Gesetzes übergibt, die ausgeschriebene Belohnung einsackt und den zum Tode durch den Strick verurteilten Verbrecher im Moment der Urteilsvollstreckung von dem Seil erlöst, das ihm um den Hals baumelt. Nach der anschließenden gemeinsamen Flucht teilen sich die beiden das Kopfgeld und wiederholen das Spiel in der nächsten Stadt.
Als Tuco wegen des höheren Risikos auf seiner Seite aber einen höheren Anteil verlangt, beendet der Blonde die Geschäftsbeziehung und setzt seinen ehemaligen Partner siebzig Meilen von der nächsten Stadt entfernt in der Wüste aus. Doch damit ist nur der erste Teil ihrer Beziehung beendet. Tuco gelingt es nämlich, sich tatsächlich in die nächste Stadt zu retten und nach dem Überfall auf eine Postkutsche von einem Goldschatz zu erfahren, der auf einem Friedhof versteckt ist. Allerdings weiß nur der Blonde, unter welchem Grab die 200.000 Dollar vergraben sind, so dass Tuco und der Blonde wieder aufeinander angewiesen sind.
Aber auch der Kopfgeldjäger Sentenza (Lee Van Cleef) erfährt von diesem Schatz und versucht auf seine Weise, an die nötigen Informationen zu kommen, wofür er sich sogar in die Dienste der Blauröcke stellt. Doch Tuco und der Blonde lassen sich nicht so ohne weiteres von dem gerissenen Sentenza gegeneinander ausspielen, auch wenn dieser noch eine Handvoll Scharfschützen im Gefolge hat …
Der amerikanische Western hat in den 1960er Jahren nicht nur an Popularität verloren, weil die bis dahin omnipräsenten Stars John Wayne, James Stewart, Gary Cooper, Henry Fonda und Kirk Douglas alt wurden, sondern auch weil das moralische Wertesystem mit den Indianer-Massakern, der gepredigte Humanismus und der verbrecherische Landraub nicht mehr zeitgemäß waren. Mit den ersten beiden Filmen seiner sogenannten „Dollar“-Trilogie räumte Sergio Leone gründlich mit dieser scheinheiligen Doppelmoral auf und etablierte Revolvermänner, die nur für Geld andere Menschen töten, ohne jeden moralischen Grundsatz.
In „Zwei glorreiche Halunken“ treibt Leone dieses Szenario bis zur ironischen Karikatur auf die Spitze. Bereits in der ersten Szene nach dem bunt eingefärbten und mit dem Geballere von Pistolen und Gewehren unterlegten Vorspann fegt Leone das US-Western-Ideal der Familie beiseite, als Sentenza für 500 Dollar den Decknamen eines Mannes in Erfahrung bringt und dafür alle Familienmitglieder des Zielobjekts tötet, die ihm dabei in die Quere kommen. Das Bild, das Leone, Drehbuchautor Luciano Vincenzoni („Orca, der Killerwal“, „Der City Hai“) und Kameramann Tonino Delli Colli („Der Name der Rose“, „Das Leben ist schön“) vom Wilden Westen zeichnen, ist düster und hässlich, die Städte zerbombt, zerstört und verlassen, umgeben von unwirtlicher, tödlicher Wüste.
Es ist bezeichnend, dass Leone nicht mal den Bürgerkrieg eingehender thematisiert. In „The Good, the Bad & the Ugly“ (so der Originaltitel), stehen sich einfach zwei Armeen ohne besonderen Auftrag gegenüber, die Uniformen im Wüstenstaub nahezu zum Verwechseln ähnlich (was dem Blonden und Tuco auch zum kurzfristigen Verhängnis wird), die Soldaten im „Gestank von Alkohol“ vereint, ohne den sie gar nicht aufeinander losgehen würden. Schließlich wird auch noch die für beide Seiten strategisch wichtige Brücke von den Gaunern gesprengt. Alles scheint so sinnlos und schrecklich, dass der einzige Sinn im Leben der Revolvermänner darin besteht, möglichst viel Geld in die Hände zu bekommen (um was damit anzufangen?).
Leone nimmt sich viel Zeit, nicht nur die Sinnlosigkeit des Krieges zu thematisieren, sondern auch seine drei so unterschiedlichen, in ihren materiellen Zielen aber letztlich vereinten und wiederum verfeindeten Protagonisten zu charakterisieren. Wie sich der stets cool bleibende Blonde, der temperamentvolle Tuco und der vornehme Sentenza einander umgarnen, sich gegenseitig belauern und gegeneinander auszuspielen versuchen, ist von markigen Sprüchen und vielen Prügeleien und Schießereien begleitet. Einzig der Blonde scheint noch etwas Humanität in seinem Wesen zu haben, legt er einem sterbenden Soldaten doch seinen Mantel über dessen zitternden Leib und lässt ihn ein paar letzte Züge von seiner Zigarre rauchen. Wenn der Blonde anschließend seinen Mantel über der Leiche des Soldaten liegen lässt und stattdessen einen Poncho überzieht, weiß der Zuschauer, dass es sich bei „Zwei glorreiche Halunken“ um das Prequel zu „Für eine Handvoll Dollar“ und „Für ein paar Dollar mehr handelt“. Clint Eastwood war hier das letzte Mal unter der Regie von Sergio Leone zu sehen, nachdem der Regisseur erbost über Eastwoods Gagenforderung gewesen ist und für „Spiel mir das Lied vom Tod“ schließlich Charles Bronson als Hauptdarsteller engagierte. Eastwood mimt einmal mehr den Mann ohne Namen mit eloquenter Coolness und markigen Sprüchen, aber auch Eli Wallach („Die glorreichen Sieben“, „Mackenna’s Gold“) und Lee Van Cleef („Der Mann, der Liberty Valance erschoss“, „Die Klapperschlange“) machen eine gute Figur als Männer, die nur auf ihren persönlichen Vorteil aus sind und dabei über Leichen gehen. Leone zelebriert in dem Abschluss seiner „Dollar“-Trilogie seine Meisterschaft in der Erzeugung von Spannung. Vor allem im Showdown auf dem Friedhof wechselt er minutenlang zwischen Nahaufnahmen der drei sich mehr oder wenig nervös abschätzenden Männer und Totalen, lässt wie zu Beginn des Films kein Wort, sondern nur die Mimik der Beteiligten sprechen. Dabei leistet ihm natürlich einmal mehr Ennio Morricone hervorragende Dienste. Mit einer einfachen Melodie, die an den Gesang von Kojoten erinnert und die Rohheit des Westens untermalen soll, und einfallsreichen Komponenten wie Pistolenschüssen, verschiedenen Gesängen, Pfeifen und Jodeln trägt Morricones Musik maßgeblich zur Steigerung der Spannung bei diesem Mexican Stand-off bei.
Bei einem Budget von ca. 1,2 Mio. Dollar spielte der Film allein in den USA über sechs Millionen Dollar ein und legte damit den Grundstein für Leones Amerika-Trilogie („Spiel mir das Lied vom Tod“, „Todesmelodie“, „Es war einmal in Amerika“).
"Zwei glorreiche Halunken" in der IMDb

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