Das Geheimnis der falschen Braut

Mitte der 1960er Jahre erregte der französische Filmemacher François Truffaut mit den Literaturverfilmungen von Ray Bradburys Sci-Fi-Klassiker „Fahrenheit 451“ (1966) und Cornell Woolrichs „Die Braut trug schwarz“ (1968) vermehrt auch internationale Aufmerksamkeit. Auch mit „Das Geheimnis der falschen Braut“ (1969) inszenierte Truffaut die Adaption einer Woolrich-Vorlage, „Waltz Into Darkness“, die er unter seinem Pseudonym William Irish veröffentlicht hatte. Truffaut vereinte damit nicht nur die beiden französischen Weltstars Jean-Paul Belmondo und Catherine Deneuve vor der Kamera, sondern verbeugte sich auch vor Jean Renoir, Alfred Hitchcock und der Schwarzen Serie.
Über eine Kontaktanzeige in der Zeitung lernt der in dem französischen Übersee-Départment Réunion lebende Plantagenbesitzer Louis Mahé (Jean-Paul Belmondo) seine zukünftige Ehefrau Julie Roussell (Catherine Deneuve) kennen und ist erst einmal überrascht, sieht seine Zukünftige doch ganz anders aus als auf dem Foto, das sie einem ihrer Briefe beigelegt hat. Als sie mit dem Dampfer „Mississippi“ am Hafen von Noumea ankommt, gesteht sie, dass sie das Foto ihrer Nachbarin geschickt hätte, um die Ernsthaftigkeit seiner Absichten zu überprüfen, worauf auch Louis verkündet, dass er nicht nur Vorarbeiter in einer Tabakfabrik sei, sondern deren Besitzer.
Nachdem die Identitäten geklärt sind, heiratet Louis die französische Schönheit. Doch kaum hat er ihr eine Vollmacht sowohl über sein Privat- als auch Geschäftskonto erteilt, erleichtert sie ihn um sein fast vollständiges Vermögen von 28 Millionen Franc und macht sich aus dem Staub. Tatsächlich heißt Julie eigentlich Marion Vergano und hat ihrem Geliebten Richard dabei geholfen, die echte Julie während der Überfahrt auf dem Dampfer über Bord zu werfen. Louis und Berthe (Nelly Borgeaud), die Schwester der echten Julie, beauftragen gemeinsam den Privatdetektiv Comolli (Michel Bouquet), um Julie ausfindig zu machen, was ihn nach Antibes in Frankreich führt. Als Louis die Betrügerin in einem Fernsehbericht über die Eröffnung eines neuen Nachtclubs in Nizza auf der Tanzfläche entdeckt, macht auch er sich auf den Weg, sich an seiner großen Liebe, die ihn betrogen hat, zu rächen. Doch als sie sich in Nizza wiedersehen, fängt er mit ihr ein neues Leben in einer abgelegenen Villa in Aix-en-Provence an, das sie auf der Flucht vor der Polizei und Comolli verbringen müssen …
Truffaut erzählt in seiner selbst adaptierten Geschichte von Cornell Woolrich das für die Schwarze Serie typische Szenario eines an sich konventionellen Mannes, der durch ein außergewöhnliches Ereignis aus der Bahn geworfen wird. In diesem Fall wirft der reiche wie unbekümmerte Plantagenbesitzer Louis Mahé alle Vorsicht über Bord, als er sich Hals über Kopf in die wunderschöne Julie/Marion verliebt und von seiner obsessiven Liebe auch nicht abrückt, als er erfährt, dass sie ihn belügt, beklaut und sogar zu ermorden versucht. Die Betrügerin wiederum scheint sich ihre Schönheit skrupellos zunutze zu machen, um möglichst viel materiellen Wohlstand von ihren ausgesuchten Opfern auszupressen.
Truffaut erweist sich als Meister der Inszenierung dieser ungewöhnlich leidenschaftlichen Liebe, die trotz des so gegensätzlich veranlagten Paares jeden Verrat zu verzeihen vermag. Jean-Paul Belmondo („Der Profi“, „Außer Atem“) überzeugt dabei als verträumter und weltfremder Mann, dem Geld an sich nichts bedeutet und über die Liebe zu einem realistischeren Weltbild gelangt. Und auch die ebenfalls gegen ihre bisherige Rollen eingesetzte Catherine Deneuve („Ekel“, „Belle de Jour – Schöne des Tages“) fesselt mit ihrer Darstellung als raffinierte und zynische Frau, der es nur auf materielle Güter ankommt, aber vor der ungebremsten, bedingungslosen Liebe ihres Mannes kapitulieren muss und sich schließlich auch ganz auf ihn einlässt. Truffaut verbeugt sich gleich in mehrerer Hinsicht vor Alfred Hitchcock. Catherine Deneuve hätte mit ihrer berechnend-unterkühlten Darstellung auch wunderbar in Hitchcocks „Marnie“ oder „Vertigo“ spielen können, wobei die obsessive Liebe auch bei Truffaut in ein kriminalistisches Drama mündet, in dem sich die Protagonisten immer weiter von der Außenwelt abschotten.
Gewidmet hat Truffaut den Film aber dem großen Jean Renoir, dem er gleich mehrmals Referenz erweist. So beginnt „Das Geheimnis der falschen Braut“ mit einem Ausschnitt aus „Die Marseillaise“ (1938), später will Louis den Film „Arizona Jim“ schauen, womit Truffaut auf den fiktionalen Westernhelden in Renoirs „Das Verbrechen des Herrn Lange“ (1936) verweist. Und schließlich spielt die Schlussszene auf „Die große Illusion“ (1937) an. Doch bei allen filmischen Querverweisen ist Truffaut ein eindringlich inszeniertes Psycho-Noir-Drama gelungen, das Explosive Media erstmals auch auf Blu-ray veröffentlicht.
"Das Geheimnis der falschen Braut" in der IMDb

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