Rattennest

Nachdem Robert Aldrich 1954 mit „Menschenraub in Singapur“ seinen ersten Abstecher ins Film-Noir-Genre unternommen hatte und mit den beiden Burt-Lancaster-Western „Massai – Der große Apache“ und „Vera Cruz“ seinen Durchbruch in Hollywood feiern durfte, adaptierte er ein Jahr später den Mickey-Spillane-Roman „Kiss Me Deadly“. Der Romanheld Mike Hammer, der zwar ganz in der Tradition von Dashiell Hammetts Sam Spade und Raymond Chandlers Philip Marlowe steht, aber viel gewalttätiger zu Werke geht, hat es in Aldrichs „Rattennest“ mit dem Geheimnis um eine entführte und ermordete Frau zu tun.
Auf der nächtlichen Fahrt in seinem Cabrio wird Privatdetektiv Mike Hammer (Ralph Meeker) von einer jungen Frau namens Christina (Cloris Leachman) angehalten, die mitten auf der Straße verzweifelt nach einer Mitfahrgelegenheit sucht. Hammer lässt die verängstigte Frau einsteigen und erfährt aus dem Radio, dass die Polizei eine aus der Irrenanstalt entflohene Frau sucht. An der nächsten Tankstelle übergibt Christina dem Tankwart einen Brief mit der Bitte, ihn zu frankieren und abzuschicken. Den Privatdetektiv wiederum bittet sie, sie zu vergessen, wenn sie überlebt, sie aber nicht zu vergessen, wenn sie es nicht tut. Wenig später werden Hammer und seine Begleiterin von einem Auto von der Straße abgedrängt und verschleppt. Während Christina selbst unter brutaler Folter nichts preisgibt, bekommt der bewusstlos geschlagene Hammer kaum etwas mit. Er wacht erst wieder auf, als ihre Peiniger Christina und ihn in seinem Wagen einen Abhang hinunterstoßen. Christina überlebt diese Aktion nicht, Hammer wacht dagegen leicht verletzt in einem Krankenhaus auf. Während Hammers Freund, Lieutenant Pat Murphy (Wesley Addy), ihn bedrängt, die Finger von der Sache zu lassen, ist längst sein Spürsinn erwacht. Seine Ermittlungen führen ihn zunächst zu Christinas Mitbewohnerin Lili Carver (Gaby Rodgers), dann zu ihrem Bekannten Ray Diker (Mort Marshall), dessen Gespräch mit einem Kunsthändler über einen gewissen Dr. Soberin (Albert Dekker) Hammers Freundin und Assistentin Velda (Maxine Cooper) mitanhören konnte. Über den Pathologen, der Christinas Leiche obduzierte, gelangt Hammer schließlich an einen Schlüssel zu einem Schließfach, das ein todbringendes Geheimnis birgt …
Nachdem Harry Essex 1953 mit „Der Richter bin ich“ den ersten von insgesamt dreizehn Mike-Hammer-Romanen verfilmt hatte, legte Aldrich zwei Jahre später mit „Rattennest“ einen überzeugenderen Nachfolger vor, in dem Ralph Meeker („Wege zum Ruhm“, „Das dreckige Dutzend“) den hartgesottenen, unerschrockenen Privatdetektiv sehr glaubhaft als sadistischer und chauvinistischer Zyniker verkörpert, der sich nicht von seiner einmal aufgenommenen Witterung abbringen lässt, sei es durch Gewalt oder eine Wahrheitsdroge. Auf der Suche nach der Wahrheit dient Hammer jede Art von Gewalt als probates Mittel, das er ohne zu zögern einsetzt, auch ohne vorher Fragen zu stellen.
Aldrich inszenierte seine Adaption des Spillane-Romans auf schnörkellose und geradlinige Art, auch wenn die Suche nach den Hintergründen des Verbrechens einigen verschlungenen Pfaden folgt, auf denen Hammer immer wieder willigen Frauen begegnet, die er nach Belieben für seien Zwecke ausnutzt. Überall begegnen Hammer skrupellose Kriminelle und korrupte Menschen, die für ein paar schmutzige Dollars ihre Seele verkaufen. Interessant ist dabei vor allem das Objekt der Begierde, nach dem nicht nur Hammer, sondern all die Gauner hinterher sind, die ihn aus dem Weg räumen wollen, denn damit greift Aldrich die damals weit verbreitete Angst des Publikums vor der Atombombe auf, womit sich Aldrich und Drehbuchautor A.I. Bezzerides („Nachts unterwegs“, „Das Höllenriff“) weit von der Romanvorlage entfernen, in der es vor allem die Drogengeschäfte der Mafia geht. Neben Meeker überzeugt auch Cloris Leachman („Die letzte Vorstellung“, „Die Croods“) in ihrem Spielfilmdebüt als Femme fatale. Die atmosphärisch dichten Bilder von Kameramann Ernest Laszlo („Wer den Wind sät“, „Flucht ins 23 Jahrhundert“) und der stimmungsvolle Score von Frank De Vol („Bettgeflüster“, „Wiegenlied für eine Leiche“) runden dieses minimalistische, aber packende Film-Noir-Meisterwerk ab, das Koch Media nun erstmals auf Blu-ray veröffentlicht.
"Rattennest" in der IMDb

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